Leipzig, Elisabeth Krankenhaus, Geburtstation. Madeleine Gebhardt und ihr Mann sind seit einem Tag Eltern einer kleinen Tochter. Über eine Sache haben sich die beiden besonders ausgiebig Gedanken gemacht: Wie soll das Kind heißen?
"Unsere Tochter heißt Freda Linn Gebhardt. Freda, so ähnlich wie Frida, ganz bewusst mit e und der zweite Name Linn, L-i-n-n. Und die urtypisch altdeutschen Namen werden gerade auch sehr oft verwendet in Deutschland. Wir wollten dann nicht noch eine Johanna, von daher wollten wir etwas was ein bisschen seltener ist, da gefallen uns die nordischen Namen sehr sehr gut."
Altdeutsche Namen sind im Kommen
Dass Altdeutsche Namen wieder stark im Kommen sind, kann Gabriele Rodriguez bestätigen. Seit 20 Jahren erforscht sie am Namenkundlichen Zentrum der Universität Leipzig die Existenz und Bedeutung von Namen. Täglich rufen bei ihr Eltern an, die wissen wollen, ob der Name, den sie ihrem Kind geben wollen, auch wirklich zulässig ist. Auch viele Anfragen zu englische oder afro-amerikanische Namen trudeln bei ihr ein. Denn Eltern wollen heute - so wie auch die Gebhardts - ihrem Kind einen Namen geben, mit dem es sich von der Masse abhebt, sagt Gabriele Rodriguez.
"Das ist der Trend zur Individualisierung. Man bekommt nicht mehr so viele Kinder wie vor 100 Jahren. Das heißt, sie sind einmalig und sollen auch einen anderen Namen bekommen. Heute gibt viel mehr Möglichkeiten einen ausländischen Namen zu finden. Hinzu kommt, dass jedes vierte Kind, das in Deutschland geboren wird, Migrationshintergrund hat."
Trend zur Individualisierung
Damit ein Standesamt einen Namen akzeptiert, klopft ihn Rodriguez auf drei Kriterien ab: Vornamencharakter und Geschlecht des Kindes müssen eindeutig erkennbar sein und das Kindswohl darf durch den Namen nicht gefährdet werden. Insgesamt wächst der Vornamenschatz in Deutschland. Die Menschen werden kreativer, aber nicht alle Namen sind zulässig, sagt Gabriele Rodriguez.
"Wir haben für ein Gericht ein Gutachten zum Namen Borussia, das nun nicht Borussia heißen darf. Wir haben auch solche Namen abgelehnt wie Crazy horse, Superman, Whisky, Rumpelstilzchen, Joghurt, Kirsche. Das waren alles Anfragen, die wir bekommen haben."
"Rodriguez ...Ja, hier ist die Vornamenberatung. Jascha. Können Sie mir dazu was sagen? Der Name liegt den Standesämtern vor. Der wird hier in Nordrhein-Westfalen nicht anerkannt. In der Regel haben die Standesämter das internationale Handbuch der Vornamen und in dem Buch steht Jascha mit Yasha als männlich und weiblich drin."
Namensberatung: 5.000 Anrufe pro Jahr
Ein paar Minuten dauert das Gespräch. Es stellt sich heraus, dass der Name an seiner englischen Schreibweise scheitert, Gabriele Rodriguez rät dem Anrufer zu einem Gutachten. Das kostet 40 Euro, der Name aber wäre dann amtlich. Bis zu 5.000 Anrufe oder Emails erreichen die Sprachwissenschaftlerin und ihre Kollegen pro Jahr. Auch zu Familiennamen, Orts- und Flurnamen wird geforscht. Dann werden Genealogen hinzugezogen, die die Geschichte des Namens zurückverfolgen - ein Angebot, dass schon sehr lange existiert, sagt Rodriguez.
"Die Namenberatung gab es schon zu DDR-Zeiten, seit den 60er Jahren. Man hat festgestellt, dass der Bedarf für die Namenberatung doch da ist und 1994 wurde die Namenberatung wieder eingeführt. Es hat sich da auch einiges geändert, wir haben angefangen mit Karteikarten und einigen Büchern und mittlerweile haben wir eine digitale Datenbank mit über 500.000 Einträgen."
Geschichte und Entstehung der Namen
Neben der Beratung, bildet die Universität Leipzig Studierende im Fach Onomastik aus, am deutschlandweit einzigen Lehrstuhl für Namenkunde. Das Wahlmodul in der Sprachwissenschaft ist sehr beliebt, hier steht die Geschichte und Entstehung der Namen im Vordergrund, sagt Rodriguez.
"Da wird die Entwicklung von Personennamen betrachtet, Personennamensystem. Dann erfährt man etwas über die Geschichte der Familiennamen. Wieso kam es dazu, dass sich ab dem 12. Jahrhundert Familiennamen herausgebildet haben?"
Das Namenkundliche Zentrum finanziert sich über die Einnahmen aus den Gutachten - die Erforschung eines Familiennamen kostet deshalb bis zu 200 Euro. Zum 20. Geburtstag aber gibt es 20 Prozent Rabatt - vielleicht ein Anreiz sich auf die Spur des eigenen Namens zu begeben.