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Namensänderung des Front National
"Die Optik ändert sich, der Inhalt aber nicht"

Die gesamte Strategie von Parteichefin Marine Le Pen basiere auf einer Entdämonisierung - auch mit der anvisierten Namensänderung wolle sie die Partei als normal verkaufen, sagte Claire Demesmay im Dlf. Dabei ändere sich allerdings nur die Verpackung, so die Politologin.

Claire Demesmay im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker |
    Das Bild zeigt Steve Bannon und die Front-National-Vorsitzende Marine Le Pen auf dem Parteitag in Lille.
    Ex-Trump-Berater Steve Bannon auf dem Parteitag in Lille: "Das ist gegen die Strategie der Entdämonisierung", sagt Demesmay - "denn Bannon sagt, er habe kein Problem, als Rassist gesehen zu werden" (picture-alliance / dpa / MAXPPP / Philippe Pauchet)
    Ann-Kathrin Büüsker: Rechtsextrem, rechtspopulistisch, einfach nur rechts - der französische Front National, der hat schon viele Etiketten abbekommen. Das erstere, das Adjektiv rechtsextrem, das würde Parteichefin Marine Le Pen aber eigentlich gerne los werden, und unter diesem Vorzeichen stand zumindest der Parteitag am Wochenende. Und dann war da doch ein ultrarechter Ehrengast, der für Furore gesorgt hat: Steve Bannon, ehemaliger Berater von Trump, der am liebsten eine ultrarechte europäische Bewegung gründen würde.
    Über den politischen Einfluss der Rechten in Frankreich und die Vorbildfunktion für Europa möchte ich jetzt mit Claire Demesmay sprechen. Sie ist Programmleiterin für Frankreich und die deutsch-französischen Beziehungen in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Guten Morgen!
    Claire Demesmay: Guten Morgen!
    "Glaube nicht, dass die Partei sich wirklich ändert"
    Büüsker: Sehen wir da in Frankreich jetzt einen neuen Front National, oder ist eigentlich alles wie immer?
    Demesmay: Ja, ich glaube nicht, dass der Front National sich wirklich ändert, auch wenn die Parteimitglieder sich für eine Namensänderung entscheiden. Man muss ja sehen, dass Marine Le Pen, dass ihre ganze Strategie auf einer gewissen Entdämonisierung basiert. Das heißt, um weitere Kreise der Wählerschaft zu erreichen, versucht sie seit Jahren, die Partei als "normal" zu verkaufen. Und das macht sie jetzt ganz klar weiter mit der Namensänderung der Partei. Sie sagt, Front National klingt kriegerisch, Rassemblement National soll positiver klingen. Das soll vor allem nach neuer Partei klingen. Und Jean-Marie Le Pen, der Vater, soll sein Amt als Ehrenpräsident verlieren. Es sind Symbole, sie greift damit zwei starke Symbole an. Aber das ist eine Verpackung. Die Optik ändert sich, der Inhalt aber nicht.
    Büüsker: Wie passt das denn dann zusammen, dass sie einerseits an der Optik so sehr arbeitet, aber dann Steve Bannon, ein Ultrarechter, ein gefeierter Gastredner ist?
    Demesmay: Ja, Sie haben recht. Das ist eine andere interessante Frage mit Steve Bannon. Ich glaube, dass Marine Le Pen versucht zu zeigen, dass sie internationale Bündnisse oder Verbündete hat, dass sie Unterstützung aus dem Ausland hat. Das hat sie versucht mit einem Treffen mit Frauke Petry zum Beispiel während des Wahlkampfes. Das hat sie versucht mit Auslandsreisen. Da ist der Gast aus den USA, der für einen Sieg einer solchen Partei steht, also eigentlich für einen Gewinner. Er verkörpert den Sieg, den möglichen Sieg, und das will sie. Sieg der Populisten, das will sie für ihre eigene Partei.
    Aber dabei gibt es auch eine Gefahr, und zwar eine große Gefahr, denn Bannon sagt, er hat kein Problem, als Rassist gesehen zu werden. - Gern! Warum nicht? - Und das ist gegen die Strategie von Marine Le Pen, die versucht, die Partei als nicht rassistisch und als nicht antisemitisch darzustellen. Das ist gegen diese Strategie der Entdämonisierung. Insofern weiß ich nicht, ob das wirklich eine so gute Idee war.
    Rechtsnationale Parteien mit internationalen Bündnissen
    Büüsker: Diese internationalen Bündnisse, das ist etwas, was mich sehr irritiert, weil wir ja eigentlich über Kräfte sprechen, die das Nationale betonen möchten und die sich jetzt dann doch über Grenzen hinweg zusammenschließen wollen. Wie kommt das denn bei den Wählerinnen und Wählern in Frankreich an?
    Demesmay: In Frankreich ist das vielleicht ein besonderer Fall, insofern, als der Präsident für die internationale Politik zuständig ist. Um Präsident zu werden, um Präsidentin zu werden, muss man zeigen, dass man Kontakte auf der internationalen Ebene hat. Aber ansonsten haben Sie vollkommen recht: Das ist widersprüchlich, einerseits zu sagen, ich bin für die Nation, ich bin für die Rückkehr der nationalen Grenzen, ich bin für eine starke nationale Identität, gegen die EU, gegen die europäische Zusammenarbeit, und um das zu erreichen, brauche ich eben diese Zusammenarbeit. Das ist ein Widerspruch, aber das ist auch nicht der einzige Widerspruch von solchen Parteien.
    Le Pens "Image einer Verliererin"
    Büüsker: Schauen wir vielleicht noch mal auf den Versuch von Marine Le Pen, das Gesicht der Partei zu verändern. Ist das auch ein bisschen der Versuch, etwas von diesem Zauber zu gewinnen, den ja Macron mit seiner Bewegung En Marche ausgestrahlt hat, dass sich auch der Front National weniger als Partei inszeniert, sondern mehr als eine Bewegung?
    Demesmay: Ja, das hat damit zu tun. Es wurde auch innerhalb der Partei viel kritisiert, dass die ganze Struktur ziemlich autoritär ist. Es gibt eine Chefin und sie hat das Wort und es gibt wenige Diskussionen innerhalb der Partei, und das versucht sie jetzt zu ändern, indem sie eine Art Parlament der Partei gründen möchte oder gegründet hat während des Parteitages. Es sind 100 Vertreter von der Partei, die dann für diese Debatten innerhalb der Partei zuständig sein werden. Das ist ein Punkt.
    Der andere Punkt ist auch, dass Marine Le Pen jetzt in keiner einfachen Situation ist. Ihre Partei auch nicht. Erstens hat sie jetzt nach der Präsidentschaftswahl das Image einer Verliererin. Auch wenn sie weit gekommen ist, hat sie die Wahl verloren. In so einer Partei kommt das gar nicht gut an. Zweitens sind zwei wichtige Vertreter von sehr unterschiedlichen Flügeln jetzt weg, die Nichte Marion Maréchal-Le Pen. Sie verkörpert den katholisch-konservativen Flügel und sie ist jetzt weg. Und Florian Philippot: Er verkörperte diese soziale, nationale Richtung, eher die Linke in der Partei. Das heißt, die Partei hat jetzt an Breite verloren.
    "Konkurrenz von den Konservativen"
    Büüsker: Und deshalb ist es ein Problem für Marine Le Pen, weil die Breite fehlt?
    Demesmay: Ja, genau! Die Breite fehlt, und dazu kommt noch, dass es jetzt Konkurrenz von den Konservativen gibt. Der neue Parteichef von den Konservativen, von den Républicains, Laurent Wauquiez, hat sich für eine nationale protektionistische Positionierung entschieden. Das ist genau die Position von dem Front National. Deswegen weiß sie ganz genau, sie braucht diesen Zusammenschluss, aber das ist genau die Strategie von Wauquiez von den Républicains, den Zusammenschluss zu suchen.
    Büüsker: Jetzt hat Marine Le Pen ja den neuen Namen für die Partei vorgeschlagen. Aber viele Parteimitglieder wirkten davon eher mäßig überzeugt. Was bedeutet das denn für sie, wenn sie sich damit nicht durchsetzt?
    Demesmay: Das wird natürlich ein Problem, weil nach diesem Verliererinnen-Image wird ihre Autorität noch mal in Frage gestellt, und das wäre für so eine Partei überhaupt nicht gut. Bis jetzt hat sich eine knappe Mehrheit der Parteimitglieder eher interessiert gezeigt oder dafür gezeigt in einem internen Referendum. Jetzt kommt es zu der Entscheidung, zu einer Wahl, und ich gehe davon aus, dass viele einfach aus Respekt vor der Parteichefin sich dafür entscheiden werden. Aber wir werden sehen!
    Großer Einfluss des FN auf nationale Debatten
    Büüsker: Frau Demesmay, zum Ende unseres Gesprächs würde ich gerne noch mal so was wie einen Vergleich zu Deutschland wagen. Wir sehen ja hier in Deutschland mit der AfD eine Partei, die durchaus den Kurs in der Flüchtlingspolitik, was die politische Diskussion angeht, sehr geprägt hat. Willkommenskultur war gestern, der politische Diskurs geht eigentlich fast nur noch über restriktivere Maßnahmen. Inwieweit ist dieses Bestimmen eines Diskurses in Frankreich zu sehen? Welchen Einfluss hat der Front National da auf die Debatten?
    Demesmay: Der Front National hat einen großen Einfluss, und zwar seit Jahren. Der Front National besetzt die Themen Europafeindlichkeit, besetzt die Themen Migration, das große Thema Identität, das im Wahlkampf auch eine Rolle gespielt hat, und das seit den 80er-Jahren. Das heißt, der Front National hat fast keine Abgeordneten im Parlament, in der Assemblée Nationale, aber trotzdem hat er diesen enormen Einfluss auf die Debatte in Frankreich, und das geht viel weiter, als was bis jetzt in Deutschland passiert.
    Büüsker: … sagt Claire Demesmay. Sie ist Programmleiterin für Frankreich und die deutsch-französischen Beziehungen in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen hier im Deutschlandfunk.
    Demesmay: Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.