Warum tritt Faeser bei der Landtagswahl in Hessen an?
Die hessische Landespolitik ist für SPD-Politikerin Nancy Faeser bekanntes Terrain. Im seit 1999 CDU-geführten Bundesland war sie vor ihrer Berufung zur Bundesinnenministerin bereits Oppositionsführerin. Eine Rolle, die sie, wie sie im Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ betonte, nicht mehr anstrebe. Sie wolle die Wahl am am 8. Oktober gewinnen und als erste Frau an die Spitze der Landesregierung in Wiesbaden: „In Hessen anzutreten ist für mich eine große Herzenssache“, sagte Faeser bei der Bekanntgabe ihrer Kandidatur am 2. Februar in Berlin. Nach 25 Jahren CDU-Regierung brauche Hessen frischen Wind. Am 3. Februar wurde Faeser offiziell vom hessischen SPD-Landesvorstand als Spitzenkandidatin nominiert. Die Entscheidung fiel einstimmig aus.
Inhaltlich machte Faeser „gute Arbeitsbedingungen und gerechte Löhne“ zu ihren Wahlkampfthemen. Daneben gehe es ihr um Startchancen für Kinder, bezahlbaren Wohnraum und den öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV), Klimaschutz, Respekt und Sicherheit.
Hauptkonkurrent Faesers wird der Spitzenkandidat der regierenden CDU sein, Ministerpräsident Boris Rhein, der seit Volker Bouffiers Rücktritt 2022 im Amt ist. Für die Grünen, die seit 2014 in Hessen mitregieren, kandidiert Landeswirtschaftsminister Tarek Al-Wazir.
Nach Einschätzung des Politologen
Gero Neugebauer
ist Faesers Kandidatur in Hessen eine „logische Entscheidung“. Der SPD-Landesverband habe bei der vergangenen Landtagswahl 2018 eine krachende Niederlage erlitten und keine andere Person gefunden, die gewillt oder in der Lage gewesen wäre, diesmal anzutreten. Faesers gehe mit einem „Anspruch auf Sieg“ in den Wahlkampf.
Was sagt Faeser zu ihrer Doppelrolle?
Faeser will trotz ihrer Doppelrolle als Wahlkämpferin Bundesinnenministerin bleiben. Sie tue das aus Verantwortung für Deutschland, erklärte die 52-Jährige bei der Bekanntgabe ihrer Entscheidung, die SPD-Spitzenkandidatur in Hessen zu übernehmen. Sie beteuerte, die im Koalitionsvertrag vereinbarten innenpolitische Reformen wie gehabt weiter umsetzen zu wollen.
Kritikern ihrer Doppelrolle entgegnete Faeser: Es sei eine demokratische Selbstverständlichkeit, dass Amtsinhaber bei Wahlen antreten würden. „Ich handhabe das genauso wie Olaf Scholz und Armin Laschet im Bundestagswahlkampf, wie Angela Merkel in vielen Wahlkämpfen zuvor und wie alle Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, die in diesem Jahr für Wahlen kandidieren“, so die SPD-Politikerin.
Werde sie, wie von ihr angestrebt, die Wahl in Hessen gewinnen, werde sie ihr Amt als Bundesministerin aufgeben. Offen ist noch, wer Faeser dann im Amt nachfolgen würde. Sollte sie die Wahl verlieren, will die 52-Jährige in Berlin bleiben und dem Bundeskabinett weiter als Innenministerin zur Verfügung stehen - sollte der Bundeskanzler sie dann noch als solche halten wollen.
Wie wird Faesers Doppelrolle debattiert?
Positive Wortmeldungen zu Faesers Kandidatur kommen aus dem Kanzleramt, der SPD, dem FDP-geführten Justizministerium und vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellte sich nach der Ankündigung Faesers hinter seine Innenministerin. Er kenne sie als „pflichtbewusste“ und „hochprofessionelle“ Frau und sei sicher, dass ihre Arbeit in der Regierung nicht beeinträchtigt werde, sagte er bei einem Besuch in der hessischen Universitätsstadt Marburg.
Rückendeckung aus der SPD kommt auch von Generalsekretär Kevin Kühnert, der Faeser bei RTL/ntv gute Chancen in Hessen ausrechnete, sowie von der parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, die im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa für „etwas mehr Gelassenheit“ plädierte: Es sei normal als amtierende Person für ein anderes Amt zu kandidieren.
Unterstützung für die Kandidatur Faesers signalisierten auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). „Ich halte Frau Faeser für eine sehr fähige Innenministerin", sagte der BDK-Vorsitzende Dirk Peglow dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Buschmann betonte bei Twitter, ohne Menschen, die bei Wahlen anträten, gäbe es keine Demokratie.
Kritik an Faesers Kandidatur und künftiger Doppelrolle kommt überwiegend aus Reihen der Opposition, aber auch vom Grünen-Ampelkoalitionspartner und der Polizeigewerkschaft.
Mehrere Kritiker argumentierten, das Amt der Bundesinnenministerin erfordere die volle Konzentration auf den Job. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag etwa, Alexander Throm (CDU), warf Faeser sogar vor, ihren Amtseid zu brechen. Das Bundesinnenministerium dürfe nicht zur Wahlkampfzentrale für die SPD in Hessen werden, sagte er im Dlf.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) und die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Andrea Lindholz (CSU) äußerten sich in verschiedenen Medien ebenfalls skeptisch, ob Faeser ihrem Amt als Bundesinnenministerin während des Wahlkampfs in Hessen noch gerecht werden könnte. Hessens CDU-Generalsekretär Manfred Pentz kündigte indes an, sehr genau darauf zu achten, dass Faesers Ministeramt "nicht für Wahlkampfzwecke missbraucht" werde.
Noch weiter gingen die Partei- und Fraktionschefin der Bundes-AfD, Alice Weidel, und der hessische Linken-Landeschef Jakob Migenda. Beide forderten von Faeser ein klare Entscheidung: entweder das Ministeramt in Berlin aufgegeben, oder auf eine Kandidatur in Hessen verzichten.
Kritische Stimmen kommen auch vom SPD-Koalitionspartner in der Bundesregierung, den Grünen. „In solchen Zeiten darf man politisch nicht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen", sagte der Grünen-Fraktionsvize im Bundestag, Konstantin von Notz, dem Nachrichtenportal „t-online“. Es gebe zahlreiche drängende innenpolitische Gesetzesvorhaben. Das Bundesinnenministerium brauche „die volle Aufmerksamkeit“, betonte auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen- Bundestagsfraktion, Irene Mihalic beim Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Dort äußerte sich auch Andreas Roßkopf von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) skeptisch: Die Bundesinnenministerin sei mit ihren Aufgaben „eigentlich voll ausgelastet“, gab er zu bedenken.
Quellen: dpa, afp, ikl