Eine ganz normale Drogerie, darin – wie in jeder Drogerie - ein Regal voller Dosen, Gläser und Röhrchen: die Nahrungsergänzungsmittel. Schon der Anteil an der Verkaufsfläche lässt erahnen: Es wird gut damit verdient. Tatsächlich zeigen Studien, dass jeder vierte Erwachsene zu diesen Pulvern oder Pillen greift. Die beliebtesten Nahrungsergänzungsmittel sind dabei Vitaminpräparate, gefolgt von solchen, die Mineralien oder Spurenelemente enthalten wie Kalzium oder Eisen. Gut für die Gesundheit seien sie alle, so die verbreitete Meinung.
"Das ist ein sehr beliebter Satz: Ich esse Nahrungsergänzungsmittel, also wenn es nichts hilft, es schadet aber auch nicht. Das kann ich so überhaupt nicht unterstreichen. Es ist tatsächlich so, dass es bei einigen Supplementen und Nahrungsergänzungsmitteln noch unklar ist, wenn ich diese in hoher Dosierung esse, zu mir nehme, ob da nicht etwas passiert, was wir gar nicht wollen."
Vitamine können starke Nebenwirkungen haben
Sagt Professor Peter Stehle, Ernährungswissenschaftler von der Uni Bonn. Ausgerechnet bei einigen Vitaminen, also den Nahrungsergänzungsmitteln mit dem vielleicht positivsten Image, lauern erwiesenermaßen Risiken. Das gilt vor allem für die fettlöslichen Vitamine, also A, D und E. Beispiel Vitamin A: Bei Überdosierung drohen Kopfschmerzen, Übelkeit, Sehstörungen, bis hin zu Katastrophen wie Leberzirrhose oder Überdruck der Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit. Beispiel Vitamin D:
"Vitamin D ist eng verbunden mit dem Knochenstoffwechsel, mit der Kalzium-Aufnahme. Und wenn wir mehr Vitamin D aufnehmen, als wir benötigen, dann kommt es dazu, dass Kalzium an verschiedenen Stellen im Körper eingelagert wird, auch in weiche Gewebe, in verschiedene Organe, wo es gar nicht hingehört."
Dr. Volker Böhm, Ernährungswissenschaftler von der Uni Jena. Und sogar das als Anti-Aging-Präparat beworbene Vitamin E hat sich in neueren Studien als problematisch herausgestellt. Es kann offenbar bereits vorhandene Tumorzellen zum Wachstum anregen. Diese Vitamine A, D und E sollten daher nur zusätzlich eingenommen werden, wenn ärztlich ein Vitaminmangel diagnostiziert wurde, raten Experten. Das heißt aber im Klartext: Vitaminpillen sind bei normaler Ernährung weitgehend überflüssig. Auch Vegetarier benötigen sie nicht. Und selbst bei Menschen, die eine Vorliebe für Fast Food haben, ist ein Vitaminmangel nicht zu befürchten. Und genau so wenig ein Mangel an anderen Nährstoffen wie Kalzium, Magnesium oder Eisen. Etwas komplizierter wird es dagegen für Veganer, sagt Peter Stehle:
"Bei veganer Kost, wo wirklich dann tatsächlich Eier, Milchprodukte nicht konsumiert werden, dort gibt es natürlich mehr Risiko, weil es eben bestimmte Inhaltsstoffe gibt, die in diesen Produkten drin sind. Dazu zählt natürlich auch Eisen, da zählen ein paar der wasserlöslichen Vitamine, aber selbst ein Veganer, ein erwachsener Veganer, muss ich dazu sagen, kann durch eine vielfältige Ernährung das Risiko minimieren."
Sportler nutzen viele Nahrungsergänzungsmittel
Die besten Kunden der Nahrungsergänzungsmittel-Industrie sind allerdings Sportler.
"Im Sportbereich, hier haben wir eigene Daten über Leistungssportler, im Nachwuchsbereich sind es bis 80 Prozent der Nachwuchsathleten, die auf Nahrungsergänzungsmittel zurückgreifen, wobei wir hier bei den Daten eingeschränkt sagen müssen: Manche nur ein- bis zweimal im Monat, manche täglich und manche innerhalb von vier Wochen 17 verschieden Produkte."
Hans Braun, Ernährungswissenschaftler von der Sporthochschule Köln. Mit Abstand das beliebteste Nahrungsergänzungsmittel unter Sportlern ist hierzulande Magnesium. Seine Verbreitung ist enorm. Überraschend gering ist dagegen sein erwiesener Nutzen.
"Das Interessante ist, dass zum Beispiel in Deutschland 90 Prozent der befragten Sportler Magnesium regelmäßig nehmen, meistens zur Reduzierung von Krämpfen oder muskulären Problemen. Interessanterweise in Ländern wie zum Beispiel Großbritannien oder Norwegen spielt Magnesium bei Leistungssportlern keine Rolle, also die Zufuhrhäufigkeit ist unter zehn Prozent."
Magnesium hilft nicht gegen Muskelkrämpfe
Britische und norwegische Sportler bringen trotzdem Top-Leistungen. Und sie neigen auch nicht vermehrt zu mehr Muskelkrämpfen. Selbst Sportwissenschaftler wie Hans Braun rätseln, warum Magnesium überhaupt jemals diesen Ruf bekommen konnte. Kontrollierte wissenschaftliche Studien, die seinen Nutzen belegen, gibt es jedenfalls nicht.
Und so zeigt das Beispiel exemplarisch, was fast durchweg für alle Arten von Nahrungsergänzungsmitteln gilt: Die Beliebtheit ist groß, der Nutzen in der Regel kaum belegt. Schlimmer noch: Wer nach dem Motto verfährt viel hilft viel, gefährdet womöglich sogar seine Gesundheit.
"Und dann sind in den letzten Jahren sehr viele Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt aufgetaucht, die zum Beispiel Sibutramin oder Methyl-Hexanamin beinhalten, sogenannte Stimulanzien, die dann auch auf der Dopingliste stehen und entsprechend verboten sind."
Tatsächlich tauchen immer wieder Mittel auf dem Markt auf, die illegale Substanzen enthalten. Und dies macht Nahrungsergänzungsmittel vollends zum gesundheitlichen Risikofaktor. Die kontaminierten Produkte stammen meist aus den USA. Sie werben damit, dass sie zum Beispiel das Gewicht oder den Fettanteil im Körper reduzieren. Dass dies mithilfe illegaler Substanzen geschieht, ist allerdings auf der Verpackung nicht deklariert.
Gefahr von kontaminierten Präparaten
Die Sporthochschule Köln hat reagiert und testet importierte Nahrungsergänzungsmittel auf Kontamination mit Dopingmitteln. Die geprüften und für sicher befundenen Präparate werden auf einer Liste im Netz veröffentlicht. Angesichts dieser Faktenlage bleibt aber die Frage: Warum sind Nahrungsergänzungsmittel dennoch so überaus beliebt? Trotz aller Aufklärungsversuche von Ernährungsexperten wie Peter Stehle?
"Wir dringen da nicht durch. Warum? Natürlich ist es so, dass die Einflussnahme durch Werbemaßnahmen natürlich sehr, sehr groß ist."
Und dagegen haben auch Wissenschaftler einen schweren Stand.