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Bundesinnenministerin Faeser (SPD)
Aus dem Anschlag von Hanau müssen noch sehr viele Lehren gezogen werden

Zwei Jahre nach dem Anschlag von Hanau sieht Bundesinnenministerin Nancy Faeser weiteren Aufklärungsbedarf. Die SPD-Politikerin kündigte im Interview der Woche auch eine Verschärfung des Waffenrechts an, um den Rechtsterrorismus zu bekämpfen. Auf EU-Ebene sieht sie die Chance für ein gemeinsames Asylrecht.

Nancy Faeser im Gespräch mit Katharina Hamberger |
Bundesinnenministerin Nancy Faeser, SPD, vor einer Treppe
Bundesinnenministerin Nancy Faeser, SPD, will gegen den Rechtsextremismus in Deutschland vorgehen (imago images/photothek)
Der rechtsterroristische Anschlag von Hanau ist am Samstag (19.02.2022) auf den Tag genau zwei Jahre her. Die politische Aufarbeitung ist aber weiterhin im Gange: Im Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags, bei dem es um die Umstände des rassistischen Anschlags und um mögliche Ermittlungsfehler geht. Aber auch in der Bundespolitik: Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat die Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen zu einer ihrer Hauptaufgaben erklärt, wie sie auch im Interview der Woche im Deutschlandfunk betonte.

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Sie habe bis heute sehr persönliche Kontakte mit den Angehörigen der Opfer von Hanau und könne es nachvollziehen, dass diese sich von der Politik nicht ausreichend gehört fühlen, sagte Faeser. "Denn das berechtigte Interesse der Angehörigen ist zum einen ein sehr empathischer Umgang des Staates mit ihnen, aber auch Aufklärung. Wie es sein konnte, dass beispielsweise die Notausgangstür in der Arena Bar geschlossen war, dass damit ein Fluchtweg versperrt war. Und wie es sein konnte, dass der Notruf an dem Abend, in der Nacht so schlecht erreichbar war. Deswegen kann ich schon verstehen, dass sie einfach den Wunsch haben nach Aufklärung, dass man sich um sie kümmert“, sagte die Bundesinnenministerin im Interview der Woche. Sie sei sich sicher, so Faeser, “dass noch sehr viele Lehren daraus gezogen werden müssen“.

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Gesetzespaket über Verschärfung des Waffenrechts

Faeser kündigte zudem an, bis Ostern ein Gesetzespaket zur Bekämpfung von Rechtsextremismus vorzustellen. Darin soll unter anderem geregelt werden, dass Verfassungsfeinde schneller aus dem öffentlichen Dienst entlassen werden können. Geplant ist zudem eine Verschärfung des Waffenrechts, das künftig etwa vorschreiben soll, dass sich Personen, die eine Waffenbesitzkarte erlangen möchten, auch einem psychischen Gesundheitscheck unterziehen müssen. Diese Möglichkeit nicht zu schaffen, wäre nach den Anschlägen von Hanau und Halle fahrlässig, meint Faeser. Auch Regelungen in Bezug auf Schreckschuss- und Signalwaffen wolle sie sich noch einmal ansehen.

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"Historisches Momentum" für ein europäisches Asylrecht

In  Bezug auf ein gemeinsames europäisches Asylrecht spricht die Bundesinnenministerin von einem "historischen Momentum", weil Frankreich es im Rahmen der Ratspräsidentschaft zu seinem Thema gemacht habe. Staatspräsident Emmanuel Macron selber habe das Thema in den Vordergrund gerückt. "Und mein Eindruck ist durchaus, dass auf der europäischen Ebene immer mehr das Bewusstsein steigt, dass wir eine gemeinsame Lösung brauchen", so Faeser.

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Deutschland wolle sich auch an einer sogenannten "Koalition der Willigen" in Bezug auf die Aufnahme von Geflüchteten beteiligen. Allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen, machte Faeser deutlich: "Für uns ist eben entscheidend, dass wir auch erfassen können, wer kommt und wissen, wer die Europäische Union betritt. Und für uns ist wichtig, dass die Screening-Verordnung auch umgesetzt werden kann. Und uns ist wichtig, dass die Sekundär-Migration auch zurückgedrängt werden kann."

Das Interview der Woche im Wortlaut:

Hamberger: Frau Faeser, an diesem Wochenende jährt sich der rechtsterroristische, rassistische Anschlag von Hanau zum zweiten Mal. Sie kommen selbst aus Hessen, waren dort Vorsitzende der SPD-Fraktion. Das heißt, Sie haben sich auch viel damit auseinandergesetzt. Die Opfer-Angehörigen und auch selber Opfer dieses Anschlags fühlen sich noch immer nicht gehört von der Politik. Können Sie das denn nachvollziehen?
Faeser: Ich kann das gut nachvollziehen. Ich habe das als Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag sehr eng begleitet und war auch an dem Tag, nachdem das in der Nacht passiert ist, an den Tatorten. Ich war mit Bundespräsident Steinmeier damals vor Ort und habe auch die Angehörigen kennengelernt. Ich habe sehr persönliche Kontakte bis heute mit den Angehörigen. Und ich kann das insofern nachvollziehen, denn das berechtigte Interesse der Angehörigen ist zum einen ein sehr empathischer Umgang des Staates mit ihnen, aber auch Aufklärung.

Faeser: "Wunsch nach Aufklärung" von Hanau

Wie es sein konnte, dass beispielsweise die Notausgangstür in der Arena Bar geschlossen war, dass damit ein Fluchtweg versperrt war. Und wie es sein konnte, dass der Notruf an dem Abend, in der Nacht so schlecht erreichbar war. Deswegen kann ich schon verstehen, dass sie einfach den Wunsch haben nach Aufklärung, dass man sich um sie kümmert. Und mir persönlich wäre auch noch mal wichtig, an die Ermordeten zu erinnern. Deswegen würde ich gerne ihre Namen auch noch mal nennen. Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov.
Hamberger: Sie sagen, es gibt eben noch so viele Fragen, die offen sind, auch aus Sicht der Angehörigen. Jetzt waren Sie damals nicht in Regierungsverantwortung. Jetzt sind Sie jetzt aber in Regierungsverantwortung. Sind denn die richtigen Lehren aus Hanau gezogen worden bzw. müssen noch weitere Lehren gezogen werden?
Faeser: Ich bin sicher, dass noch sehr viele Lehren daraus gezogen werden müssen. Es gibt jetzt einen Untersuchungsausschuss in Hessen, der die Tatumstände aufklären soll, aber auch vor allen die Frage, wie nach dem Attentat mit den Angehörigen umgegangen wurde. Und eine Erkenntnis, die ich sehr wichtig finde, ist, dass man sehr schnell sich mit den Angehörigen auch an einen Tisch setzen sollte nach so einem furchtbaren rechtsterroristischen Anschlag, zuhört und auch Verständnis dafür entwickelt, dass die Angehörigen berechtigte Interessen haben. Und das ist einfach so. Denn sehr gut wurde mit ihnen nicht umgegangen direkt nach der Tat. Und ich finde, das muss einfach auch aufgeklärt werden.

Was tun gegen rechtsextreme Netzwerke?

Hamberger: Lassen Sie uns mal auf das schauen, was Sie jetzt planen, was Sie machen wollen. Der Täter von Hanau, aber auch der von Halle, das waren Täter, die haben alleine gehandelt. Die haben sich unter anderem im Netz über entsprechende Plattformen radikalisiert, wo sie auch Verbündete hatten für ihre menschenfeindlichen Ideologien, wo sich das auch aufgeschaukelt hat. Sie waren aber nicht Teil eines klassischen Netzwerkes, was ja auch für die Sicherheitsbehörden ein entsprechendes Problem darstellt, mit solchen Tätern überhaupt umzugehen. Sehen Sie jetzt auch in Lehren aus diesen beiden Taten – Halle, Hanau – die Sicherheitsbehörden besser vorbereitet?
Faeser: Ich glaube schon, weil die Sicherheitsbehörden natürlich jetzt auch gesehen haben, dass zwar die Täter allein gehandelt haben, aber sie haben das ja in einem Umfeld getan. Sie haben sich radikalisiert in einem rechtsextremen Netzwerk im Netz. Wurden bestärkt. Sodass ich schon die Hoffnung habe, dass man jetzt auch mehr danach guckt. Und das betrifft ja alle Behörden. Das betrifft die Staatsanwaltschaft. Das betrifft die Polizei, die Gerichte. Einfach auch vielleicht doch noch mal mehr hinzugucken, wenn man solche Hass-Pamphlete bekommt, einfach auch noch mal zu überprüfen: Hat da jemand auch eine Waffenbesitzkarte? In welchem Umfeld bewegt er sich? Ansonsten: Ist der schon mal auffällig geworden? Ich hoffe, dass diese Sensibilität mittlerweile da ist, auch zu erkennen, dass das eine neue Form von Täter ist, der sich nicht klassisch in rechtsextremen Netzwerken wie früher physisch trifft, sondern dass er sich einfach im Netz radikalisiert.

Waffenrecht im Fokus

Hamberger: Sie haben das Thema Rechtsextremismus zu einem Ihrer Hauptthemen gemacht, wollen auch entsprechend ein Gesetzespaket zu Ostern vorstellen. Ein Thema haben Sie schon angesprochen, gerade auch eben, das Thema Waffenrecht. Also, wann kriegt jemand eine Waffenkarte? Unter welchen Voraussetzungen? Und so wollen eben die Verschärfung des Waffenrechts noch mal angehen. In der vergangenen Legislaturperiode hat das Horst Seehofer eigentlich schon auf den Weg gebracht, ist dann gescheitert an seiner eigenen Fraktion, an der Unionsfraktion, die wiederum offenbar stark beeinflusst war von der Schützenlobby. Dieses Gesetz hat damals vorgesehen oder der Gesetzesentwurf, dass man eine stärkere Zusammenarbeit der Waffenbehörden mit der Polizei und dem Zoll macht, dass aber auch die örtlichen Gesundheitsämter miteinbezogen werden, um festzustellen, ob mögliche psychische Erkrankungen vorliegen, wenn jemand eine Waffenbesitzkarte erlangen möchte. Sind das auch die Pläne, die Sie im Kopf haben?
Faeser: Das ist ein Punkt, den ich wieder aufgreifen möchte, weil nicht einzusehen ist, dass nur bis zu 25 Jahre alten Menschen, die eine Waffenbesitzkarte beantragen, eine psychische Überprüfung stattfindet. Das sollte danach auch gelten. Das war Teil dieses Gesetzentwurfes von Horst Seehofer, was ich gerne wiederaufgreifen möchte, weil ich das für sehr, sehr wichtig halte, dass man auch psychisch geeignet ist, und dass man eben verhindert, dass solche Menschen auch an Waffen kommen. Und wo ich mir sicher noch mal die Regelung angucke, ist in Bezug auf Schreckschuss- und Signalwaffen. Einfach zu gucken: Müssen wir da auch nicht drangehen und Regelungen treffen, um zu verhindern, dass jeder das sehr leicht erwerben kann? Denn auch das kann natürlich zu sehr krassen Auseinandersetzungen führen.

Psychische Eignungsprüfung für Waffenbesitzer

Hamberger: Wenn es um diese Frage der psychischen Eignung geht, dann greift man ja auf Gesundheitsdaten zurück. Das sind sensible Daten. Das heißt ja am Ende auch, dass man die ärztliche Schweigepflicht durchbricht. Das ist ja schon ein schwerer Eingriff.
Faeser: Ist es. Aber ich glaube, nach Hanau und Halle wäre es fahrlässig, nicht noch mal darauf zu achten, dass gerade der Täter-Typ, der sich selbst radikalisiert hat in einem entsprechenden Umfeld und Netzwerk, das von einem Teil der Gesellschaft getragen wird, da nicht noch mal Möglichkeiten zu schaffen, zu gucken: Wie kann ich eigentlich überprüfen, ob jemand auch psychisch in der Lage ist, eine Waffe zu führen? Und die einzigen Argumente, die ich dagegen immer höre, sind, das wäre ja nur eine Momentaufnahme. Aber mir wäre schon wichtig, diese Momentaufnahme zumindest zu haben. Und ich glaube einfach, dass man dabei noch potenzielle Täter rausfischen kann, vorher. Klar, kann man sich verändern, dann hilft das auch nichts. Absolute Sicherheit gibt es nie. Aber ich finde, man sollte das als Rechtsstaat tun, was man selber in der Hand hat zu tun, um möglichst auch viele Täterinnen und Täter vorher zu entdecken.
Hamberger: Der Gesetzentwurf, den Ihr Vorgänger vorgelegt hat, der enthielt ja auch so eine Art Nachmeldepflicht, also, dass im Fall der Fälle, wenn sich was ändert oder Behörden bestimmte Hinweise bekommen, dass Sie dann noch mal auf die Waffenbehörden zugehen. Das scheint ja aber auch doch, glaube ich, ein relativ großer bürokratischer Aufwand dann zu sein, das immer im Blick zu haben.
Faeser: Das teile ich, dass das ein tatsächlich bürokratischer Aufwand wäre. Da muss man noch mal gucken, wie man das ausgestaltet. Wir sind ja gerade dabei, das zu prüfen. Es ist auch wichtig, dass wir überhaupt überprüfen, also, dass wir auch die örtlichen Waffenbehörden so in die Lage versetzen - da brauchen wir auch Unterstützung der Länder, dass sie auch kontrollieren können. Das ist ja auch ein ganz wichtiger Part, dass dann auch diejenigen, die Waffenbesitzkarten haben, auch das durchaus überprüft werden kann.

Demokratiefördergesetz für mehr Prävention

Hamberger:  Schauen wir auf ein weiteres Vorhaben von Ihnen. Das Demokratiefördergesetz. Das ist ja ein Projekt, das, ich weiß nicht, wie viele Jahre sozusagen schon in der Pipeline hängt. Da geht es am Ende darum, dass Initiativen, die sich gegen Extremismus einsetzen, sich für Extremismus-Prävention einsetzen, eine dauerhafte Finanzierung haben und denen nicht ständig wieder die Finanzierung entzogen wird bzw. sie sich dann wieder darauf bewerben müssen. Darauf hatte man sich eigentlich schon in der vergangenen Legislaturperiode, auch hier, geeinigt. Am Ende wieder gescheitert an der Union. Sie wollen das jetzt auf den Weg bringen. Federführend ist, wenn ich das richtig weiß, das Familienministerium. Können Sie mal skizzieren, wie das aus Ihrer Sicht aussehen soll?
Faeser:  Also, wichtig ist ja, dass wir die wichtige Arbeit der Zivilgesellschaft, die im Bereich der Vermeidung von Extremismus und Gewalt sehr, sehr gute Arbeit leistet und auch Arbeit leistet hinsichtlich auch Täter rauszubekommen aus Szenen und dort ganz wesentliche Unterstützung leistet. Und deshalb ist es so, dass ich gemeinsam mit meiner Kollegin, der Familienministerin Anne Spiegel, jetzt einen Prozess auflege, sehr zeitnah, dass wir die Zivilgesellschaft auch auf dem Weg einer Gesetzgebung mitnehmen und noch mal schauen: Was sind die dringenden Anforderungen? Wichtig ist ja, dass die planen können, dass sie verstätigt arbeiten können und nicht immer darauf angewiesen sind, nur in dieser Projektarbeit zu verharren. Das ist ja so das Kernstück eines Demokratiefördergesetzes, dass wir einfach die Zivilgesellschaft verstetigt finanziert bekommen und sie dauerhaft ihre Arbeit auch leisten können. Und darum wird es jetzt gehen. Wir werden in diesen Beteiligungsprozess jetzt zeitnah einsteigen. Und dann hoffe ich, dass wir dann Anfang nächsten Jahres auch das Gesetz verabschieden können.

Braucht es eine neue Extremismusklausel?

Hamberger: Und der Gesetzesentwurf in der letzten Legislatur war relativ weitgehend. Und ein Streitpunkt in diesem Gesetz war auch: Inwieweit müssen Initiativen tatsächlich nachweisen, dass sie auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen, dass sie auch diejenigen, die sie fördern, entsprechend überprüfen. Das hätten sie tun müssen, wenn das Gesetz so gekommen wäre. Ist das etwas, wo Sie sagen, das muss auf jeden Fall da auch mit drin sein?
Faeser: Also, wir sollten auf jeden Fall nochmal gucken: Was ist überhaupt nur notwendig für Antragsstellung? Man muss jetzt nicht die klassischen Extremismus-Klauseln, wie sie vorgesehen waren, in aller Härte formulieren. Aber dass man etwas überprüfen kann, das muss natürlich schon auch gegeben sein. Ich möchte keine Initiative unterstützen, die selbst nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Das ist für mich als Ministerin auch sehr klar.
Hamberger: Extremismus-Klausel ist diese Klausel, die es schon einmal gab, dann wieder abgeschafft worden ist, die aber sicher der eine oder andere gerne wieder hätte, wo Initiativen dann auch wirklich das nachweisen müssen, für was sie das Geld verwenden. Das heißt, für Sie würde vielleicht möglicherweise auch nur ein Kreuzchen auf einem Formular reichen.
Faeser: Nein, ich glaube, ein Kreuzchen wird nicht reichen. Aber ich glaube, es gibt immer Wege dazwischen. Zu gucken, dass man nicht einen Generalverdacht ausspricht, aber auch nicht jedem alles gewährleistet, nur, weil man ein Kreuzchen setzt. Ich glaube, dazwischen ist der Weg. Und da sollten wir auch Sorgfalt walten lassen.

Ausweitung des Strafrechts bei Unterstützung terroristischer Vereinigungen

Hamberger: Und wollen Sie sich auf diesen Kern des Gesetzes, also die Finanzierung von Initiativen beschränken oder das auch noch mal in den Blick nehmen, was man in der vergangenen Legislatur im Blick hatte, wo auch zum Beispiel Verschärfungen des Strafgesetzbuches drin waren? Zum Beispiel, dass man den Versuch, eine terroristische Vereinigung zu unterstützen, auch strafbar macht. Solche Dinge waren da ja mit drin.
Faeser: Also, in erster Linie geht es Frau Spiegel und mir jetzt, mit der Zivilgesellschaft das zu erarbeiten. Deswegen möchte ich da auch nichts vorwegnehmen. Ich bin sicher, dass aus der Zivilgesellschaft selbst noch die eine oder andere Anforderung an ein solches Gesetz kommt. Und dann werden wir das in einem ordentlichen Prozess miteinander beraten. Und was ja daneben steht, sind noch sehr konkrete Maßnahmen, die ich in meinem Aktionsplan gegen Rechtsextremismus dann Ostern vorstellen werde. Und das sind dann vor allen Dingen sehr konkrete Maßnahmen, wie man gegen rechtsextremistische Netzwerke vorgehen kann und wie wir als Staat dort handeln.

Verfassungsfeinde im Öffentlichen Dienst

Hamberger: Können Sie uns da schon einen Vorausblick geben?
Faeser: Ja, das eine habe ich angesprochen. Das ist das Waffenrecht. Das wird mit Sicherheit eine Rolle spielen. Das Zweite, was ich schon sagen kann, ist, dass ich möchte, dass wir Möglichkeiten schaffen – da ist wahrscheinlich das Disziplinarrecht anzufassen –, dass eben Verfassungsfeinde nicht im öffentlichen Dienst weiter verbleiben.
Hamberger: Darauf würde ich auch ganz gerne gleich kommen. Das haben Sie schon angekündigt beim Deutschen Beamtenbund, unter anderem auch an anderer Stelle, dass Sie eben stärker gegen Extremisten, Extremistinnen im öffentlichen Dienst vorgehen wollen. Das klingt alles erst mal gut. Aber in der Umsetzung wahrscheinlich auch nicht ganz so einfach. Der eine oder andere dürfte sich direkt an den Radikalenerlass von 1972 erinnert fühlen, der ja sehr weitgehend war und der auch für viele Menschen zum Problem geworden ist. Wo ziehen Sie denn da die Grenze?
Faeser: Ich ziehe eigentlich da die Grenze, wo das Grundgesetz sie und auch zieht, nämlich zu sagen, wenn sich jemand gegen die Verfassung stellt, dann hat er im öffentlichen Dienst nichts zu suchen. So, jetzt müssen wir aber gucken, dass wir verschiedene Phasen im öffentlichen Dienst haben. Wir haben das ganz normale Dienstverhältnis. Wenn jemand dort auch tätig ist, dann haben wir die besondere Situation in Deutschland, dass man dieses Beamtenverhältnis auch ruhen lassen kann. Und wir haben die Pension, die auch immer noch Anforderungen an die Beamtinnen und Beamten stellt. Im Moment ist es so, dass die Anforderungen an Beamtinnen und Beamte in der Pensionszeit höher sind als an die, wo das Beamtenverhältnis ruht. Das finde ich zum Beispiel etwas, was ich jetzt gerne gerade rechtlich prüfe, um zu gucken, ob wir da nicht was verändern können, dass dort die Ansprüche auch hoch bleiben. Denn das erschließt sich mir nicht. Dann kommen eben solche Dinge zustande, wie die Tatsache, dass der Herr Höcke immer noch Lehrer in Hessen ist.

Ein neuer Radikalenerlass?

Hamberger: Es gibt ja bestimmte Grenzen, die man jetzt schon ziehen kann für Beamte, also beispielsweise, wenn jemand wirklich Teil einer verfassungswidrigen Partei ist, also einer Partei, die verboten ist. Wenn aber jemand Teil einer Partei ist, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, dann heißt das noch überhaupt nicht, dass es in irgendeiner Form rechtliche Konsequenzen für diese Person, für diesen Beamten, diese Beamtin hat. Wollen Sie hier auch Stellschrauben nachziehen?
Faeser: Also, ich finde, man muss zumindest sich anschauen, wann diese Personen die Schwelle erreichen, wo sie sich eben gegen den Staat stellen und auch den Staat infrage stellen. Und dann kann man eben den Staat auch nicht mehr repräsentieren. Und diese Dienstpflichten, die eine Beamtin, ein Beamter hat, die gibt es ja bereits. Und da ist ja die Frage: Inwieweit können wir mit Auslegungshilfen, mit einer Veränderung des Disziplinarrechts da rangehen, ohne das Ganze jetzt maßgeblich zu verändern im Hinblick, wie es früher mal gemacht wurde. Das wollen wir natürlich nicht. Wir wollen ja nicht grundsätzlich allen unterstellen, dass sie nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Aber, wenn wir dafür tatsächliche Anhaltspunkte haben, dann muss eben das auch relativ zeitnah durchgesetzt werden können. Darum geht es vor allen Dingen auch, dass es dann nicht Verfahren sind, die mehrere Jahre dauern.
Hamberger: Das eine sind jetzt die Beamten im Dienst, was ja relativ schwer ist eben auch, die dann aus dem Dienst zu entfernen. Das Ganze muss ja dann auch in der Regel mit Gerichten verbunden sein. Das kann ja nicht einfach so passieren. Das andere sind die Einstellungsvoraussetzungen für Beamte. Wollen Sie da auch noch mal nachschärfen?
Faeser: Also, ich finde, man muss sie sich zumindest angucken. Aber eigentlich sind die Einstellungsvoraussetzungen ja schon gegeben. Ich finde, man muss alles angucken, was verhindern kann, dass Extremisten in den öffentlichen Dienst kommen, weil gerade Beamtinnen und Beamte im öffentlichen Dienst haben ja eine besondere Sorgfaltspflicht gegenüber dem Staat und auch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern und sollen ja auch besonders vorbildlich sein. Und deswegen muss man sich sicher alles angucken. Aber ich sehe auch, dass in den letzten Jahren auch bei Einstellungsvoraussetzungen, beispielsweise in der Polizei, ja schon Veränderungen auch stattgefunden haben.
Hamberger: Können Sie das mal skizzieren? Sie sagen jetzt immer, jemand wendet sich gegen die Verfassung, jemand ist extremistisch. Können Sie das mal an einem Fall deklinieren, wo das für Sie beginnt? Also, wo sagen Sie, jemand steht nicht mehr auf den Füßen unserer Verfassung? Jemand verstößt auch gegen die Treuepflicht in seinem Beamtenverhältnis?
Faeser: Also, es gibt ja sehr genaue Regelungen, wann ich gegen die demokratische Grundordnung, wenn ich da verstoße, dann gilt das eben. Das ist ganz klar. Alles, was Verstöße gegen das Grundgesetz betrifft, wo andere Menschen verletzt sind, das ist ja völlig klar geregelt. Und da muss es auch keine neuen Regelungen aus meiner Sicht geben. Ich glaube eher, dass wir Handlungsmaßgaben brauchen, dass wir dann auch schneller in der Lage sind, die loszuwerden. Natürlich ist, jemand, der im öffentlichen Dienst ist und den Staat infrage stellt und sagt, dass er diese Form des Staates nicht in Ordnung findet, hat im öffentlichen Dienst nichts zu suchen. Und jemand der extremistisch ist und sich menschenverachtend äußert, dann steht er eben auch nicht auf dem Boden des Grundgesetzes. Und dann müssen diese Regeln gelten.

Rassismus in der Polizei - Kampf um die Deutungshoheit

Hamberger: Um noch einmal auf Hanau zurückzukommen: Wir haben am Anfang über die Opfer-Angehörigen gesprochen, die auch unter anderem monieren, dass es innerhalb der Sicherheitsbehörden einen Rassismus gäbe, dass sie deshalb auch entsprechend behandelt worden sind in der Aufklärung dieser terroristischen Tat. Das ist etwas, was sehr viel diskutiert worden ist in der Großen Koalition. Jetzt hat Ihr Vorgänger zwar Studien in Auftrag gegeben. Eine davon beschäftigt sich mit dem Alltag der Polizei. Ihre Partei, die SPD, hätte gerne eine Studie gehabt, die sich eben vor allem mit Rassismus in der Polizei und auch mit dem Thema Racial Profiling beschäftigt. Sie haben gesagt, Sie wollen jetzt erst mal die Ergebnisse dieser Studie abwarten. Warum warten Sie ab? Die Ergebnisse kommen ja erst 2024. Wenn die SPD sagt, wir hätten eigentlich gerne einen ganz anderen Ansatz, könnten Sie dann nicht sagen, ich gebe eine andere Studie in Auftrag?
Faeser: Also, ich habe im Moment keinen Zweifel daran, weil ja auch die Einstellung innerhalb der Sicherheitsbehörden dort überprüft werden, dass dieser Aspekt mitbehandelt wird. Das sind anerkannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die diese Studie durchführen. Und deswegen finde ich, dass man ihnen jetzt erst mal die Chance geben muss, das auch zu tun. Und ich glaube schon auch, dass die aktuelle Situation, die Diskussion darum, dass eben im Moment … das ist ja nichts, was ich nach oben hieve, sondern es ist ja eine Tatsache, dass die größte Bedrohung im Moment für die Demokratie von Rechtsextremismus ausgeht, dass das auch hinreichend dort behandelt wird. Und deswegen finde ich es schwierig, wenn ich jetzt singulär da eine andere Studie drüberlegen würde.

Faeser: Schärfere Vorschriften gegen rechte Netzwerke innerhalb der Polizei

Hamberger: Wie wollen Sie denn in der Zwischenzeit mit entsprechenden Entwicklungen umgehen? Es werden ja auch immer wieder rechte Netzwerke in der Polizei, in Sicherheitsbehörden aufgedeckt, auch in der Bundeswehr. Was Sie dann in dem Fall nicht betrifft, aber das haben wir in der Vergangenheit vermehrt erlebt, wahrscheinlich auch durch eine vermehrte Achtsamkeit innerhalb der jeweiligen Behörden. Haben Sie die Befürchtung, dass da noch mehr rauskommt?
Faeser: Also, erst einmal finde ich diese Achtsamkeit gut. Und was ich auch gut finde, das erkenne ich auch in den Gewerkschaften, die unterwegs sind, dass sie selber ein Interesse haben, aus den jeweiligen Behörden heraus, dass man auch da genau hinguckt, und dass man auch alles dafür tut, dass es eben diese rassistischen Tendenzen eben nicht innerhalb der Behörden gibt. Also, das finde ich schon mal was sehr Gutes. Und man muss auch sagen, dass natürlich der überwiegende, ganz groß überwiegende Teil der Polizei auf dem Boden des Grundgesetzes arbeitet und sehr sorgfältig ist und auch sehr vorbildlich. Aber da, wo es Probleme gibt, muss man eben genau hinschauen. Und deswegen mache ich ja die Initiative auch als einen Punkt in meinem Aktionsplan, dass wir durchaus als Staat sagen, wir billigen das in keinster Weise und gehen auch mit aller Härte des Rechtsstaates dann vor und verschärfen auch da die Vorschriften.

Mehr Überwachung - Konfliktthema innerhalb der Koalition

Hamberger: Sie brauchen natürlich auch die Sicherheitsbehörden, wenn es um Bekämpfung von Extremismus geht. Das ist aber auch eine Frage von Instrumenten, die die Behörden zur Verfügung haben. Und das ist natürlich auch immer eine Abwägung von Freiheit und Sicherheit. Was lässt man den Behörden? Sie haben jetzt im Koalitionsvertrag zwei Dinge dazu festgeschrieben. Das eine ist, dass das Bundespolizeigesetz kommen soll ohne Quellen-TKÜ und ohne Onlinedurchsuchung. Das klingt sehr stark nach FDP. Ist da die SPD-Innenministerin zufrieden?
Faeser: Also, ich glaube, dass wichtig ist, dass wir ja insgesamt im Koalitionsvertrag vereinbart haben, die gesamten Instrumente sich anzugucken und zu schauen: Was braucht man? Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass man immer auch das braucht, was notwendig ist. Im Moment sagt mir das BKA, dass sie die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen haben, um auch gegen diese Verfassungsfeinde und gegen Extremisten vorzugehen. Insofern würde ich immer darauf schauen: Was ist für die Sicherheitsbehörden auch erforderlich tatsächlich? Und welche Instrumente sind das dann? Das muss man sich sehr genau angucken, in der Gesamtbetrachtung mit allen Koalitionspartnern. Da werde ich jetzt nicht vorpreschen, sondern das werden wir uns in Ruhe anschauen und dann entscheiden, wie wir das machen. Aber das Bundespolizeigesetz soll sehr schnell kommen. Und ich glaube, es ist auch richtig, dass man der Polizei endlich auch an die modernen Anforderungen angepasstes Gesetz gibt, weil das ja doch schon ein bisschen älter ist.
Hamberger: Aber in diesem Gesetz haben Sie sich tatsächlich diese beiden Instrumente von vornherein rausgenommen. Also, diese Gesamtrechnung, die Sie sagen, ist ja diese Überwachungsgesamtrechnung, die auch das Verfassungsgericht vorgibt, die vor allem für den Verfassungsschutz dann zutreffen wird und man schauen wird: Welche Instrumente bekomme der Verfassungsschutz für das Bundespolizeigesetz? Steht im Koalitionsvertrag: Kommt das definitiv ohne Quellen-TKÜ, ohne Onlinedurchsuchung?
Faeser: Ich finde, man muss sich das dann in der Gesetzgebung anschauen. Was brauchen wir? Wie definiert man die Instrumente, die der Bundespolizei zur Verfügung gestellt werden müssen? Im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung haben wir einige der Instrumente. Und dann muss man abwägen: Was ist sinnvoll? Was ist nicht sinnvoll? Das würde ich aber auf jeden Fall nicht dem Gesetzgebungsvorhaben vorgreifen.

Europäische Migrationspolitik: Unterstützung für Frankreich

Hamberger: Ich würde mit Ihnen zum Schluss gern noch mal sozusagen auf die europäische Ebene gehen und einmal auf das Thema europäische Migrationspolitik noch schauen, weil das auch ein großes ist, das Sie in Ihrer Amtszeit sicher begleiten wird. Sie haben angekündigt, dass Sie, wenn es um Migrationspolitik geht, wenn es auch um die Aufnahme von Geflüchteten geht in der europäischen Union, dass Sie eine Koalition der Willigen wollen, also, eine Koalition von Ländern, die bereit sind, Geflüchtete aufzunehmen. Wie weit sind Sie denn im Moment auf europäischer Ebene mit dieser Koalition?
Faeser: Also, das ist nicht meine Idee. Das wird ja immer geschrieben, das sei meine Idee, mein Vorschlag. Das ist es nicht. Ich bin im Moment dabei, auf europäischer Ebene den Vorschlag von Frankreich zu unterstützen. Frankreich hat einen Vorschlag jetzt unter ihrer Ratspräsidentschaft gemacht im JI-Rat. Das ist der Innenrat. Auf europäischer Ebene treffen sich die Innenminister aus der europäischen Union, zu einem gemeinsamen Asylsystem zu kommen, also ein starkes mit Außengrenzen-Schutz, mit der Registrierung der Menschen, die hierherkommen, aber auch mit einer starken Solidarität unter den Mitgliedsstaaten in der Frage der Aufnahme. Und ich hatte sogar das Vergnügen, Macron selber kennenzulernen, der dieses Vorhaben uns vorgestellt hat uns Innenministern, dass man jetzt in kleinen Schritten sehr gut vorankommen soll, eben bei Eurodac-2, beim Screening, bei der Screening-Verordnung, hin zu einem gemeinsamen Asyl-Paket. Das soll jetzt auch Anfang März schon verhandelt werden. Und die Solidarität untereinander auf diesem Weg zu dieser gemeinsamen Asylgesetzgebung soll eben sein, dass die Staaten, die es können und die aufnahmebereit sind, Flüchtlinge aufnehmen und die, die es noch nicht können oder nicht wollen jetzt in dem Moment, es mit Geldzahlungen eben machen sollen. Und Macron spricht dort immer von zwölf aufnahmebereiten Staaten. Ich weiß nicht, wie er auf die Zahl kommt. Das kann ich ehrlich gesagt nicht persönlich nachvollziehen. Aber klar ist: Wir haben signalisiert, wir wären bei der Solidarität in Europa dabei und aufnahmebereit, wenn Voraussetzungen für uns erfüllt sind. Und das habe ich dort auch sehr klargemacht. Für uns ist eben entscheidend, dass wir auch erfassen können, wer kommt und wissen, wer die Europäische Union betritt. Und für uns ist wichtig, dass die Screening-Verordnung auch umgesetzt werden kann. Und uns ist wichtig, dass die Sekundär-Migration auch zurückgedrängt werden kann.

Faeser: "Historisches Momentum" für ein europäisches Asylrecht

Hamberger: Um das kurz zu erläutern. Die Screening-Verordnung beinhaltet unter anderem eine Identitätsfeststellung, eine medizinische Untersuchung, eine Erfassung biometrischer Daten und eine Sicherheitsabfrage direkt an der Außengrenze. Jetzt klingt das alles ja sehr optimistisch, in Anbetracht dessen, dass über diese Reform des Europäischen Asylrechts schon wirklich seit Jahren verhandelt wird. Und, wenn man auch mal an diese Koalition der Willigen schon im Kleinen denkt, es gab ja immer die Frage: Wer nimmt Geflüchtete auf, die über die Seenotrettung zu uns kommen? Das war ja schon immer etwas, was am Ende nur mit Mühe und Not funktionierte, dass sich Länder gefunden haben, die überhaupt Menschen aufnehmen wollen. Wie soll das jetzt funktionieren, wo es doch Länder gibt, die absolut andere Vorstellungen eines Asylsystems haben?
Faeser: Mein Eindruck ist, dass jetzt ein historisches Momentum ist, weil Frankreich es zu seinem Thema gemacht hat. Es hat mit dem Staatspräsidenten selber das Thema in den Vordergrund gerückt. Und mein Eindruck ist durchaus, dass auf der europäischen Ebene immer mehr das Bewusstsein steigt, dass wir eine gemeinsame Lösung brauchen. Das hat ja jetzt auch die Situation an der Grenze zu Belarus gezeigt. Und das zeigt aber auch das große Interesse, gemeinsam etwas voranzubringen. Wir haben beispielsweise beim letzten JI-Rat schon vereinbart, das war einer der Vorschläge von Frankreich, dass es einen sogenannten Schengen-Rat geben soll. Also, dass man sich innerhalb von Schengen, der Staaten, jetzt alle sechs bis acht Wochen treffen soll und dann auch über Migration redet. Wenn wir uns enger aneinander binden, dann verbindet uns das natürlich auch auf so einem gemeinsamen Weg hin zu einem gemeinsamen Asylsystem. Und mein Eindruck war beim letzten innoffiziellen EU-Rat vorletzte Woche, dass die Staaten auch alle bereit sind, diesen Weg mitzugehen. Jetzt wird es natürlich sehr auf die Formulierung in diesem Asylpaket ankommen. Aber ich habe zumindest die Hoffnung, dass jetzt ein historisches Momentum sein könnte. Und deswegen unterstütze ich Frankreich sehr bei ihren Bemühungen.

Faeser: Illegale Pushbacks werden nicht akzeptiert

Hamberger: Sie haben die polnisch-belarussische Außengrenze genannt, EU-Außengrenze genannt. Da gab es unter anderem illegale Pushbacks, also das Zurückschicken von Menschen, die schon über die Grenze gelangt sind, die eigentlich das Recht hätten, einen Asylantrag auf europäischem Boden zu stellen, die wieder zurückgeschickt worden sind. Das erleben wir auch an der griechischen Grenze wohl. Mein Gefühl ist, man akzeptiert das in der Europäischen Union in Teilen stillschweigend, weil man davon auch zynischerweise profitiert, dass diese Länder so rigoros an der Außengrenze vorgehen.
Faeser: Nein, das tun wir nicht. Und ich habe immer gesagt, dass rechtsstaatliche Standards an den Außengrenzen eingehalten werden müssen. Das habe ich in Bezug auf Polen gemacht, auch sehr früh, als ich mein Amt übernommen habe. Und das würde ich auch für alle anderen Staaten erklären.