Bei der fünffachen Olympiateilnehmerin Katerina Nash waren geringe Spuren der verbotenen Substanz Capromorelin festgestellt worden. Die Mountainbikerin und Skilangläuferin begründete ihre positive Dopingprobe damit, sie habe sich bei der Behandlung ihres kranken Hundes kontaminiert. Die Tschechin lebt in den USA, weswegen die US-Anti-Doping-Agentur zuständig ist. Und diese USADA bestätigte die Begründung der Athletin nach einer sehr umfassenden Untersuchung:
„Ich bin der Meinung, dass wir alle daran interessiert sind, Dopingsünder zu erwischen. Es ist aber unbedingt notwendig, dass wir keine unschuldigen Athleten bestrafen, um das Vertrauen und die Fairness des Anti-Doping-Systems in den Augen der Athleten zu wahren,“ begründet Matthew Fedoruk, der Chef-Wissenschaftler der USADA, die intensiven Untersuchungen im Fall Nash.
Und wie auch USADA-Boss Travis Tygart kritisiert Fedoruk das aktuelle Regelwerk der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA. Das besagt, dass jeder Dopingverstoß, selbst ein versehentlicher "negativer analytischer Befund“ wie im Fall Nash, öffentlich bekannt gegeben werden muss:
„In Fällen, in denen kein Zweifel besteht, dass ein Sportler völlig unschuldig mit einer verbotenen Substanz in Berührung kommt und es keine Auswirkung auf die Leistung gibt, sollten die Regeln einen gewissen Ermessensspielraum erlauben, ob der Verstoß öffentlich gemacht wird. Eine solche Veröffentlichung hat großen Einfluss auf die Karriere eines Sportlers.“
Nash-Anwalt Greene: "Fälle ganzheitlich angehen"
Da ist sich die USADA-Spitze sogar einmal mit dem Nash-Anwalt Paul Greene einig, einem bekannten Kritiker des globalen Anti-Doping-Systems. Der äußerte sich in den US-Medien so:
„Es muss etwas getan werden, um diese Fälle ganzheitlich anzugehen. Ein Ermessensspielraum bei der Veröffentlichung der Namen wäre ein guter Ansatzpunkt, und da gibt es eine einfache Lösung: Man könnte immer noch eine verschuldensunabhängige Entscheidung treffen, aber sie müsste nicht bekannt gegeben werden.“
Mit dem Fall Nash kam die Forderung nach einer Reform dieser Regel wieder auf den Tisch. Winzige Spuren der verbotenen Substanz Capromorelin reichten für einen positiven Befund. Mario Thevis, der Leiter des Kölner Doping-Kontroll-Labors erläutert die Wirkung:
„Bei Capromorelin handelt es sich um einen Wirkstoff, der die körpereigene Wachstumshormon-Menge beeinflussen kann. Wenn man Capromorelinals zu sich nimmt, schüttet man mehr körpereigenes Wachstumshormon aus. Und das wiederum sorgt für einen erhöhten IGF-1 Blutspiegel, der in letzter Konsequenz Muskelzuwachs fördern kann.“
Dopingforscher Fedoruk: "Überraschend, welch geringe Menge zu positivem Test führt"
IGF-1 ist ein insulinähnlicher Wachstumsfaktor, der auch natürlich im Körper produziert wird. Katerina Nash gab an, sie habe ihrem Hund das Medikament verabreicht, das Capromorelin enthielt. Die 45-Jährige konnte entsprechende Rezepte für ihren kranken Hund vorlegen. Nash verabreichte das verschreibungspflichtige Medikament oral, dabei müsse sie sich kontaminiert haben. Die USADA startete eine sehr umfangreiche Untersuchung.
„Es gibt nicht viel wissenschaftliche Literatur über diese Substanz. Deshalb haben wir mit Professor Thevis im Kölner Labor und dem Kontroll-Labor in Los Angeles zusammengearbeitet," sagt Fedoruk. "Wir haben sowohl Oral- als auch Hautverabreichungsstudien durchgeführt, um zu versuchen, das für den positiven Test verantwortliche Szenario zu simulieren. Es war wirklich überraschend, mit welch´ geringer Medikamentenmenge ein positiver Test verursacht werden kann. Sowohl oral als auch über die Haut.“
Diese wissenschaftlichen Beweise reichten nach Meinung der USADA aus, um zu belegen, dass Nash keine Schuld an dem positiven Test trug. Auch Professor Mario Thevis glaubt: „Das wahrscheinlichere Szenario ist, dass man Kleinstmengen davon in irgendeiner Art und Weise ins Gesicht oder sogar in den Mund bekommen hat.“
Dopingforscher Thevis: Kontamination durch genauere Methoden wahrscheinlicher
Für den Leiter des Kölner Doping-Kontroll-Labors schafft die verbesserte Nachweisbarkeit von geringsten Mengen verbotener Substanzen auch Probleme:
„Durch die meiner Ansicht nach absolut erforderliche hohe analytische Sensitivität haben wir das Problem geschaffen, muss man sagen, dass immer kleinere Mengen gefunden werden können und damit auch Kontaminations-Szenarien immer häufiger mit in Betracht gezogen werden müssen."
Auch Matthew Fedoruk kennt die Vor- und Nachteile der eingesetzten hochempfindlichen Messmethoden: Ich denke, die Herausforderung für die Anti-Doping-Wissenschaft besteht darin, die Nachweismethoden weiter zu verbessern, um zwischen einer möglichen Umwelteinwirkung und Doping unterscheiden zu können, und dafür zu sorgen, dass wir diese Unterschiede verstehen.“