"Überall auf der Welt sind wir begeistert von dieser unglaublichen Situation hier in Deutschland, wo viele Städte und Dörfer wieder selbst die Kontrolle über ihre Energienetze von den privaten Betreibern übernehmen. Denn sie wissen ganz genau, dass Energie zu wichtig ist, um sie dem Profitinteresse zu überlassen, besonders in Zeiten einer planetarischen Krise. Und doch ist es zutiefst ironisch, dass die deutsche Regierung und die Troika derzeit einen unglaublichen Druck auf die Länder Südeuropas ausüben, ihre Energienetze zu privatisieren. Es ist längst an der Zeit, dass wir uns darüber klar werden, dass der Kampf gegen Austerität der gleiche Kampf ist wie der für ein stabiles und sicheres Klima. "
Klimarevolution nicht in Sicht
Naomi Klein am 18. März in Frankfurt, wo sie auf der Kundgebung der antikapitalistischen Blockupy-Bewegung sprach. Das ist eine von vielen Abwandlungen ihres Grundthemas, der kritischen Beziehung zwischen Kapitalismus und Klimawandel, und in in ihrem neuen Buch dazu stellt sie fest: Der Klimawandel ist so bedrohlich geworden, dass er das zivilisierte Leben auf dem Planeten bedroht.
Rettung könnte, so Klein, eine Klimarevolution mit dem Fernziel einer nichtkapitalistischen Zivilisation versprechen, unabdinglich sei eine sofortige Umstellung auf erneuerbare Energien.
Die Ursache für das Desaster seien die Logik des grenzenlosen Marktes, die kapitalistische Wachstumsideologie und der sogenannte Extraktivismus, also das Prinzip der nichtnachhaltigen Ressourcenausbeutung. Naomi Klein diagnostiziert: Für die Bankenrettung habe es urplötzlich Billionen Dollar gegeben, das globale Klimakrisenmanagement aber sei gescheitert.
"Beim Klimawandel hat unsere politische Führung noch nie solche Krisenmaßnahmen ergriffen, obwohl er das Risiko birgt, sehr viel mehr Leben zu vernichten als ein paar kollabierte Banken oder Gebäude."
Das Risiko tragen im Zeichen der globalen Klimaungerechtigkeit zunächst die armen Länder des Südens. Das ist ein durchweg nachvollziehbares Ergebnis dieser großangelegten Analyse, ebenso wie das festgestellte Versagen der politischen Eliten. Besonders im Blick dieses publizistischen Projektes: die USA und Kanada sowie die mächtige Lobby der Energiekonzerne.
Naomi Klein hat sich für ihre Recherchen sozusagen in die Höhle des Löwen gewagt, auf eine zweitägige Konferenz des Heartland-Institutes mit atemberaubender Agenda. Die Logik dieser neokonservativen Lobbyformation fasst Klein so zusammen: Wenn es den Klimawandel gibt, kann ihm nur mit staatlicher Lenkung gegengesteuert werden; wir lehnen die staatliche Option ab, also gibt es keinen Klimawandel. Und da selbst große Umweltorganisationen in den USA auf ihren Ländereien nach Öl bohren, wundert sich die Autorin nicht mehr über die Verschleppung einer alternativen Energiepolitik:
"Das katastrophale Ergebnis all dieser Verschleppung ist jetzt unbestreitbar. Nach vorläufigen Daten war der weltweite CO2-Ausstoß 2013 um 61 Prozent höher als 1990, in jenem Jahr, in dem erstmals ernsthafte Verhandlungen über ein Klimaabkommen geführt wurden."
"Das katastrophale Ergebnis all dieser Verschleppung ist jetzt unbestreitbar. Nach vorläufigen Daten war der weltweite CO2-Ausstoß 2013 um 61 Prozent höher als 1990, in jenem Jahr, in dem erstmals ernsthafte Verhandlungen über ein Klimaabkommen geführt wurden."
Sogenannte Geo-Clique um Bill Gates und Richard Branson
Im bewährten, faktengesättigten Stil informiert Klein über die sogenannte Geo-Clique, von scheinheiligen Milliardären wie Bill Gates oder Richard Branson geförderte Wissenschaftler und Ingenieure, die zielstrebig über das Geo-Engineering nachdenken. Auch diese Unentwegten hat die Journalistin auf einer Konferenz beobachtet, wo sie stolz über ihre Projekte berichteten: Solar Radiation Management zur Sonnenverdunkelung, Eisensulfat ins Meer zur Regulierung des Algenwachstums oder gigantische Kohlenstoffstaubsauger zur Entlastung der Atmosphäre. Für Naomi Klein ist das gefährlicher Humbug, denn:
"Anders als die Senkung der Emissionen im Einklang mit dem wissenschaftlichen Konsens fordert die Logik des Geo-Engineering nicht, dass wir uns ändern; sie verlangt lediglich, dass wir weiter das tun, was wir seit Jahrhunderten tun, nur noch intensiver."
Nun will Naomi Klein keineswegs zurück ins Ökomuseum, und so beschreibt sie ausführlich jene Widerstandsformen gegen den Extraktivismus, die zugleich die alternativen Potenziale aufzeigen. Ihre aktuellsten Berichte kommen aus den vom Fracking und der Teersandölproduktion betroffenen Regionen in Nordamerika und Kanada, wo inzwischen die First Nations aufgrund ihres Landbesitzes eine wichtige Rolle spielen. Denn sie könnten, da nicht alle Gebiete an den Staat abgetreten sind, gemeinsam mit den großen Umweltschutzorganisationen solche Großprojekte wie die umkämpfte Keystone-XL-Pipeline verhindern, mit der Kanadas Teersandöl aus Alberta in die USA geleitet werden soll.
Naomi Klein glaubt an eine globale Synergetik dieser politischen Interessen, genannt Blockadia. Sie erkennt im großen Bild eine Massenbewegung, eine mögliche Massenbewegung, die allerdings die Zusammenhänge der Klimakrise auf breiter Ebene erkennen muss, um einen Wandel herbeizuführen:
"Eine Massenbewegung, die all die scheinbar unzusammenhängenden Probleme zu einem kohärenten Bild vereinen würde. Ich habe dieses Buch geschrieben, weil ich zu der Überzeugung gelangt bin, dass der Klimaschutz ein Katalysator für diesen Wandel sein könnte."
Einer von Klein erhofften Klimarevolution steht leider viel im Weg. Es gibt viele lokale Widersprüche, die nur schwer aufzulösen sind. So findet die Autorin etwa in Deutschland Anzeichen des Wandels, wie den Rückkauf der Energienetze, dazu eine vorbildhafte ökologische Tradition, übersieht aber die CO2-Schleuder Automobil, Deutschlands Exportschlager Nr.1, neben dem energieintensiven Exportschlager Nr. 2, dem Maschinenbau.
Naomi Klein ist durchaus erfahren in dieser Dialektik. Mit ihrer interventionistischen Publizistik, die auch eine kämpferische Vorbildrolle nicht scheut, bereitet sie hier etwas vor, von dem sie selbst noch nicht genau sagen kann, was es wird. Es geht um neue Sichtweisen, aber es geht auch - das zeigt ihr neues Buch in überzeugender Weise - um eine absolute Dringlichkeit.
"Im Grunde entsteht hier eine neue Bewegung für die reproduktiven Rechte, für die enthaupteten Berge, die gefluteten Täler, die kahlgeschlagenen Wälder, die gefrackten Grundwasserschichten. Alles Leben hat das Recht, sich zu erneuern, zu regenerieren und zu heilen."