Die Online-Datenbank, die die polnische Behörde des Nationalen Gedenkens (IPN) nun zugänglich gemacht hat, enthält Namen, Fotos und etwa 350 Gerichtsurteile gegen SS-Funktionäre des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz. Nach Angaben des Forschungsinstituts ist es das bisher umfangreichste Register seiner Art. Es soll Schritt für Schritt erweitert werden mit Namenlisten aus anderen Konzentrationslagern in Polen.
Unter den aufgelisteten KZ-Wachleuten - bei fast allen handelt es sich um Deutsche - sind laut der Forschungsstelle auch einige Ukrainer, Litauer und Letten, aber keine Polen. Allein im deutschen KZ Auschwitz-Birkenau bei Krakau hatten die Nationalsozialisten rund eine Million Juden ermordet, auch mehr als 100.000 nicht-jüdische Lagerhäftlinge wurden dort getötet. "Wir zeigen die Besatzung und zeigen, wer die SS-Männer waren", sagte der IPN-Chef Jaroslaw Szarek.
"Instrument zum Kampf gegen die Lüge"
Ein Beispiel ist Albin Heinrich Ackermann, geboren am 08.04.1901 in Mühlhausen. Ein Foto zeigt den Mann mit den leicht abstehenden Ohren, der im Leben vor seiner Tätigkeit in Auschwitz Kellner war. Der Datenbank zufolge wurde Ackermann im Juni 1944 Mitglied der Bewaffneten Verbände der SS. Verurteilt wurde er im April 1948 vom Bezirksgericht Wadowice, zusammen mit elf anderen Angeklagten. Das Originaldokument kann als Scan heruntergeladen werden.
Die Veröffentlichung der 9.686 Namen sei "der Beginn eines umfassenden Projekts", sagte IPN-Chef Szarek weiter. Die bisherigen Daten gehen zum großen Teil auf den Historiker Aleksander Lasik zurück, der 1982 mit der Forschung daran begonnen hatte. Nun ist die Datenbank öffentlich zugänglich - in fünf Sprachen, für Szarek ein "Instrument zum Kampf gegen die Lüge". Die polnische Regierung hatte immer wieder protestiert, wenn in Medien oder Äußerungen von Politikern die Rede von "polnischen Konzentrationslagern" war.
Die Webseite mit der Datenbank trägt daher auch den Titel "truthaboutcamps.eu" (Wahrheit über Konzentrationslager). Wer sie aufruft, stößt zunächst auf eine große Karte, die das Großdeutsche Reich mit seinen Konzentrations- und Vernichtungslagern zwischen 1941 und 1944 im Größenverhältnis zur heutigen Bundesrepublik zeigt.
"Der Deutsche Besatzer gründete sie"
In der Rubrik "Mission der Website" erläutert die Behörde des Nationalen Gedenkens den Hintergrund ihrer Arbeit:
"Die Tatsache, dass der historisch falsche und für die Polen beleidigende Begriff "polnische Todes- oder Vernichtungslager" immer wieder in verschiedenen Vorträgen und Publikationen verwendet wird, kann nicht gleichgültig für das Institut des Nationalen Gedenkens sein, dessen Aufgabe es ist, die Kenntnisse über die jüngste polnische Geschichte zu verbreiten."
Schließlich wird klargestellt:
"Im von den nationalsozialistischen Deutschen besetzten Polen gab es nicht oder konnte es nicht "polnische Vernichtungslager, Todeslager und Konzentrationslager" geben. Der deutsche Besatzer gründete sie, um seine kriminelle Politik der Vernichtung oder Versklavung von Menschen verschiedener Nationalitäten zu verwirklichen - Juden, Polen und andere ethnische oder religiöse Gruppen."
Daraus zieht die Forschungsbehörde den Schluss:
"Wenn in den Weltmedien ungerechte Bezeichnungen auftauchen, die den besetzten Nationen die Gründung dieser Lager zuschreiben, weisen wir darauf hin, dass die alleinige und volle Verantwortung für die Schaffung der Todesfabriken der deutsche Nationalsozialismus trägt."
Deutsche Zentralstelle: Namen "weitgehend bekannt"
Die Veröffentlichung der Namensliste geht einher mit den Bemühungen der nationalkonservativen Regierung, Polens Ruf besser zu schützen. Dazu will sie historisch falsche Behauptungen wie die vom "polnischen Konzentrationslager" sogar mit bis zu drei Jahren Haft bestrafen. Das Parlament arbeitet an einem entsprechenden Gesetzesentwurf.
Die Zentrale Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg erklärte, die nun veröffentlichten Namen seien "weitgehend bekannt". Dennoch werde die Behörde "noch einmal Kontakt zu unserem polnischen Kollegen aufnehmen", sagte deren stellvertretender Leiter Thomas Will der Nachrichtenagentur AFP. Ziel sei zu klären, ob in die nun freigeschaltete Datenbank eventuell noch einmal neues Material eingeflossen sei. Er gehe aber nicht davon aus.
(tj/tzi)