Die Mauern des Gebäudes leuchten in einem satten Gelb. Den Innenhof des französischen Kulturinstituts in Gaza-Stadt erreichen Besucher über ein kleines Pförtnerhäuschen mit einer Sicherheitsschleuse. Doch die reagiert nicht. Sie ist offenbar gar nicht eingesteckt. Im Institut selbst gibt es ein kleines Café. Für junge Palästinenser wie Mariam ist das Institut zu einem Rückzugsort geworden.
"Ich treffe gern Freunde, ich gehe zum Sport. Wir schauen uns daheim Filme an. Ich habe ein paar Musiker-Freunde, ich probe mit denen hier. Beinahe jeden Tag treffen wir uns, spielen Gitarre, singen und proben."
Das klingt eigentlich alles ganz normal: Mariam spielt mit ihren Musiker-Freunden am liebsten arabischen und englischen Rock. Doch damit beginnen außerhalb der Institutsmauern bereits die Probleme. Denn öffentliche Pop-Konzerte gibt es in Gaza derzeit nicht. Das liegt zu einen, daran, dass Gaza traditionell sehr konservativ ist. Zum anderen hängt es wohl auch mit den politischen Verhältnissen zusammen. In Gaza regiert die Hamas-Organisation. Deren Vertreter sollen selbst beim seltenen Besuch des Sängers Mohammed Assaf vor ein paar Wochen alle Auftritte in Gaza untersagt haben. Assaf hatte die Casting Show "Arab Idol" im vergangenen Jahr gewonnen.
"Keine Möglichkeit, Entscheidungen für uns selbst zu treffen"
Er lebt längst nicht mehr im Gazastreifen. Selten genug: Er durfte seinen Wohnsitz mit Erlaubnis der israelischen Militärverwaltung ins Westjordanland verlegen. Doch seine Altersgenossen im Küstenstreifen sitzen fest. Jugendliche wie die 21-jährige Sharrah:
"Das Leben hier ist so schwierig. Wir haben keine Arbeit. Wir haben keine Freiheiten. Keine Möglichkeit, Entscheidungen für uns selbst zu treffen."
Sharah ist Uni-Absolventin. Doch die junge Palästinenserin findet keine Arbeit. Jedes Jahr beenden 69.000 Palästinenser im Gazastreifen ihr Studium, ohne eine Aussicht auf einen Job, mit dem sie sich selbst oder gar eine Familie ernähren könnten. Die Wirtschaft des Streifens liegt am Boden. Auch Schattenwirtschaft, also der Handel durch die Tunnel zu Ägypten ist zusammengebrochen. Und seit Ägypten, ebenso wie Israel seine Grenze zu Gaza weitgehend wieder dicht gemacht hat, kommen junge Palästinenser auch nicht mehr raus:
"Ich mag meine Jugend hier nicht verschwenden. Ich habe alles versucht, seit acht Jahren. Ich kann hier nichts machen, Jeder probiert und probiert. Aber ich bin total hilflos hier."
Mariam würde gern abhauen. Der 20-jährige Student Majd sitzt neben ihr. Er muss Mariam für ziemlich egoistisch halten. Denn Majd warnt davor, Gaza den Rücken zu kehren.
"Wenn Du entscheidest, Dein Land zu verlassen, dann wird sich nichts ändern. Wenn Du nicht versuchst, etwas zu ändern, dann verschwendest Du Deine Zeit. Auch wenn ich scheitern sollte, wie Du sagst, habe ich es zumindest versucht."
"Ich möchte leben, wie ich es im Internet sehe"
Majd hilft als Freiwilliger bei kleinen Gemeinschaftsprojekten in Gaza. Community-Building heißt das - in einer Gesellschaft, die kaum mehr als Gemeinschaft, also Community funktioniert: Der Streit zwischen den verfeindeten palästinensischen Organisationen Hamas und Fatah war bisher deutlicher Ausdruck für die palästinensische Zerrissenheit. Beide Gruppen bemühen sich seit dieser Woche ein weiteres Mal um Versöhnung und haben damit für Schlagzeilen gesorgt. Aber im Moment haben sie die Macht unter sich aufgeteilt. Junge Palästinenser kommen weder in Gaza noch im Westjordanland daran vorbei, beschwert sich Sharah:
"Die Regierungen in Gaza und Ramallah haben zu allem unterschiedliche Meinungen, sie denken nicht an unsere Zukunft. Weder an die Jugend in Gaza - noch an die schlechte Versorgungslage hier."
1,8 Millionen Palästinenser leben im Gazastreifen. Es gibt Schätzungen, wonach 50 Prozent von ihnen jünger sind als 18 Jahre. Was wird aus Ihnen, wenn selbst die Jugendlichen gehen, deren Eltern noch ein Einkommen haben und die auch für die erwachsenen Kinder noch sorgen können? Mariams Vater zum Beispiel arbeitet bei einem Ministerium der palästinensischen Autonomiebehörde. Das bedeutete bisher, dass er jeden Monat ein Gehalt aus Ramallah überwiesen bekam. Auch wenn oder besser gesagt: Gerade weil er sich weigerte, für die verfeindete Hamas in Gaza zu arbeiten.
"Mir geht es wirtschaftlich gut. Aber ich möchte leben und nicht mehr kämpfen. Ich möchte leben, wie ich es im Internet sehe. Ich möchte meine Jugend genießen, wie jeder auf der Welt. Ich genieße das hier nicht."
"Irgendwas, damit ich raus komme und nie wieder zurückkehren muss"
Palästinenser wie Mariam sagen, Gaza sei einfach ein großes Gefängnis. Als die Grenze zu Ägypten noch offen und der Flughafen Kairo noch erreichbar war, haben einige versucht, nach Europa zu fliehen. Ein Visum für ein Studium in Südeuropa war ihr bevorzugter Weg. Sie stellten dann in Schweden Asylanträge. Doch einige kehrten auch wieder zurück nach Gaza. Unerträglich sei die Situation im Flüchtlingsheim gewesen, sagt ein junger Mann. Er will seinen Namen nicht nennen, weil er wieder im Gesundheitsministerium von Gaza arbeitet. Sollte Mariam solche Beispiele kennen, dann sind sie der jungen Frau zumindest egal.
"Jeden Tag suche ich nach einem Stipendium. Irgendwas, damit ich raus komme und nie wieder zurückkehren muss."
Und auch wenn derzeit die Grenzen nahezu dicht sind: Ihre Eltern hätten sie darin bestärkt, Gaza den Rücken zu kehren.