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Nahrungsergänzungsmittel im Sport
Was drin ist, steht nicht immer drauf

Nahrungsergänzungsmittel sollen eigentlich die Nahrung ergänzen – aber neben regulären Herstellern nutzen Kriminelle den wenig kontrollierten Markt, um illegalen Inhalten beizumischen. Wie lässt sich das ändern?

Von Sabine Lerche |
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Studien zur Überprüfung von Nahrungsergänzungsmitteln stellen immer wieder fest, dass Produkte verbotene Substanzen enthalten oder ungenaue Angaben zu den Inhalten machen. (IMAGO / CHROMORANGE / IMAGO / Alfred Hofer)
Der Markt der Nahrungsergänzungsmittel ist riesig. Bis zu 16.000 Produkte werden allein in Deutschland jedes Jahr neu angemeldet. Wie viele es insgesamt gibt, das weiß wohl niemand so genau.
"Was die ganzen Produkte allerdings eint, ist, dass keins von denen im Vorfeld kontrolliert worden ist", sagt Alex Krämer, der sich mit Nahrungsergänzungsmitteln im Sport beschäftigt.
Denn ein Zulassungsverfahren oder eine behördliche Prüfung von Sicherheit und Qualität vor der Markteinführung gibt es nicht. Wer ein neues Produkt auf den deutschen Markt bringt, muss es lediglich beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit anzeigen und ein Muster des Etiketts hochladen.

Sportler besser aufklären und vor unbewusstem Doping schützen

Alex Krämer möchte deshalb die Sportler besser informieren:
"Je besser Verbraucher und Verbraucherinnen aufgeklärt sind, desto mehr werden sie unabhängig kontrollierte Produkte kaufen wollen, weil sie wissen, dass es eine Problematik gibt."
Alex Krämer hat mit seiner Agentur "Heimspiele" die "Kölner Liste" ins Leben gerufen. Auf der weltweit größten Informationsplattform zum Thema Sicherheit von Nahrungsergänzungsmitteln finden sich 1.100 Produkte, die am Zentrum für Präventive Dopingforschung der Deutschen Sporthochschule Köln auf anabole Steroide und Stimulantien untersucht wurden.
Denn neben den regulären Herstellern gibt es auch Kriminelle, die bewusst verbotene leistungssteigernde Substanzen in ihren Produkten verschweigen. Athlet*innen können so positiv getestet und unbewusst zu Doper*innen werden. Andere, vor allem neue und kleine Hersteller, kennen Verbotslisten der Welt-Anti-Doping-Agentur gar nicht und produzieren so unbewusst verbotene Mittel.

Kölner Liste dient der Doping-Prävention und dem Hersteller-Marketing

"Gerade diese neuen kleinen Produkte, die direkt zum Eintritt auch schon sagen: Ja, okay. Ich versuche, über Sportler Werbung zu machen. Insofern versuchen wir eigentlich, Sportler zu sensibilisieren: Seht zu, sorgt bitte dafür, dass sie auf die Kölner Liste kommen", erklärt Alex Krämer.
"Also wir versuchen, über die Umfelder des Sports den Druck auf die Hersteller zu erhöhen, dass sie, wenn sie im Sport aktiv werden möchten, auf die Kölner Liste kommen müssen."
Die Idee ist: Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln unterziehen sich freiwillig einem Label- und Dopingcheck. Gibt es keine Beanstandung, erhält das Produkt das Qualitätssiegel der Kölner Liste und hat gegenüber ungeprüften Produkten auf dem Markt einen Marketingvorteil: "Und das wird dann dazu führen, dass, sagen wir mal, diese problematischen Hersteller sich eigentlich von selber irgendwie in eine Ecke setzen oder eliminieren, was dann zu einer höheren Qualität als Vision zum Markt beitragen kann."

Beanstandungen wegen falscher Deklarierung oder Überdosierungen

Neben der Gefahr, dass verbotene Substanzen enthalten sein könnten, können die Ergänzungsprodukte auch wegen einer Überdosierung, wegen falscher Versprechen oder falscher Deklarierung unzulässig sein.
Bei Kontrollen beanstanden die Untersuchungsbehörden in den Bundesländern meist jedes dritte Produkt, in manchen Stichproben fast jedes, weiß Angela Clausen von der Verbraucherzentrale NRW: "Prinzipiell ist es so, dass jeder Hersteller verpflichtet ist, nur sichere Nahrungsergänzungsmittel oder sichere Lebensmittel auf den Markt zu bringen. Und das ist immer das, was auch vorgebracht wird. Die dürfen das ja gar nicht auf den Markt bringen. Aber sie tun es. Das ist das große Problem, das wir haben."

Für mehr Kontrollen fehlen Personal, Geld und Risikobewusstsein

Deshalb müsse es mehr Kontrollen geben. Doch den zuständigen Behörden fehle dazu das Personal und das Geld: "Und dann wird eben das Segment der Nahrungsergänzungsmittel insgesamt als nicht so riskant beurteilt wie andere Lebensmittel unter Umständen. Und deswegen fällt es auch ein bisschen hinten über. Aber es muss deutlich mehr passieren. Und das gilt insbesondere für den Internet-Bereich. Bisher ist es einfach so, dass das Internet nicht vernünftig kontrolliert werden kann."
So können Hersteller im Ausland die deutschen Behörden umgehen und ihre Produkte online ohne Anzeige oder Anmeldung an deutsche Sportler*innen verkaufen.

Netzwerke im Sportbereich für Sensibilisierung nutzen

Auch deshalb seien Initiativen wie die Kölner Liste wichtig, um im Spitzensportbereich Orientierung und Sicherheit zu bieten, beschreibt Krämer: "Olympiastützpunkte sind zum Beispiel verpflichtet, dass, wenn sie mit Herstellern zusammenarbeiten, müssen diese Hersteller von der Kölner Listen kommen, und sie müssen da sogar aus einer getesteten Charge kommen. Das ist eine Vorgabe vom Geldgeber an den Olympiastützpunkten."
Zusammen mit der Initiative "Gemeinsam gegen Doping" wollen die Herausgeber der Kölner Liste auch noch mehr mit Eliteschulen des Sports, den Landessportbünden und den Spitzenverbänden zusammenarbeiten.
Aber auch mehr in den Fitness-Bereich wirken: "So eine Idee, die wir im Kopf haben, ist auch irgendwann Siegel für Fitness-Studios zu machen, wo das auch eine Vorgabe ist. Was uns jetzt aus Präventionssicht da umtreibt, wäre eigentlich: Wir hätten gerne eine Verankerung in den Arbeitsverträgen. Wir hätten gerne eine Verankerung des Themas in Schulungen der Trainer, eine Selbstverpflichtung und so weiter."
Denn Trainer und Trainerinnen, ob im Leistungssport oder im Hobbybereich, können zu Multiplikatoren bei der Aufklärungsklärungsarbeit zu Nahrungsergänzungsmitteln werden.