Die weltweit ersten bionischen Pflanzen – oder auch Cyber-Pflanzen - gehören zur Gattung Arabidopsis – zu Deutsch "Ackerschmalwand". Ein unscheinbares Wildkraut.
Michael Strano von der Elite-Universität M.I.T. im amerikanischen Cambridge wollte seinen Laborpflanzen neue Fähigkeiten verleihen. Deshalb hat er kleinste Nano-Elemente in ihre Blätter hineingeschleust. Der Professor für Chemische Technologie hat so ein neues Forschungsfeld begründet.
Nanobiotik heißt die neue Technik: Kleinste Partikel, Röhren oder Plättchen mit ein paar Nanomatern Durchmesser gelangen ins Innere der Pflanzenzellen und werden Teil einer Pflanze.
"Wir nehmen einfach eine Wasserlösung mit Nanoteilchen darin, tauchen die Blätter ein und üben Druck auf sie aus. In den Blättern entsteht ein Unterdruck. Durch die Spaltöffnungen, die Stomata, an der Blattunterseite werden die Nanoteilchen angesogen. Wenn wir die Teilchen fluoreszieren lassen, können wir ihren Weg durch die feinen Kanäle im Blatt verfolgen."
Die Nanoteile bleiben aber nicht in den feinen Wasserkanälen der Blätter. Michael Strano und sein Team haben sie mit geladenen biochemischen Molekülen umhüllt – wie zum Beispiel mit dem Erbmolekül DNA. So gelangen die Nanopartikel durch die Membranen in die Pflanzenzellen hinein, aber nicht wieder zurück. Dort erreichen sie die Chloroplasten. Das sind feine membranumhüllte Strukturen im Zellinnern. Sie sind für die Fotosynthese der Pflanzen zuständig, also für die Energiegewinnung aus dem Sonnenlicht.
Die Fotosyntheseleistung um 50 Prozent erhöht
"Wir platzieren die Nanopartikel in den Chloroplasten neben den Fotosynthese-Proteinen. Und zwar so, dass die Pflanze Lichtwellen nutzen kann, die sie von Natur aus nicht nutzt, wie das grüne Licht, das normalerweise ungenutzt reflektiert wird. Dazu verwenden wir Nanoröhren aus Kohlenstoff. Sie absorbieren Lichtwellen in diesem Bereich und bringen die Energie in den Chloroplasten."
Die Forscher konnten mit Nanotechnologie die Fotosyntheseleistung in isolierten Chloroplasten um 50 Prozent erhöhen. In den Blättern der Ackerschmalwand stieg die Fotosyntheserate um 30 Prozent. Noch fehlt die genaue biochemische Erklärung, wie eine solche Leistungssteigerung möglich ist.
Unterdessen werden am M.I.T. bereits verschiedene Anwendungsmöglichkeiten erprobt. Zum Beispiel könnten bionische Cyber-Pflanzen als Biosensoren Schadstoffe aufspüren. Nanoelemente lassen die Pflanzen fluoreszieren, sobald die Konzentration von Stickstoff-Dioxid ansteigt. Zukünftige Anwendungen klingen noch futuristischer.
"Warum soll ein Baum nicht als Mobilfunkmast arbeiten können? Das wäre doch großartig. Die Nanoelemente in den Blättern verbreiten die Mobilfunkwellen. Und nach einem Sturm kann sich der Baum selbst reparieren. Das ist natürlich noch Spekulation. Aber wir wollen jetzt die Möglichkeiten erkunden, die entstehen, wenn man Pflanzen und Technologie zusammen bringt."
Unklar ist, ob die Cyber-Pflanzen giftig sind, wie Nützlinge oder Schädlinge auf die Nanotechnologie reagieren und welche ökologischen Folgen auftreten können. All das wurde noch nicht untersucht.