Manchmal musst du die Erste sein, um anderen zu zeigen, dass es möglich ist.
Mit diesem Satz beginnt ein 45 Sekunden langer Werbefilm mit viel Pathos, von den North Carolina Courage, dem amtierenden Meister in der Frauenfußball-Profiliga in den USA. Das Video zeigt ausverkaufte Stadien, Tore, Jubelszenen. Und es stellt Werte in den Vordergrund: Bei Bildern niederknieender Fußballerinnen sagt die Stimme aus dem Off:
"Wir setzen uns für das ein, was wichtig ist. Und knien auch mal nieder in Protest. Wir sind ein diverses Team aus allen Ecken der Welt, mit einer universellen Botschaft der Ermächtigung."
Und am Ende die Worte: "Willkommen Naomi Osaka. Courage vereint uns."
Der Frauenfußball steht viel deutlicher für sexuelle Vielfalt
Wobei Courage hier offensichtlich ein Wortspiel ist: einerseits soll es um Mut gehen, andererseits eben um den Namen des Klubs, bei dem die Tennisspielerin Naomi Osaka gerade als Investorin eingestiegen ist.
Schon sportlich sieht das nach einer passenden Verbindung aus. Die 23-jährige Osaka hat schon drei Grand Slams gewonnen, ist aktuell Nummer 3 der Welt. Laut Forbes war sie 2020 mit Einnahmen von 37 Millionen US-Dollar die bestbezahlte Sportlerin der Welt. Die North Carolina Courage haben dagegen mehrere Weltmeisterinnen in ihrem Kader und sind Rekordmeister in den USA – der stärksten Liga der Welt.
Aber es soll eben um mehr als nur Sport gehen. Seit einigen Jahren bemüht sich der Frauenfußball international, auch gesellschaftspolitisch Positionen zu beziehen. Die US-Nationalmannschaft hat sich klar gegen rassistische Äußerungen des damaligen Präsidenten Donald Trump gestellt. Viel deutlicher als der Männerfußball stehen die Frauen außerdem für Offenheit gegenüber sexueller Vielfalt.
In einem Statement des Fußballklubs wird Naomi Osaka mit folgenden Worten zitiert: "Meine Investition in die North Carolina Courage bedeutet viel mehr als nur Besitzerin eines Teams zu sein. Es ist eine Investition in hervorragende Frauen, die Vorbilder und Anführerinnen in ihrem Feld sind und eine Inspiration für alle jungen Athletinnen. Ich bewundere die Courage auch dafür, was sie für Diversität und Gleichheit tun."
In Japan eckt Osaka an
Als eine der ersten Sportlerinnen hat Osaka zum Beispiel die Namen schwarzer Opfer von Polizeigewalt auf ihren Outfits getragen.
International hat sie dafür viel Beifall geerntet. Aber nicht überall – ausgerechnet in ihrem Geburtsland Japan sorgt sie mit ihren Stellungnahmen für Naserümpfen. Hiroki Ogasawara, Soziologieprofessor an der Universität Kobe, erklärt das so:
"Sie trägt Masken mit den Namen schwarzer Opfer, sie könnte damit auch in Japan ein Antrieb für sozialen Wandel sein. Aber vielen Leuten in Japan hat das nicht gefallen. Sportler fungieren hier nicht als politische Figuren. Ihren Respekt ernten sie nur für Entertainment und nicht mehr als das."
Das Verhältnis zwischen Naomi Osaka und Japan ist überhaupt schwierig. Osaka ist die Tochter eines haitianischen Vaters und einer japanischen Mutter, wurde in Japan geboren, versteht die japanische Sprache aber nur wenig. Die meiste Zeit ihres Lebens hat sie in den USA gewohnt und dort auch das Tennisspielen gelernt.
Bei Olympia – sofern die Spiele von Tokio stattfinden – startet Osaka aber für Japan. Und in der Werbekampagne von "Tokyo 2020" ist sie sogar das Gesicht der Spiele. Motto: "Vereint in Emotion."
Diversität wird in Japan kaum geschätzt
Dabei hat es immer wieder Dinge gegeben, die Osaka das Leben als Japanerin schwer gemacht haben. In Japan, wo bis heute kaum zwei Prozent der Bevölkerung einen ausländischen Pass haben, wird Diversität weiterhin kaum geschätzt. Man sieht sich als homogene Gesellschaft.
Naomi Osaka erlebt dies vor zwei Jahren mit ihrem Sponsor, dem Nudelhersteller Nissin. Für einen animierten Werbespot lassen die Strategen des Unternehmens die Haut von Osaka deutlich heller aussehen, also vermeintlich japanischer, als sie wirklich ist. Osaka war davon sichtlich enttäuscht:
"Ich hab mit ihnen gesprochen und sie haben sich entschuldigt. Es ist offensichtlich, dass ich dunkel bin. Das ist ziemlich offensichtlich. Sie haben das wahrscheinlich nicht mit Absicht getan, als Whitewashing oder so. Aber wenn sie mich das nächste Mal portraitieren, sollten sie mich vorher fragen.
Japans Sportler sollen nicht den Mund aufmachen
Womöglich haben Erlebnisse wie dieses dazu beigetragen, dass Osaka ihr Geld nun in die Sportszene der USA investiert und nicht in die von Japan. Dabei startet dieses Jahr dort eine neue Profiliga – mit Auflagen, die auch Osaka unterstützen dürfte: In der "We League" müssen mindestens 50 Prozent aller Angestellten weiblich sein. In der ansonsten stark nach Geschlecht diskriminierenden japanischen Gesellschaft ist das ein ambitionierter Wert. Namhafte Investorinnen könnte auch die "We League" sicher gebrauchen.
Aber auch solche, die nicht nur Geld geben, sondern Stellung zu politischen Themen beziehen? Hiroki Ogasawara ist skeptisch:
"Ich würde mich freuen, wenn schwarze Japaner Antreiber für sozialen Wandel wären. Aber Sport funktioniert in Japan nicht wirklich als Wirbelwind, sondern eher als soziales Beruhigungsmittel. Vereinfacht gesprochen steht man zu Sportlern so: 'Halt die Klappe und spiel dein Spiel.'"
Dabei ist für Naomi Osaka wohl klar: Ihr Spiel besteht aus mehr als nur Spiel, Satz, Sieg.