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Nano mit Nebenwirkung

In diesem Raum hier, in dem normalen Raum, haben wir ungefähr 30.000 Partikel pro Kubikzentimeter.

Vion Volker Mrasek | 03.10.2004
    Ich kann Ihnen sagen: Selbst in der Laborluft, also in einer relativ reinen Luft, /sehen wir typischerweise mindestens 1.000 bis 10.000 Nanopartikel pro Kubikzentimeter.

    Ich glaube, in 24 Stunden atmen wir so zehn Kubikmeter.

    Jetzt müssen wir zehn Kubikmeter mal, äh … es sind, glaube ich, zehn Milliarden Partikel, die man am Tag einatmet. Die Anzahl dieser Partikel, die ist exorbitant hoch im Vergleich zu größeren Partikeln. Also, wir sehen sie nicht. Aber sie sind da. Man kann sie messen.

    Was wir haben in belasteten Regionen natürlich, sind dann etwa 10.000 bis 1 Million mehr Partikel. Die sind in der Atmosphäre. Letzten Endes sind diese feinsten Partikel auch sehr weit lungengängig. Davon bleibt ein Drittel in der Lunge hängen.

    Dieses ist etwas, was Sie nur dann ausschließen können, wenn Sie die Luft anhalten. Und wer kann das schon länger als fünf Minuten, nicht? [LACHEN]

    Nano mit Nebenwirkung. Zu den Risiken von Feinststaub-Partikeln in unserer Umwelt. Eine Sendung von Volker Mrasek …

    Jetzt müssen wir mal erstens einsteigen. Jetzt kommt Zyklus Start. Lassen den Motor an. Antischlupfregelung ausschalten. Und jetzt fahren wir ganz langsam an. Kupplung bisschen loslassen. Bisschen Gas. Jetzt fährt es los. Zweiten Gang. Jetzt sind wir bei 30 km/h. Dritten Gang, um die 40 rum. Jetzt gehen wir ein bisschen hoch. 60, 70. Vierten Gang. Jetzt sind wir bei 80.

    Philippe Novak ist weder Kfz-Mechaniker noch Entwicklungsingenieur. Weder Rennfahrer noch TÜV-Tester. Sondern: Leiter des Rollenprüfstands bei der EMPA, der Eidgenössischen Material- und Prüfungsanstalt in Dübendorf bei Zürich.

    Es sind nicht Beschleunigungswerte oder das Kupplungsverhalten, die den Schweizer Elektroingenieur interessieren, wenn wieder mal ein Fahrzeug im 20minütigen Testzyklus steckt. Sondern das, was hinten aus dem Auspuff quillt …

    Also, während dieser 20 Minuten werden die Abgase gesammelt. Und am Schluss werden die Konzentrationen von den Schadstoffen ausgemessen und hochgerechnet in Gramm pro Kilometer.

    Das Fahrzeug ist drin, und jetzt kommt der Schlauch halt da aus der Wand. Aber es ist schon mit dem Fahrzeug verbunden. Also, am Ende des Fahrzeugs, am Auspuff, sind metallische Schläuche angehängt, die dann das Abgas, das komplette Abgas, in einen Verdünnungstunnel führen. Von dort werden dann Probeflüsse zu den Analysatoren genommen.


    Martin Mohr folgt dem Weg der Verbrennungs-Schadstoffe durch ein weitverzweigtes Rohrnetz. Diverse Apparaturen umringen den deutschen Physiker in Testhalle Nummer zwei: Flammen-Ionisationsdetektoren, Massen-Spektrometer und elektrische Mobilitäts-Analysatoren.

    Auch Mohr forscht an der EMPA. Dort leitet er die Arbeitsgruppe für Partikel-Analytik. Woraus sich schon ableiten lässt, was den Physiker beschäftigt: die Partikel-Emissionen von Verbrennungsmotoren, eines der aktuellsten Themen auf dem Gebiet der atmosphärischen Schadstoff-Forschung …

    Der Autoverkehr, insbesondere Dieselmotoren, sind eine maßgebliche Quelle für diese Emissionen. Und es geht darum, diese Emissionen zu reduzieren. Um das zu machen, muss man natürlich verstehen, wie die Partikel gebildet werden. Was für einen Einfluss hat der Treibstoff? Was für einen Einfluss hat die Fahrweise? Was für einen Einfluss hat die Motorentechnologie? Wie wirksam sind Abgasnachbehandlungssysteme? Das sind Sachen, die wir hier untersuchen.

    Das ganze Gezerre um den Partikelfilter für Diesel-Pkw - es hat den Hintergrund, dass Motoren bei der Verbrennung ihres Treibstoffs nicht nur Abgase produzieren, sondern auch hauchfeine Teilchen. Diese Partikel sind winzig wie nur was und gerade mal Nanometer groß: millionstel Millimeter. Deshalb spricht man auch von Feinst-Staub, oder noch genauer: von Ultra-Feinstaub.

    Atmosphärenforscher und Toxikologen stecken die Schwebteilchen in Schubladen. Darauf steht "PM", für partikuläre Materie, ergänzt durch eine Größenangabe. Ultra-Feinstäube gehören in die Kategorie PM0,1. Das heißt: Sie sind kleiner als 0,1 Mikrometer, kleiner als 100 Nanometer also. Darunter fällt auch der überwiegende Teil der Ruß-Partikel aus Dieselmotoren …

    Und wir interessieren uns für Teilchen bis wenige Nanometer. Und dann sind wir bei einem Milliardstel Millimeter. Das heißt, diese ganz kleinen Partikel bestehen jetzt nur noch aus vielleicht 1.000, 10.000 Atomen.

    Feinstäube und Nanopartikel bestimmen auch das Forscherleben von Wolfgang Kreyling. Der Biologe arbeitet im GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit bei München. Dort koordiniert er alle laufenden Projekte zur "Gesundheitsrelevanz von Aerosolen", also von Schwebstäuben.

    Die älteren von uns werden sich mit Sicherheit an das Thema ,Der blaue Himmel über der Ruhr’ erinnern. Das war in den 50er Jahren. Da hat man hervorragende Maßnahmen ergriffen, um den Himmel blau zu machen. Wegen dieser sehr effektiven Aufreinigungsmaßnahmen sind die Massenkonzentrationen deutlich runtergegangen, das heißt also, die Luft ist tatsächlich erheblich (viel) sauberer geworden. Was dabei übrig/geblieben ist, sind die feinen Teilchen. Früher hat man mehr Grobstaub eingeatmet, und dieser Grobstaub ist zum Teil nur bis in die Nase vorgedrungen. Während heutzutage dieser Feinstaub viel, viel tiefer in die Lunge eindringen kann. Der Zielort hat sich geändert. Wir erreichen jetzt viel mehr in der tiefen Lunge.

    Die Frage ist nun: Welche gesundheitlichen Konsequenzen hat das? Eine Antwort fällt nicht leicht, vor allem aus zwei Gründen.

    Zum einen geht es um Langzeiteffekte. Die Nano-Aerosole stehen im Verdacht, krebserregend zu sein. Bis sich ein Tumor im tiefen Lungengewebe ausbildet, können aber Jahrzehnte vergehen, ähnlich wie bei Asbest-Fasern. Nach so langer Zeit ist es äußerst schwierig, den Krebs-Auslöser zu ermitteln.

    Zum anderen enthält die Außenluft nicht nur Feinststaub. Der Mensch atmet Tag für Tag eine ganze Reihe von Schadstoffen ein. Auch das erschwert die Suche nach einem bestimmten Mutagen, das den Krebs verursacht haben soll.

    Die Wissenschaft behilft sich mit epidemiologischen Studien. Ihre Autoren sammeln Daten über Krankheitsfälle in der Bevölkerung und untersuchen, ob sie mit bestimmten Risikofaktoren zusammenhängen. Dabei kann sich etwa herausstellen, dass in Regionen mit hoher Feinstaub-Belastung Krebsfälle gehäuft auftreten.

    Es gibt inzwischen eine Fülle von epidemiologischen Staub-Studien. Vor allem aus Untersuchungen in den USA müsse man folgern, dass ultrafeine Partikel in der Tat die Gesundheit schädigen, resümiert Wolfgang Kreyling und verweist an erster Stelle auf ein Projekt der Amerikanischen Krebsgesellschaft:

    Dort wurde eben ganz klar gezeigt, dass die Sterblichkeit, die Mortalität, assoziiert ist mit dem Anstieg im Feinstaub. Bei diesen Langzeitstudien wie diese American-Cancer-Society-Studie, da kann man nachweisen, dass es auch zu einer Lebensverkürzung kommt. Die Berechnungen sind mit Sicherheit schwierig und auch umstritten. Aber man geht im Augenblick davon aus, dass eine Erhöhung des Feinstaubes um zehn Mikrogramm pro Kubikmeter ’ne Lebensverkürzung von einigen Monaten im Mittel darstellt.

    Kreylings Kollege Erich Wichmann, Epidemiologe und ebenfalls am GSF-Forschungszentrum, macht in einer Abschätzung für das Umweltbundesamt folgende Rechnung auf:

    In Deutschland sterben jedes Jahr 800.000 Menschen.

    Ein bis zwei Prozent dieser Todesfälle seien den Partikel-Emissionen von Diesel-Fahrzeugen zuzuschreiben.

    Das entspreche 10- bis 19.000 Todesfällen durch Diesel-Ruß aus dem Straßenverkehr, teils aufgrund von Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, teils aufgrund von Lungenkrebs. Der Autor folgert daraus, Zitat:

    Durch den Einsatz von Partikelfiltern ließe sich zum überwiegenden Teil verhindern, dass diese Zahl von Personen vorzeitig stirbt.

    Inzwischen gehen immer mehr Auto-Konzerne dazu über, Diesel-Neufahrzeuge mit Partikelfiltern anzubieten. Damit wird das Problem aber nur zum Teil gelöst. Denn es gibt weitere wichtige Quellen von atmosphärischem Feinststaub - nicht nur Diesel-Pkw

    "So, jetzt gehen wir ins Labor rein. Und hier auf der linken Seite haben wir jetzt unseren Labor-Dieselteststand mit der Steuerung und Regelung. Und hier auf der rechten Seite der Reaktor.

    Hier auf dem Boden steht unsere Rußquelle. Das ist ein kleiner Diesel-Generator, der in einem Aluminiumgehäuse, das schallisoliert ist, voll gekapselt ist. Dadurch haben wir hier relativ niedrige Geräuschemissionen unter 60 Dezibel. Aus dem Generator tritt das Abgasrohr, das /in eine Reaktoreinheit einmündet, in der wir unsere Katalysator-Module unterbringen können.

    Man mag seinen Augen kaum trauen: ein Diesel-Motor in einem ganz normalen Chemie-Labor, im 1. Stockwerk eines ganz normalen Institutsgebäudes. Wiederum in der Schweiz und nicht weit von Zürich, diesmal aber am Paul-Scherrer-Institut in Villigen. Zürich, das sagen Wissenschaftler wie Oliver Kröcher, sei ein "Gravitationszentrum" der Feinstaub-Forschung. Deshalb zog es auch den deutschen Chemiker in die Schweiz.
    Kröchers Arbeitsgruppe am Paul-Scherrer-Institut entwickelt neue Abscheidesysteme für Diesel-Ruß, trotz des Partikel-Filters. Denn der ist zwar längst serienreif. Aber nur für Diesel-Pkw, nicht jedoch für den Schwerverkehr. Dabei sind Lastkraftwagen die viel größeren Staub-Schleudern …

    Also, Diesel-Pkw stellen halt nur einen Teil der Dieselruß-Partikelemittenden dar. Ein anderer Teil ist natürlich /der Nutzfahrzeugverkehr. Und die Nutzfahrzeug-Partikelemissionen sind sogar vom Anteil her noch mehr als das, was von den Diesel-Pkw ausgestoßen wird. Und zwar sogar deutlich mehr, obwohl natürlich die Anzahl der Diesel-Pkw größer ist als die der Lkw.

    Mit Feinstaub-Filtern für 40-Tonner tun sich Materialforscher und Entwicklungsingenieure allerdings schwer. Denn die Partikelfallen erzeugen einen gewissen Gegendruck im Abgasstrang. Den muss der Motor mit mehr Leistung wettmachen. Das Ergebnis ist ein leicht erhöhter Kraftstoffverbrauch. Umweltbewusste Pkw-Käufer mögen bereit sein, den Mehrpreis dafür zu zahlen …

    Im Lkw-Bereich kann man sich das nicht vorstellen. Dementsprechend sind also nur Abgasnachbehandlungsmethoden konkurrenzfähig oder auf dem Markt unterzubringen, die praktisch kaum zu einem Mehrverbrauch beim Lkw-Motor führen. Ein anderer Faktor ist natürlich auch der, dass Nutzfahrzeuge eine viel höhere Kilometerleistung haben als Pkw. Bis zu eine Million Kilometer ist ein Lkw, oder sogar 1,5 Millionen Kilometer ist ein Lkw auf der Straße unterwegs, bis er ausgemustert wird. So dass also auch die Anforderung an die Haltbarkeit von solchen Dieselruß-Abscheidesystemen wesentlich höher ist als im Pkw-Bereich.
    Also, ich starte ihn von drüben. Ich kann ihn nicht von hier starten.

    Oliver Kröcher ist inzwischen umgezogen, in eine Garagen-große Testkammer auf dem Institutsgelände. Kollegen bringen gerade einen schweren Dieselmotor mit sieben Litern Hubraum auf Touren …

    Die Abgasnachbehandlungskonzepte, die wir im Labor erforschen und ausarbeiten, die können wir hier in diesem Diesel-Teststand möglichst realitätsnah überprüfen.

    Kröchers Forschergruppe hat sich vorgenommen, eine technische Lösung für die bisher filterlosen Nutzfahrzeuge zu finden. Nun tüftelt sie an einem offenen Rußabscheider, wie sie ihn nennt. Kein perfekter Partikel-Fänger, sondern ganz bewusst ein Kompromiss:

    Man spricht ja bei dem klassischen Rußpartikelfilter von 99 Prozent oder sogar noch höheren Abscheideraten. Das, was wir im Sinn haben, ist wahrscheinlich von der Physik, die dahintersteht, nur für mittlere Abscheideraten von vielleicht 50, 60, 70, maximal 80 Prozent gut.


    Beim Pkw-Filter prallt das Diesel-Abgas auf einen Keramik-Klotz, den ein dichtes Netz feiner Reaktionskanäle durchzieht, …

    … also ein hundertprozentiger Filtervorgang: Alle Partikel sehen diese Keramikfilterwand /und scheiden sich daran ab.

    Sprecherin (0’17): Kröchers Prototyp dagegen ist durchlässig. Das dichte Kanalnetz fehlt. Stattdessen werden die Diesel-Partikel durch turbulente Strömung im Filterrohr quasi an die Innenwand gedrückt, wo sie haften bleiben. Das Konzept nimmt in Kauf, dass ein Teil der Ruß-Partikel unbehelligt durch den Filter schlüpft …

    Der Vorteil ist zum einen, dass man sich keine Gedanken mehr machen muss, dass der Rußfilter irgendwann verstopft und damit der Motor ausgehen kann. Und der andere Vorteil ist, dass der Kraftstoff-Verbrauch auf jeden Fall auf sehr geringem Niveau bleiben würde, weil ja dann auch der Abgasgegendruck von so einem relativ offenen System auch recht gering gehalten werden könnte.

    Ein solcher Filter wäre nicht vollkommen, aber ein Angebot an die Spediteure. Als Zwischenlösung. Solange effizientere technische Konzepte, die den Verbrauch ebenfalls nicht steigern, noch ausstehen.

    Außerdem halten die Forscher ihren Abscheider noch für entwicklungsfähig. Sie wollen ihm beibringen, Ruß auch abzubauen. Und zwar durch eine Beschichtung des Filter-Inneren mit Platin und bestimmten Metalloxiden. Dann käme es zu einer chemischen Katalyse. Das Platin könnte Stickoxide im Diesel-Abgas schon bei relativ niedrigen Temperaturen dazu bringen, Ruß zu oxidieren und damit zu zerstören.

    So will Oliver Kröchers Team ein weiteres Manko von Lkw-Motoren beheben. Sie laufen meist niedertourig, und dann wird ihr Abgas nicht heiß genug, um einen Ruß-Katalysator zu betreiben.

    Noch zwingen die Abgas-Vorschriften in der EU keinen Hersteller, Lastkraftwagen mit Partikel-Filtern auszurüsten. Wann es dazu kommt, vermag auch Konstantinos Boulouchos nicht zu sagen, Professor für Aerothermochemie an der ETH Zürich, …

    … aber ich sehe mittelfristig eindeutig, eindeutig die Tendenz und den technologischen Trend dahin, dass auch größere, also schwere Nutzfahrzeuge mit Partikelfiltern ausgerüstet werden.

    Öffentlich halten sich die Lkw-Hersteller zwar bedeckt. Doch in ihren Entwicklungslabors arbeiten sie laut Boulouchos längst an Lösungen für das Partikel-Problem:

    Prinzipiell sehe ich keinen naturwissenschaftlichen oder ingenieurwissenschaftlichen Grund, warum das unmöglich sein sollte. Für die Wissenschaft ist das ein tolles interdisziplinäres Thema, und der Fortschritt, der ist da. Und ich denke mal, in zehn bis 15 Jahren wird das Thema vom Tisch sein, weil die Technologie wahrscheinlich die überwiegende Mehrheit der Rußemittenden aus Verbrennungsprozessen eliminiert haben wird.

    Der Straßenverkehr ist die Hauptquelle für den mutmaßlich gesundheitsschädlichen Feinststaub in der Atmosphäre. Doch es gibt weitere Partikel-Quellen, zum Beispiel Haus-Heizungen.

    Wer traditionell Brennholz verfeuert, produziert ebenfalls rußhaltige Abluft. In manchen Alpentälern stammt der meiste Feinstaub nicht aus Automotoren, sondern aus Öfen mit Holzfeuerung. Auch das haben Untersuchungen in der Schweiz ergeben, wo nun sogar Partikelfilter für Heizungsrohre entwickelt werden …

    Besonders hohe Aerosol-Konzentrationen können auch dort auftreten, wo viele den halben Tag verbringen: am Arbeitsplatz …

    Wir sind jetzt also im Labor für Aerosolmeßtechnik im Institut für Arbeitsschutz. Und wir haben hier also ein Gerät vor uns, welches die Partikelgröße bestimmt und die Anzahl misst. Und zwar heißt das Ganze Scanning Mobility Particle Sizer. Wird von wenigen Firmen in der Welt hergestellt. Sind im wesentlichen Laborgeräte. Wir verwenden es aber mobil an Arbeitsplätzen. Und es lässt sich relativ gut dort auch einsetzen.

    Sprecher (0’21): Eine Apparatur von der Größe einer Brotbackmaschine, oben drauf ein Edelstahl-Rohr, das man für einen Schornstein halten könnte - das ist das Arbeitstier des Physikers Carsten Möhlmann. Wenn es nicht gerade unterwegs ist, steht es in St. Augustin bei Bonn, im Institut für Arbeitsschutz. Das wiederum gehört zum Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften …

    Das Gerät saugt das Aerosol, die Luft, an, die staubbeladene Luft an. Und unterteilt dann im weiteren mit Hilfe elektrischer Eigenschaften in einem Rohr-Kondensator diese Partikelgrößen, so dass wir nachher eine bestimmte einzelne Partikelgröße erhalten und dann von dieser Größe die Anzahl der Partikel pro Kubikzentimeter bestimmen.

    Stäube sind für den Arbeitsschutz beileibe kein neues Thema. Schon vor mehr als hundert Jahren sinnierten Mediziner über die "Staublungen" von Bergbau-Beschäftigten. Später wurden auch andere Industriezweige auf Aerosol-Belastungen am Arbeitsplatz abgeklopft. Und es wurden Grenzwerte festgesetzt.

    Grob- und Feinstäube dürfen heute bestimmte Höchstmengen an Arbeitsplätzen nicht überschreiten. Ein expliziter Grenzwert für Nanopartikel aber steht noch aus …

    Das ist das Prinzipielle, der Unterschied, dass wir bisher immer bei massenbezogenen Grenzwerten liegen und das bei ultrafeinen Partikeln nicht mehr so anwenden können. Was interessant ist, ist die Anzahl dieser Partikel, denn die ist exorbitant hoch im Vergleich zu größeren Partikeln, die noch eingeatmet werden können.

    Das alte Thema Staub wirft also plötzlich neue Fragen für den Arbeitsschutz auf. Markus Berges formuliert die wichtigsten. Der Chemiker leitet das Referat Expositionsbewertung im St. Augustiner Institut:

    Inwieweit sind die Arbeitnehmer diesen Partikeln ausgesetzt? Wie viel atmen sie an bestimmten Arbeitsplätzen davon ein? Welchen Effekt haben diese Partikel dann? Gibt’s bestimmte Konzentrationen, die überschritten werden müssen an Kleinstpartikeln, damit sich eine bestimme Wirkung entfaltet, möglicherweise auch chronische Wirkung, die sich erst nach Jahren zeigt? Das, denke ich, sind die beiden großen Fragenblöcke, die bearbeitet werden müssen."

    Das Institut für Arbeitsschutz stellt sich dieser Aufgabe. Es ist dabei, ein umfassendes Kataster für Ultrafeinstäube aufzubauen. Mit ihrem mobilen Partikelzähler inspizieren Carsten Möhlmann und seine Kollegen regelmäßig alle möglichen Arbeitsstätten. Und sie stellen fest:

    An allen Plätzen, wo thermische Prozesse stattfinden wie Schweißen, Löten, Metallbearbeitung und so weiter kann man feststellen, dass deutliche Konzentrationserhöhungen ultrafeiner Partikel auftreten gegenüber der unbelasteten Arbeitsumgebungsluft.

    Für Horst Kleine ist das nicht überraschend. Es ist auch nicht beunruhigend. Denn dass beim Schweißen oder Schleifen Rauch entsteht und damit auch viel Feinstaub, sei klar, sagt der Chemiker und Leiter des Fachbereichs Gefahrstoffe in St. Augustin. An solchen Arbeitsplätzen seien Absaugungen oder Atemschutzgeräte deshalb Pflicht:

    Und die Schutzmaßnahmen, die man in der Vergangenheit gegenüber Partikeln größeren Durchmessers /getroffen hat, die wirken auch /für entsprechende ultrafeinePartikeln.

    Doch die Messungen der Arbeitsschützer zeigen hohe Feinststaub-Belastungen auch dort, wo man sie nicht unbedingt vermuten würde. Und wo Arbeitnehmer gewiss nicht mit Atemschutzmasken herumlaufen. Zum Beispiel in Bäckereien, …

    In denen die Backöfen durch die Erhitzung der Fette in den Backformen auch relativ viel Partikel emittieren. Aber auch in Bereichen von Flughäfen, auf den Flughäfen-Rollfeldern zum Beispiel, beim Warten der Flugzeuge oder Beladen der Flugzeuge, erreichen wir sicherlich auch relativ hohe Konzentrationen, die daher rühren, dass das Kerosin, was verbrannt wird in den Turbinen, auch relativ viele feine Partikel erzeugt. Ich denke, dass man gegen die Partikel-Emissionen eines Düsentriebwerkes rein technisch nichts machen kann. Aber man kann sicherlich die Beschäftigten auf dem Flugfeld schützen. Und man sollte dabei berücksichtigen, dass die Aufenthaltsdauer des Einzelnen an einem solchen belasteten Platz relativ kurz ist.

    Diesel-Ruß in der Atmosphäre, Feinststaub an bestimmten Arbeitsplätzen - damit wäre sie komplett, die Liste möglicher Risikoquellen?

    Nein, meinen Wirkungsforscher wie Wolfgang Kreyling vom GSF-Forschungszentrum. Mit gewisser Sorge beobachten sie, dass der Kontakt mit ultrafeinen Partikeln allmählich zum Normalfall wird, für jeden von uns - durch die Nanotechnologie …

    Wir haben jetzt schon Nanomaterialien in Sonnencreme. Ich bin mir nicht so sicher, wie das ist, wenn jetzt jemand so ’ne Sonnencreme in seine Wunde reinreibt. Bei solchen Transplantaten, zum Beispiel den Hüftgelenken, versucht man jetzt vernünftigerweise, die Oberflächen zu modifizieren, dass die härter und stabiler werden, verwendet dabei Nanomaterialien, die aber ihrerseits auch wieder einer Erosion unterliegen können, so dass Sie jetzt plötzlich Nanomaterialien direkt im Körper haben.

    Auch die Pharmazie macht bereits Gebrauch von Nanopartikeln, beim so genannten Drug Targeting: Mit Hilfe der ultrafeinen Teilchen und angehefteter Antikörper gelingt es, Medikamente in ein gewünschtes Zielgewebe im Körper zu schleusen.

    Die Nanopartikel sind so klein, dass das Immunsystem nicht auf sie reagiert. Die Abwehrzellen übersehen die Winzlinge schlichtweg. Darin steckt womöglich auch ein Risiko, betont der Niederländer Paul Borm, Toxikologe und Außerplanmäßiger Professor an der Universität Düsseldorf:

    Damit ist im Prinzip schon der Weg frei, dass sie (sich) in andere Organe bewegen können. Zum Beispiel können die ins Blut gehen, damit zum Beispiel die Blutgerinnung stören. Direkt zum Herz gehen. Zum Beispiel ist jetzt auch gezeigt worden, dass die Nanopartikel zum Beispiel nach Inhalation direkt aus der Nase ins Gehirn gelangen, das heißt wenn die Partikel ins Gehirn gelangen, kann es im Prinzip sein, dass die auch die zentralen Nervenfunktionen irgendwo stören können.

    Borm beruft sich auf jüngste Experimente mit Ratten. Bei ihnen wanderten winzige Graphit-Partikel tatsächlich über den Riechnerv ins Gehirn. Auf diese Weise umgingen sie die schützende Blut-Hirn-Schranke.

    US-Forscher berichteten kürzlich über erste toxikologische Tests mit Fullerenen. Das sind die berühmten Nano-Fußbälle: Moleküle mit einem kugeligen Kohlenstoff-Gerüst und möglichen Anwendungen in Elektronik und Pharmazie. Nur: In den Tests an Fischen zeigte sich, dass die Nanobälle zu einem Abbau von Fetten im Gehirn der Tiere führten.

    Große Stücke setzen Nanotechnologen auch auf Kohlenstoffröhrchen, die so genannten Nanotubes …

    Was man eigentlich jetzt schon sieht, ist, dass bestimmte Nanoprodukte, und das sind auch Nanopartikel - dass die Anwendung steigt, zum Beispiel Nanotubes für Bildschirmtechnologie. Das wird bedeuten, dass wir in den nächsten paar Jahren also zehn-, hundert-, tausendfach mehr von solchen Partikeln produzieren. Die Risiken sind dann da erstens mal am Arbeitsplatz: Die Leute, die das herstellen. Und zweitens: die Effekte von solchem Material in der Umwelt.

    Die entscheidende Frage ist natürlich:

    Ist das bedenklich? Oder ist das unbedenklich?
    Beantworten können sie zur Zeit weder Wolfgang Kreyling und Paul Borm noch irgendein anderer Forscher …

    Wir bemühen uns darum, auch in der Europäischen Gemeinschaft, auf dieses Problem hinzuweisen. Wir haben vorgeschlagen, dass man Konzepte entwickeln müsste, um jetzt (das) Gesamtrisiko abzuschätzen von neuen Produkten, das heißt nicht nur das Risiko am Eingangsorgan - bei uns die Lunge -, sondern eben auch bei den möglichen Zielorganen. Es gibt Anwendungen von Nanotechnologie völlig ohne Risiko. Es gibt aber auch Anwendungen in der Nanotechnologie, zum Beispiel in der Medizin, wo man absichtlich große Mengen von Nanopartikeln in das Blut bringt. Dann soll man wissen, was die Nebeneffekte sein können. Also, ich hielte es für vernünftig, dass die drei Partner - der Gesetzgeber, die Industrie und die Wissenschaft - das gemeinsam machen. Da sind die Bekundungen zwar alle sehr positiv. Wenn es dann darum geht, dass man da Geld haben will, um das jetzt zu entwickeln, sieht die Sache dann etwas anders aus.

    Ok, jetzt wollen wir mal schauen, ob das Ding läuft.

    Mit den ultrafeinen Teilchen aus Dieselmotoren und Holzfeuerungen müssen wir noch eine Weile leben; anderen setzen wir uns in einer künftigen Nanowelt vermutlich stärker aus. Die Partikel dringen bis in die tiefsten Verästelungen unserer Lungen vor; sie finden sich am Ende sogar in Herzmuskel- und in Gehirnzellen, im Tierversuch jedenfalls. Doch könnte es beim Menschen ähnlich sein.

    Muss man besorgten Wissenschaftlern wie Wolfgang Kreyling also nicht jede Unterstützung gewähren?

    Sollte man beim Aufbruch ins Nano-Zeitalter nicht versuchen, Fehler von gestern zu vermeiden und darauf drängen, dass auch die Risiken der neuen Technologie genau ausleuchtet werden?

    Oder könnte sich am Ende herausstellen, dass die Forscher einem Phantom aufgesessen sind? Dass ultrafeine Partikel, auch wenn wir täglich Abermillionen davon einatmen, gar nicht so gefährlich sind?

    Dieses ist natürlich nicht auszuschließen. Trotzdem: Wenn die Wahrscheinlichkeit sehr hoch wäre, dann würde ich, glaube ich, ’was anderes machen in meinem Leben. Also, ich gehe wirklich davon aus, dass wir einem Phänomen auf der Spur sind, was tatsächlich für die Gesundheit der Gesellschaft von großer Bedeutung ist. Gesundheitseffekte, die wir nicht einfach zur Seite wischen sollten.

    Es kann nicht mehr lange dauern.