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Nahost-Verhandlungen 1978
Die Lehren aus dem Camp-David-Abkommen

Am 17. September 1978 wurde auf dem Sommersitz des amerikanischen Präsidenten das Camp-David-Abkommen geschlossen, das zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Ägypten und einer Beruhigung des Nahostkonfliktes beitragen sollte. In seinem Buch "Dreizehn Tage im September" schildert der Journalist Lawrence Wright den Verlauf der dramatischen Verhandlungen.

Von Marcus Pindur |
    Israelisch-ägyptische Friedensverhandlungen in Camp David
    Menachem Begin, Jimmy Carter und Anwar Al-Sadat beim Abschluss des Camp-David-Abkommens 1978. (dpa/picture alliance)
    Dieses Buch ist allein schon deswegen ein wichtiges Buch, weil es uns daran erinnert, dass es vor fast 40 Jahren möglich war, dass sich ein gläubiger Moslem, ein orthodoxer Jude und ein evangelikaler Christ an einen Tisch setzen und zu einem belastbaren politischen Ergebnis kommen konnten. Das Buch des Journalisten Lawrence Wright, ein Pulitzerpreisträger, über die Camp-David-Konferenz zeigt uns aber auch, wie schwierig es für Anwar Al-Sadat, Menachem Begin und Jimmy Carter war, zu einem Friedensabkommen zwischen Israel und Ägypten zu kommen. In den Worten des Autors:
    "Ziel dieses Buches ist es, Einblicke zu liefern, wie dieser mühsame Einigungsprozess erreicht werden konnte, selbst von gewaltbereiten Männern, die aufgrund ihrer Herkunft voreingenommen, von nationaler Politik eingeschränkt und von ihrem Glauben verblendet sind."
    Was so schien wie ein Triumph der Diplomatie war eben nicht nur das. Es war das Ergebnis einer Mischung von zumindest teilweise konvergierenden Interessen; von Lebenswegen, die unterschiedlicher kaum sein konnten, sich aber an diesem Punkt kreuzten; und des schieren politischen Willens, dies alles zusammen zu fügen. Derjenige, der nach Ansicht des Autors den größten Anteil daran hat, ist der damalige amerikanische Präsident Jimmy Carter, der dafür einiges von seinem schwindenden politischen Kapital aufs Spiel setzte:
    "Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass wir einen wichtigen Schritt in Richtung Frieden gegangen sind. Etwas, was vor einem Jahr noch niemand für möglich gehalten hätte. Es beweist den Mut und die Klugheit der beiden Politiker hier. Das Übereinkommen, dass Präsident Sadat und Premierminister Begin unterzeichnet haben, trägt den Titel: 'Ein Rahmenabkommen für Frieden im Nahen Osten…' (Applaus)
    Die Schilderung der Verhandlungen ist ein Drama für sich
    Einen umfassenden Frieden im Nahen Osten gab es nicht. Aber das Israelisch-Ägyptische Abkommen gab beiden Ländern die Möglichkeit, andere Prioritäten zu setzen. Israel war ein großes Stück sicherer. Ein Krieg der arabischen Staaten gegen Israel war ohne Ägypten sehr unwahrscheinlich geworden.
    Lawrence Wright strukturiert seinen minutiösen Bericht über das Zustandekommen dieses Abkommens zunächst auf die einfachste denkbare Art: Er hangelt sich an den 13 Verhandlungstagen im September 1978 in Camp David, dem Sommersitz der amerikanischen Präsidenten, entlang. In diese Schilderung fügt er Rückblenden in die Geschichte des Nahostkonfliktes und in die Biografien der handelnden Personen ein, die dem Leser Kontext und historischen Hintergrund bieten.
    Darüber hinaus ist die Schilderung der Verhandlungen ein Drama für sich. Mehrfach standen die Verhandlungen vor dem Abbruch, weil sowohl Begin als auch Sadat abreisen wollten. Wright zeigt, wie es Carter jedes Mal gelang, dies zu verhindern.
    Die Hindernisse waren immens. Sadats Verhandlungsdelegation war komplett gegen den Kurs ihres eigenen Präsidenten. Carter befürchtete das schlimmste für Sadat in Camp David, wie seine Frau Rosalynn sich erinnerte:
    "Es war vier Uhr morgens, und er war sichtbar aufgeregt. 'Ich weiß nicht warum, aber ich habe ein ungutes Gefühl wegen Sadats Sicherheit', gab er zu. Er weckte (seinen Sicherheitsberater, Anm. d. Autors) Brzezinski, der im Pyjama herüberkam, zusammen mit dem Leiter des Geheimdienst-Einsatzkommados. 'Zbig, ich mache mir große Sorgen um Sadats Leben', sagte Carter."
    Daraufhin wurden die Wachen um Sadats Unterkunft noch einmal verstärkt. Anwar al-Sadat sollte zwei Jahre später mit seinem Leben für das Friedensabkommen mit Israel bezahlen.
    Auch 40 Jahre danach noch Lehren ziehen
    Auch die israelische Delegation war in sich zerstritten, die wechselnden Anfälle von Kooperationsbereitschaft und Halsstarrigkeit Begins spiegelten dies wider.
    Lawrence Wright glaubt, auch fast 40 Jahre nach Camp David, Lehren aus diesen Verhandlungen ziehen zu können:
    "Es gibt keine perfekten Partner für den Frieden. Schauen Sie sich nur die Beteiligten in Camp David an: ein ehemaliger Attentäter und ein ehemaliger Terrorist, an den Verhandlungstisch gebracht von einem schwachen und unpopulären Präsidenten. Das sind keine idealen Friedenspartner. Aber sie hatten eines gemeinsam: den politischen Mut."
    Wrights Buch hat ebenso große Vorzüge wie Nachteile. Seine Schilderung von Begin als dem großen Blockierer der Verhandlungen geht am Kern der Rolle des israelischen Ministerpräsidenten vorbei. Denn von Israel wurde verlangt, nach vier Kriegen gegen Ägypten, auf die strategisch-militärisch wichtige Landmasse der Sinai-Halbinsel zu verzichten - sich also auf das Konzept "Land gegen Frieden" einzulassen. Der Sinai hatte Israel strategische Tiefe gegeben, ein Plus an unmittelbarer Sicherheit, welches eingetauscht werden sollte gegen einen abstrakten Frieden.
    Entscheidend war der politische Mut
    Während der Autor Menachem Begin - zum Teil zutreffend - als von Nazi-Herrschaft und jüdischem Befreiungskampf traumatisierten Politiker beschreibt, unterlässt er es, die jugendliche Hitler-Verehrung Sadats in den weiteren Kontext der arabischen Welt zu stellen. Beim heutigen Forschungsstand ein unverzeihlicher Fehler.
    Vielleicht war es gerade die naiv anmutende Starrköpfigkeit Jimmy Carters, die das Zustandekommen des Abkommens ermöglichte, meint Lawrence Wright:
    "Die wichtigste Lehre aus Camp David ist, dass Amerika die entscheidende Rolle spielt. Ägypten und Israel hätten keinen Frieden zustande bringen können. Nach dem fünften Tag, als die Verhandlungen festsaßen, entwarf Carter einen amerikanischen Friedensplan. Und er machte ihnen klar, dass ihr Verhältnis zu den USA auf dem Spiel stand. Und diese aggressive Verhandlungsführung führte dazu, dass die Verhandlungsparteien den USA Zugeständnisse machten, die sie sich selber gegenseitig nicht machen konnten."
    Entscheidend war jedoch, und das gilt weiterhin, der politische Mut, den die drei aufbrachten, jeder auf seine Weise. Das Camp-David-Abkommens löste nicht alle Probleme der Region - wie auch. Das Palästinenserproblem ist weiterhin ungelöst. Aber der Israelisch-Ägyptische Frieden ist in den vergangenen fast vier Jahrzehnten nicht gebrochen worden und hat sich damit als richtungsweisend erwiesen - viel mehr kann man von Diplomatie nicht erwarten. Das Buch Lawrence Wrights fängt den Ausgangspunkt dieses wichtigen historischen Prozesses mit großer Anschaulichkeit ein.