In den Straßen von Mogadischu fordern aufgebrachte Demonstranten, dass die Regierung abgesetzt wird. Gleichzeitig feuert die radikal-islamische Al-Shabaab-Miliz Granaten auf das Parlamentsgebäude. Mehr als 20 Menschen werden getötet.
Alltag in der somalischen Hauptstadt. Hier sind Anschläge, Bombenangriffe und Straßenkämpfe so häufig, dass der Rest der Welt nur noch bei besonders hohen Opferzahlen hinguckt. Somalia ist ein Land im Zerfall, ein Land des Terrors. Islamisten haben die Macht übernommen. Die schwache Übergangsregierung unter Präsident Sheikh Sharif Ahmed wird zwar international unterstützt, hat aber so gut wie jeden Einfluss verloren, sagt der somalische Journalist Shidane Dabaan:
"Die Regierung kontrolliert nur noch etwas fünf Kilometer im ganzen Land – eine Straße, die vom Präsidentenpalast bis zum Flughafen führt."
Ein Großteil der Minister befindet sich gar nicht mehr in Mogadischu. Sie suchen Sicherheit im benachbarten Kenia. Eine Regierung auf der Flucht.
Deutschland setzt trotzdem auf Sheikh Sharif Ahmed und sein Kabinett, um Somalia zu befrieden. Die Hoffnung: Wenn die Übergangsregierung ausreichend gestützt wird, kann sie die Islamisten vertreiben.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte vor zwei Wochen beim Besuch eines Gipfeltreffens in Uganda, dass Deutschland seinen Beitrag zur Stabilisierung des Kriegslandes leisten will. Das sei nicht nur für Somalia, die Region und den afrikanischen Kontinent wichtig, sondern das liege im Interesse der gesamten Welt:
"We as Germans, we will support this mission for stabilisation, because it is not only in the interest of the country of Somalia, not only in the interest of the region, not only in the interest of Uganda and the whole African continent, it is in the interest of the world to stabilize the situation.”"
Versprechungen, die voraussetzen, dass sich die zuständigen Stellen in Deutschland eingehend mit der Situation in Somalia beschäftigen. Dass sie abwägen, wo und wie geholfen werden soll. Doch das scheinen die Verantwortlichen in mindestens einem Fall versäumt zu haben.
Anfang des Jahres wurden etwa 900 Somalier in Äthiopien ausgebildet. Sie sollten zu Polizisten der Übergangsregierung werden. Die Bundesregierung unterstützte das Projekt mit einer Million Dollar. Ende Mai war das Training abgeschlossen – aber bei der somalischen Polizei sind die Kräfte bisher nicht aufgetaucht.
Das Auswärtige Amt sagt, die Truppe befinde sich in der Region Gedo - irgendwo im Niemandsland zwischen Äthiopien und Somalia. Doch Experten von Organisationen befürchten, dass die Polizisten längst abgetaucht sind. Schon häufig haben sich gut ausgebildete Kräfte von der anderen Seite anheuern lassen, wenn sie dort besser bezahlt wurden. Mit deutschem Geld angelernte Polizisten würden dann für islamische Milizen kämpfen.
Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker spricht von einem Gau für die Situation in Somalia:
""Es ist nicht das erste Mal, dass ausgebildete Polizisten, ausgebildete Militärs für die Übergangsregierung sozusagen verschütt gegangen sind. Das war eine Befürchtung, die wir schon lange hegten und auch immer wieder ausgedrückt haben gegenüber der Bundesregierung."
Das Außenministerium schlug diese Bedenken offenbar in den Wind.
Mindestens genauso unüberlegt erscheint es, äthiopische Kräfte mit der Ausbildung zu betrauen. Der Nachbarstaat ist am Konflikt in Somalia keinesfalls unbeteiligt. Mehrfach führten die beiden Länder Krieg gegeneinander. Viele Somalier sehen Äthiopien als den Erzfeind an. Ulrich Delius sagt, dass es Äthiopien vor allem um seine Machtstellung in Ostafrika geht – die verteidigt das Land mit allen Mitteln.
"Nun sprechen wir mal Klartext. Die Vereinten Nationen werfen Äthiopien Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Somalia vor. Also man könnte es jetzt überspitzt sagen, Deutschland bedient sich sozusagen des ehemaligen Kriegsverbrechers, um Polizisten für Somalia auszubilden. Das ist natürlich aus der Perspektive eines Menschenrechtlers mehr als problematisch."
Noch andere Punkte sind bei dem Polizeitraining ungeklärt. Die Vereinten Nationen, die für solche Ausbildungen einen Lehrplan entwickelt haben, wurden möglicherweise zu spät informiert. Sonst wäre die Koordination des Projektes wohl professioneller gelaufen.
Ob all diese Fehler aus Naivität oder Ignoranz begangen wurden – das ist eine Frage, die sich das Auswärtige Amt wohl noch häufiger gefallen lassen muss. Die Mitarbeiter scheinen immerhin inzwischen aufgewacht zu sein. Mit Hilfe der Botschaft in Äthiopien fahndeten sie nach den ausgebildeten Polizisten und kontaktierten das Entwicklungshilfeprogramm der Vereinten Nationen, um die Bezahlung der Kräfte sicherzustellen – wenn sie denn tatsächlich noch ausfindig gemacht werden.
Ulrich Delius wünscht sich, dass der Vorfall wenigstens ein Gutes hat: Er könnte Denkprozesse bei der Bundesregierung und auch anderen Nationen in Gang bringen.
"Es fehlt einfach an politischen Ansätzen, es fehlt am Aufbau des Landes, an der Armutsbekämpfung. Nur so wird man langfristig dieses Land stabilisieren können. Mit mehr Waffen, mit mehr Soldaten – die können letztlich keinen Frieden schaffen. Das haben sie 30 Jahre lang versucht und 30 Jahre lang sind sie damit eben in Somalia gescheitert."
Fraglich ist auch, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, die Übergangsregierung in Somalia zu unterstützen. Den Rückhalt eines Großteils der Bevölkerung hat sie jedenfalls nicht. Nur mit Hilfe von ein paar Tausend Soldaten der Afrikanischen Union hält sie sich irgendwie an der Macht. Jeden Tag werden Menschen getötet, und die Zahl der Flüchtlinge ist inzwischen auf mehr als zwei Millionen gestiegen. Sie leben auf engstem Raum in Lagern, beispielsweise in Kenia.
Auch der Journalist Shidane Dabaan brachte sich hier in Sicherheit.
"Wir können nicht zurück. Solange die internationale Gemeinschaft kein anderes Konzept für Somalia findet, ist die Situation hoffnungslos."
Alltag in der somalischen Hauptstadt. Hier sind Anschläge, Bombenangriffe und Straßenkämpfe so häufig, dass der Rest der Welt nur noch bei besonders hohen Opferzahlen hinguckt. Somalia ist ein Land im Zerfall, ein Land des Terrors. Islamisten haben die Macht übernommen. Die schwache Übergangsregierung unter Präsident Sheikh Sharif Ahmed wird zwar international unterstützt, hat aber so gut wie jeden Einfluss verloren, sagt der somalische Journalist Shidane Dabaan:
"Die Regierung kontrolliert nur noch etwas fünf Kilometer im ganzen Land – eine Straße, die vom Präsidentenpalast bis zum Flughafen führt."
Ein Großteil der Minister befindet sich gar nicht mehr in Mogadischu. Sie suchen Sicherheit im benachbarten Kenia. Eine Regierung auf der Flucht.
Deutschland setzt trotzdem auf Sheikh Sharif Ahmed und sein Kabinett, um Somalia zu befrieden. Die Hoffnung: Wenn die Übergangsregierung ausreichend gestützt wird, kann sie die Islamisten vertreiben.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte vor zwei Wochen beim Besuch eines Gipfeltreffens in Uganda, dass Deutschland seinen Beitrag zur Stabilisierung des Kriegslandes leisten will. Das sei nicht nur für Somalia, die Region und den afrikanischen Kontinent wichtig, sondern das liege im Interesse der gesamten Welt:
"We as Germans, we will support this mission for stabilisation, because it is not only in the interest of the country of Somalia, not only in the interest of the region, not only in the interest of Uganda and the whole African continent, it is in the interest of the world to stabilize the situation.”"
Versprechungen, die voraussetzen, dass sich die zuständigen Stellen in Deutschland eingehend mit der Situation in Somalia beschäftigen. Dass sie abwägen, wo und wie geholfen werden soll. Doch das scheinen die Verantwortlichen in mindestens einem Fall versäumt zu haben.
Anfang des Jahres wurden etwa 900 Somalier in Äthiopien ausgebildet. Sie sollten zu Polizisten der Übergangsregierung werden. Die Bundesregierung unterstützte das Projekt mit einer Million Dollar. Ende Mai war das Training abgeschlossen – aber bei der somalischen Polizei sind die Kräfte bisher nicht aufgetaucht.
Das Auswärtige Amt sagt, die Truppe befinde sich in der Region Gedo - irgendwo im Niemandsland zwischen Äthiopien und Somalia. Doch Experten von Organisationen befürchten, dass die Polizisten längst abgetaucht sind. Schon häufig haben sich gut ausgebildete Kräfte von der anderen Seite anheuern lassen, wenn sie dort besser bezahlt wurden. Mit deutschem Geld angelernte Polizisten würden dann für islamische Milizen kämpfen.
Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker spricht von einem Gau für die Situation in Somalia:
""Es ist nicht das erste Mal, dass ausgebildete Polizisten, ausgebildete Militärs für die Übergangsregierung sozusagen verschütt gegangen sind. Das war eine Befürchtung, die wir schon lange hegten und auch immer wieder ausgedrückt haben gegenüber der Bundesregierung."
Das Außenministerium schlug diese Bedenken offenbar in den Wind.
Mindestens genauso unüberlegt erscheint es, äthiopische Kräfte mit der Ausbildung zu betrauen. Der Nachbarstaat ist am Konflikt in Somalia keinesfalls unbeteiligt. Mehrfach führten die beiden Länder Krieg gegeneinander. Viele Somalier sehen Äthiopien als den Erzfeind an. Ulrich Delius sagt, dass es Äthiopien vor allem um seine Machtstellung in Ostafrika geht – die verteidigt das Land mit allen Mitteln.
"Nun sprechen wir mal Klartext. Die Vereinten Nationen werfen Äthiopien Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Somalia vor. Also man könnte es jetzt überspitzt sagen, Deutschland bedient sich sozusagen des ehemaligen Kriegsverbrechers, um Polizisten für Somalia auszubilden. Das ist natürlich aus der Perspektive eines Menschenrechtlers mehr als problematisch."
Noch andere Punkte sind bei dem Polizeitraining ungeklärt. Die Vereinten Nationen, die für solche Ausbildungen einen Lehrplan entwickelt haben, wurden möglicherweise zu spät informiert. Sonst wäre die Koordination des Projektes wohl professioneller gelaufen.
Ob all diese Fehler aus Naivität oder Ignoranz begangen wurden – das ist eine Frage, die sich das Auswärtige Amt wohl noch häufiger gefallen lassen muss. Die Mitarbeiter scheinen immerhin inzwischen aufgewacht zu sein. Mit Hilfe der Botschaft in Äthiopien fahndeten sie nach den ausgebildeten Polizisten und kontaktierten das Entwicklungshilfeprogramm der Vereinten Nationen, um die Bezahlung der Kräfte sicherzustellen – wenn sie denn tatsächlich noch ausfindig gemacht werden.
Ulrich Delius wünscht sich, dass der Vorfall wenigstens ein Gutes hat: Er könnte Denkprozesse bei der Bundesregierung und auch anderen Nationen in Gang bringen.
"Es fehlt einfach an politischen Ansätzen, es fehlt am Aufbau des Landes, an der Armutsbekämpfung. Nur so wird man langfristig dieses Land stabilisieren können. Mit mehr Waffen, mit mehr Soldaten – die können letztlich keinen Frieden schaffen. Das haben sie 30 Jahre lang versucht und 30 Jahre lang sind sie damit eben in Somalia gescheitert."
Fraglich ist auch, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, die Übergangsregierung in Somalia zu unterstützen. Den Rückhalt eines Großteils der Bevölkerung hat sie jedenfalls nicht. Nur mit Hilfe von ein paar Tausend Soldaten der Afrikanischen Union hält sie sich irgendwie an der Macht. Jeden Tag werden Menschen getötet, und die Zahl der Flüchtlinge ist inzwischen auf mehr als zwei Millionen gestiegen. Sie leben auf engstem Raum in Lagern, beispielsweise in Kenia.
Auch der Journalist Shidane Dabaan brachte sich hier in Sicherheit.
"Wir können nicht zurück. Solange die internationale Gemeinschaft kein anderes Konzept für Somalia findet, ist die Situation hoffnungslos."