Ein Laborraum im Institut für Lebensmittelchemie der Universität Stuttgart-Hohenheim. Auf den Tisch kullern kleine, orangefarbene Kapseln zum Einnehmen.
"Das ist Gelatine oder so 'was außen 'rum, die da so ein bisschen merkwürdig riecht", sagt Jannik Sprengel, Doktorand am Institut für Lebensmittelchemie. "Das hier sind verschiedene Kapseln, die - laut Auszeichnung - besonders reich an Vitamin E sind. Die gibt's meistens nicht so im Laden, sondern die hab' ich im Internet bestellt. Da gibt's dann aber auch ziemliche Auswahl, teilweise auch aus verschiedenen Ländern, mit deutscher Übersetzung draufgeklebt. Da kann man sich auf jeden Fall richtig austoben."
Jannik Sprengel hat 14 solcher Nahrungsergänzungsmittel aus dem Internethandel untersucht. Und dabei eine beunruhigende Beobachtung gemacht. In allen Vitamin-E-Kapseln stieß der Lebensmittelchemiker auf Chlorparaffine - eine Gruppe von langlebigen, zum Teil verbotenen Umweltschadstoffen. In acht Proben waren die Substanzen zwar nur in Spuren enthalten, aber:
"Die restlichen sechs - da waren's dann viele Mikrogramm pro Gramm Fett, also mehr als 30 bis hin zu 200 Mikrogramm pro Gramm Fett. Das bedeutet: 0,2 Promille von dem Inhalt der Kapsel waren dann tatsächlich Chlorparaffine. Das ist 'ne ziemlich ordentliche Menge. Und diese sechs Kapseln, die so hoch belastet waren, hatten alle etwas gemeinsam, nämlich. Die waren ganz oder teilweise aus Palmöl hergestellt", so Sprengel.
Vitamin E wird oft zusätzlich angereichert
Das ist keine Überraschung. Denn Palmöl enthält von Natur aus Vitamin E. Allerdings nicht in so hohen Konzentrationen, wie sie in Nahrungsergänzungsmitteln üblich sind. Also wird Vitamin E auch noch aus Palmöl extrahiert und zusätzlich angereichert. Genau das geschieht dann auch mit den Chlorparaffinen, wie Walter Vetter vermutet, Professor für Lebensmittelchemie in Hohenheim.
Vetter hält die Schadstoffe für sogenannte Prozess-Kontaminanten, die man bisher übersehen hat:
"Die kommen wahrscheinlich beim Pressen des Öls rein. Das heißt, dass die Ölpresse selbst Chlorparaffine - sei es zum Schmieren oder was auch immer - hat. Und dass dadurch die vielleicht niedrigen Gehalte in das Öl kommen. Wir haben eine Grundbelastung, aber die ist auch nicht höher als in anderen Ölen. Erst durch die Anreicherung werden offensichtlich die Chlorparaffine mit angereichert. Und dadurch kommt wahrscheinlich die Konzentrationserhöhung zustande."
Chlorparaffine sind ein Sammelsurium unzähliger Einzelstoffe. Man unterscheidet bei ihnen Verbindungen mit kurzen, mittleren und langen Kohlenstoff-Ketten. Sie zu erfassen und zu messen ist sehr schwierig. Vetters Arbeitsgruppe hat sich darauf spezialisiert.
Vetter hält die Schadstoffe für sogenannte Prozess-Kontaminanten, die man bisher übersehen hat:
"Die kommen wahrscheinlich beim Pressen des Öls rein. Das heißt, dass die Ölpresse selbst Chlorparaffine - sei es zum Schmieren oder was auch immer - hat. Und dass dadurch die vielleicht niedrigen Gehalte in das Öl kommen. Wir haben eine Grundbelastung, aber die ist auch nicht höher als in anderen Ölen. Erst durch die Anreicherung werden offensichtlich die Chlorparaffine mit angereichert. Und dadurch kommt wahrscheinlich die Konzentrationserhöhung zustande."
Chlorparaffine sind ein Sammelsurium unzähliger Einzelstoffe. Man unterscheidet bei ihnen Verbindungen mit kurzen, mittleren und langen Kohlenstoff-Ketten. Sie zu erfassen und zu messen ist sehr schwierig. Vetters Arbeitsgruppe hat sich darauf spezialisiert.
Einige Kapseln enthielten verbotene, kurzkettige Chlorparaffine
In den Vitamin-E-Kapseln fand sie überwiegend mittelkettige Chlorparaffine, zum Teil aber auch kurzkettige. Ihre Anwendung ist gar nicht mehr erlaubt:
"Das hat da überhaupt nichts zu suchen. Das ist verboten, dass das da drin ist, das heißt, sie dürften gar nicht verkauft werden."
"Das hat da überhaupt nichts zu suchen. Das ist verboten, dass das da drin ist, das heißt, sie dürften gar nicht verkauft werden."
Auch bei den mittelkettigen Verbindungen sei ein Verbot bereits absehbar und nur noch eine Frage der Zeit, so der Hohenheimer Lebensmittelchemiker. Der Grund ist, dass sich die Chlorparaffine in der Umwelt anreichern und kaum abgebaut werden.
Doch wie giftig sind sie für den Menschen? Das zu bewerten sei äußerst schwierig, sagt Walter Vetter - gerade weil es sich um eine so komplexe Mischung von Einzelstoffen handele:
"Man kann grundsätzlich sagen, dass solche Stoffe generell unerwünscht sind. Das kann nicht gesund sein."
Doch wie giftig sind sie für den Menschen? Das zu bewerten sei äußerst schwierig, sagt Walter Vetter - gerade weil es sich um eine so komplexe Mischung von Einzelstoffen handele:
"Man kann grundsätzlich sagen, dass solche Stoffe generell unerwünscht sind. Das kann nicht gesund sein."
Forscher fordern bessere Überwachung
Erst recht nicht in einer Menge, wie sie in den Vitamin-E-Kapseln im Höchstfall nachweisbar war:
"Die Konzentration ist so immens hoch, dass das wirklich ein Riesenproblem ist. Wenn man da zehn Kapseln nimmt oder eine ganze Packung, wie wir sie vorher auf dem Tisch hatten, nehmen wir so viel auf wie vielleicht jemand PCB in seinem ganzen Leben", sagt Vetter.
"Die Konzentration ist so immens hoch, dass das wirklich ein Riesenproblem ist. Wenn man da zehn Kapseln nimmt oder eine ganze Packung, wie wir sie vorher auf dem Tisch hatten, nehmen wir so viel auf wie vielleicht jemand PCB in seinem ganzen Leben", sagt Vetter.
PCB - das steht für Polychlorierte Biphenyle. Eine andere kritische Gruppe von Umweltschadstoffen, die Chlor enthält und schon lange verboten ist.
Schätzungsweise drei Prozent aller in Deutschland eingenommenen Nahrungsergänzungsmittel sind Vitamin-E-Präparate. Deshalb auch der Appell der Forscher: Das Ganze sei jetzt ein Fall für die Lebensmittelüberwachung. Den staatlichen Untersuchungsämtern sollten die Ergebnisse aus Hohenheim auch schon bekannt sein. Jannik Sprengel präsentierte sie kürzlich auf dem Deutschen Lebensmittelchemikertag in Berlin. Und auch auf dem Internationalen Dioxin-Symposium im polnischen Krakau.
Schätzungsweise drei Prozent aller in Deutschland eingenommenen Nahrungsergänzungsmittel sind Vitamin-E-Präparate. Deshalb auch der Appell der Forscher: Das Ganze sei jetzt ein Fall für die Lebensmittelüberwachung. Den staatlichen Untersuchungsämtern sollten die Ergebnisse aus Hohenheim auch schon bekannt sein. Jannik Sprengel präsentierte sie kürzlich auf dem Deutschen Lebensmittelchemikertag in Berlin. Und auch auf dem Internationalen Dioxin-Symposium im polnischen Krakau.