Archiv


Nano-Drahtgeflecht aus DNA

Nanotechnologie. – Der Nanotechnologie gehört die Zukunft, doch noch ist die Welt der Millionstel Millimeter schwer zu beherrschen. US-Forscher haben jetzt das Erbmolekül DNA zum Aufbau eines Nanogebildes benutzt. In der aktuellen Ausgabe von "Nature" berichten sie darüber.

Von Frank Grotelüschen | 13.02.2004
    Es erinnert an ein Oktaeder, das aus Draht gebogen ist: zwölf Kanten, sechs Ecken, acht Seitenflächen. Es sieht aus wie zwei ägyptische Pyramiden, die man an ihren Grundflächen zusammengeklebt hat.

    Nun gut, könnte man denken, eigentlich nichts Besonderes, was William Shih vom Scripps Research Institute im kalifornischen La Jolla zusammengebaut hat. Verblüffend aber sind die Ausmaße des Oktaeders: Es misst gerade mal 22 Nanometer, ist damit kleiner als die meisten Viren und 2000 Mal feiner als ein Menschenhaar. Das Nanogebilde besteht aus einem vertrauten Molekül - aus DNA, dem Stoff, aus dem die Gene sind. Für William Shih und seine Kollegen ist die DNA aber nicht als Erbsubstanz interessant, sondern als molekularer Baustein. Sie lässt sich nach Herzenslust vervielfältigen, in kleine Stücke schneiden, zu größeren Strängen verkleben und an andere Molekülsorten andocken. Ein ideales Bauklötzchen also für den Spielkasten der Nanotechnologen. Schon vor Jahren gelang es, DNA-Moleküle zu winzigen Würfeln und Pyramiden zu formen. Shih:

    Bislang hat man diese Objekte aus mehreren kurzen DNA-Stückchen zusammengebaut. Unser Durchbruch besteht nun darin, dass wir statt einiger kurzer Stränge einen einzigen langen Strang verwendet haben. Es ist uns gelungen, einen DNA-Strang so maßzuschneidern, dass er sich von selbst zur komplexen Gestalt eines Oktaeders zusammenfaltet.

    Als würde sich ein langes Stück Draht ganz von selbst zu einem gleichmäßigen Oktaeder knicken und falten. Selbstorganisation, so nennt der Fachmann dieses Phänomen - und sieht darin den Schlüssel zur billigen Massenproduktion. Schließlich kann man einen einzelnen DNA-Strang klonen so oft man will, und die Kopien falten sich dann ganz von selbst zur gewünschten Struktur. William Shih jedenfalls träumt bereits von lukrativen Anwendungen:

    Es herrscht ein großes Interesse, superschnelle Computer auf der Größenskala von Molekülen zu bauen. Prototypen von molekularen Transistoren gibt es bereits. Was bleibt ist die Aufgabe, diese Transistoren zu integrierten Schaltkreisen zu verknüpfen. Wir hoffen, dass die DNA dabei eine Art magischer Klebstoff sein kann. Sie könnte als ein Gerüst dienen, das die Transistoren in die richtigen Positionen bringt, sodass sie einen extrem schnellen Schaltkreis bilden.

    Eine andere Idee: Man könnte Abertausende von DNA-Oktaeder verknüpfen zu großen, dreidimensionalen Kristallgerüsten. In diesen Gerüsten sollen dann Proteine gestapelt werden wie Eier in der Pappe. Mit dieser Methode ließen sich dann bestimmte Proteine besser mit Röntgenstrahlung durchleuchten - in der Hoffnung, dabei auf neue und wirksamere Medikamente zu stoßen.

    Bleibt eine Frage: In der Natur kann sich DNA ja von alleine reproduzieren, bei der Zellteilung etwa. Ist die Arbeit von Shih und seinen Kollegen also der erste Schritt zu Nanoteilchen, die sich eigenständig vermehren? Shih:

    In der Zelle kann sich die DNA nicht von selber vervielfältigen. Dazu braucht sie eine ganze Menge von Helfer-Proteinen, die z.B. das Zerschneiden und Kopieren übernehmen. Dasselbe gilt auch für unser Oktaeder aus DNA. Es wäre niemals in der Lage, sich ohne die Hilfe anderer Moleküle zu reproduzieren. Für die Zukunft jedoch sind durchaus DNA-Moleküle vorstellbar mit einer gewissen Fähigkeit, sich eigenständig zu vermehren. Ob das klappt, ist aber noch Zukunftsmusik.

    Eine Aussicht, die nicht jedem behagen dürfte. Denn manch ein Skeptiker befürchtet, dass vermehrungsfähige Nanoteilchen außer Kontrolle geraten und zu einer ernsten Gefahr für Mensch und Natur werden.