Archiv

NASA
Alte Raumsonde wird wiederbelebt

Eine 35 Jahre alte, ausgediente NASA-Sonde soll wieder aufgeweckt werden. Dann wollen Hobbyforscher mit ihrer Hilfe Daten sammeln. Allerdings muss die Sonde dafür bald ihren Kurs ändern - sonst ist sie Jahrzehnte verloren.

Von Karl Urban | 11.06.2014
    Es war eine kleine Sensation. Eine NASA-Sonde, die eigentlich den Sonnenwind untersucht hatte, flog 1984 aus dem Erdorbit hinaus ins Sonnensystem. Aus dem International Sun/Earth Explorer 3 wurde der International Cometary Explorer, kurz ICE. Und der machte sich auf zum Rendezvous mit dem Kometen Giacobini-Zinner. Es war der erste Vorbeiflug an einem Kometen überhaupt. Danach wurde es ruhig. Denn ICE umkreist seitdem gemächlich die Sonne.
    "Die Bahn wurde damals so gewählt, dass sie erst im Jahr 2014 zur Erde zurückführen würde. Wir fänden es nett, wenn wir die Raumsonde jetzt in den Erdorbit zurückholen könnten, um ihre Instrumente wieder für wissenschaftliche Zwecke nutzen zu können."
    Genau das versucht Dennis Wingo mit einem Team von Ingenieuren, Programmierern und Wissenschaftlern. 35 Jahre ist die Sonde jetzt alt. Die NASA selbst hatte ihre Rückholung prüfen lassen - und als zu teuer verworfen. Die Funksender für die altmodische Sonde hatte die Raumfahrtagentur nämlich schon vor über 15 Jahren aus Kostengründen entsorgt.
    "Der letzte Kontakt zur Sonde fand 1995 statt, also vor fast 19 Jahren. Die meisten wissenschaftlichen Instrumente an Bord funktionierten damals noch. Der Antrieb war völlig intakt. Zumindest zwischen dem Start 1978 bis 1995 ging es der Raumsonde also wirklich gut."
    Wie es der Raumsonde heute geht, hat Dennis Wingos Team mittlerweile herausgefunden. Fast 160.000 Dollar kamen in einer Crowdfunding-Kampagne zusammen, gespendet von über 2000 Raumfahrtfans. Mit dem Geld besorgten die Freizeit-Ingenieure die nötigen Sendeverstärker. Die Betreiber des zweitgrößten Radioteleskops der Welt, des 300 Meter messenden Arecibo-Teleskops auf Puerto Rico, erlaubten Ende Mai, erste Kommandos zu verschicken. Und das Teleskop empfing prompt eine Antwort: Die Sonde ist bereit, Befehle zu empfangen.
    Die allerersten Lebenszeichen fing im März aber eine viel kleinere Antenne auf: An der Sternwarte Bochum betreiben Freiwillige ein gerade 20 Meter großes Radioteleskop. Seit diesem ersten Kontakt verfolgt auch Achim Vollhardt vom Verein AMSAT-Deutschland die Funksignale. Er ist noch nicht ganz sicher, ob die befreundete US-Gruppe der Sonde rechtzeitig ein Kommando für eine Kurskorrektur schicken kann. Das sollte spätestens bis Ende Juni passieren.
    "Es könnte noch klappen. Aber es ist auch klar: Mit jedem Tag, der verstreicht, haben wir einen Tag weniger, der uns verbleibt, um das Bahnmanöver zu machen."
    Ohne so ein Bahnmanöver bleibt ICE für Jahrzehnte auf seinem einsamen Orbit um die Sonne. Zunächst müssen die US-Ingenieure aber die aktuelle Position der Sonde bestimmen, die bislang nicht genau bekannt ist. Herausfordernd ist das Wiedererwecken einer Jahrzehnte alten Sonde aus der Sicht von Achim Vollhardt aber auch aus ganz anderen Gründen.
    "Es ist zu einem bestimmten Punkt natürlich wichtig, dass verstanden wird, was man da oben macht. Es ist ungefähr genauso, als wenn man jemandem einen Zündschlüssel in die Hand drückt, der bisher nur ein Motorrad gefahren ist und der soll jetzt LKW fahren. Mit dem Unterschied, dass der LKW jetzt viel größer ist. Das ist eine Sache. Aber es hat am LKW noch ganz andere Knöpfe und ganz andere Bedieneinrichtungen. Und die muss verstanden werden."
    Das Team von Dennis Wingo weiß offenbar, was es tut: In der Garage des mittlerweile 82-jährigen Missionsdirektors der NASA hatten die US-Ingenieure ein Handbuch zum Betrieb der Raumsonde entdeckt - samt der nötigen Kommandocodes. Wenn der Einschuss in den Erdorbit gelingt, soll der Satellit seine wissenschaftliche Arbeit wieder aufnehmen und - im Dienste der Amateure - den Sonnenwind untersuchen.