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Nation Building als Konzept

Tödliche Anschläge mit Granaten und Panzerfäusten auf amerikanische und britische Soldaten im Irak, ein Selbstmordanschlag auf deutsche Soldaten der ISAF-Sicherheitstruppe in Afghanistan. Die Gewalt in diesen Ländern hält Fragen nach dem Sinn und den Gefahren von Nation Building im öffentlichen Bewusstsein wach. Nation Building in Afghanistan, Nation Building im Irak. Das bedeutet: Funktionierende Staatswesen sollen auf den Ruinen dieser Länder aufgebaut werden. - Noch zu Beginn seiner Präsidentschaft lehnte der amerikanische Präsident George W. Bush Nation Building strikt ab. Der Balkan hatte gelehrt, dass Nation Building aufwendig, teuer und langwierig ist. Doch nach dem Sieg über das Taliban-Regime in Afghanistan vor eineinhalb Jahren wurde Nation Building zu einem kategorischen Imperativ der Bushadministration - wenn es sich denn in die amerikanischen Pläne einfügt.

Jele Pilar Weiskopf |
    Die radikale Neuordnung des Iraks unter US-Ägide ist bereits in vollem Gange. Mit messianischem Engagement und menschenrechtlicher Rhetorik soll der Irak, so Bush wörtlich, als "leuchtendes Beispiel der Freiheit" demokratisiert werden.

    Im Mai letzten Jahres stellte Außenminister Joschka Fischer auf der 3. Botschafterkonferenz folgende Überlegungen zu Nation Building an:

    Wir werden uns an den Gedanken gewöhnen müssen, dass NATION BUILDING auch in anderen Weltregionen uns künftig erheblich mehr an Aufmerksamkeit und Ressourcen abverlangen wird. Und zwar rechtzeitig und präventiv, sodass es erst gar nicht zum Einsatz militärischer Mittel kommen muss

    Der Krieg im Irak hat Fischers optimistische ordnungspolitische Strategie des Nation Building als Alternative zu militärischer Gewalt überholt. Im Gegenteil: Im Irak diente Nation Building der Legitimierung der militärischen Intervention. In einer programmatischen Rede Ende Februar legte der amerikanische Präsident seine Version des Nation Building vor.

    Die Vereinigten Staaten werden nicht die genaue Form der neuen irakischen Regierung bestimmen. Das bleibt den Irakern überlassen. Aber wir werden sicher stellen, dass nicht ein brutaler Diktator durch einen anderen ersetzt wird. Alle Iraker müssen eine Stimme in der neuen Regierung haben, und die Rechte aller Bürger müssen gewahrt werden. Der Wiederaufbau im Irak wird anhaltendes Engagement von vielen Nationen erfordern, unserer eingeschlossen. .

    Nation Building ist jedoch zur Legitimierung eines Krieges ebenso ungeeignet wie es als ordnungspolitische Strategie fragwürdig ist. Neben gelungenen Beispielen des Nation Building in Mocambique und Mazedonien gibt es abschreckende Exempel. Jochen Hippler, Politikwissenschaftler am Duisburger Institut für Entwicklung und Frieden, konstatiert,

    dass das brutale Regime von Saddam Hussein in der Frage von State Building und Nation Building extrem erfolgreich gewesen ist. Man hat aus einem schwachen System, einem System mit geringen Zusammenhalt in verschiedenen Bevölkerungsgruppen, aus einem schwächlichen Staatswesen ein sehr starkes, brutales, diktatorisches Staatswesen geformt. Das ist eine Form von NB, die ich persönlich abscheulich finde, die aber funktioniert hat.

    Die Frage ist, welcher Staat soll entstehen; welcher kann entstehen? Es ist unumstritten, dass in zerrütteten Ländern illegale Mafia- und Gewaltökonomien entstehen und Willkür und Terror herrschen. Failing states, scheiternde Staaten, sind existentiell von innen her bedroht. Gleichzeitig stellen sie eine Bedrohung des Friedens für die ganze Region dar - die bis zur Bedrohung des Weltfriedens reichen kann. Es besteht also Handlungsdruck für die Staatengemeinschaft, in Regionen privatisierter Gewalt und Rechtlosigkeit einzugreifen.

    Historische Erfahrungen zeugen von gewaltsamen Prozessen des Nation Building, sei es in Europa, sei es in Afrika oder jüngst auf dem Balkan. Jochen Hippler:

    Nationenbildung ist in den meisten Fällen keine idyllische Sache gewesen, ... Das Problem ist, dass in der europäischen Geschichte, und auch in der Geschichte außerhalb Europas, Prozesse von Nationenbildung und von Staatsbildung häufig erst mal schrecklich lange gedauert haben, manchmal Jahrhunderte von Jahren und häufig auch durch Phasen gegangen sind, die sehr blutig gewesen sind. Massaker, Kriege, Gewalt, Diktaturen.

    Aktuelles Beispiel: Der Irak, dem George Bush mit Waffen den Frieden bringen wollte. Doch zunächst regiert das Chaos. Erreicht ist bisher lediglich ein "kriegerischer Frieden", wie heute die Süddeutsche titelt. Der britische Außenminister Jack Straw hoffte für den Irak auf eine UN-Konferenz. Als Vorbild sollten die Afghanistan-Konferenzen auf dem Bonner Petersberg dienen. Dort wurde Afghanistan nach dem Sieg über das Taliban Regime im Dezember 2001 nationale Souveränität und territoriale Integrität zugesichert. Die UNO setzte eine Interimsregierung unter dem Paschtunen Hamed Karsei ein. Die Ausarbeitung einer neuen Verfassung für Afghanistan wurde beschlossen.

    Seitdem ist es gelungen, mit Hilfe der internationalen Schutztruppe ISAF die Regierung Karsei abzusichern und einen fragilen Frieden zumindest in Kabul aufrecht zu erhalten. Gleichwohl zählen viele Experten Afghanistan weiterhin zu den failed states.

    Professor Robert I. Rotberg von der Harvard University, charakterisiert failed states so:

    Failed states können keine Sicherheit für ihre Einwohner gewährleisten. Sie haben Defizite in der Bereitstellung und Verteilung öffentlicher Güter. Unzureichend sind in diesen Staaten die Durchsetzung des Rechts, die Gesundheitsfürsorge, Bildungschancen und Möglichkeiten wirtschaftlicher Entwicklung. Zu den derzeitigen ‚failed states' zählen Angola, Burundi, Kongo, Sierra Leone, Sudan und Afghanistan.

    In gescheiterten Staaten gibt es weder eine legitimierte noch eine faktische Staatsmacht, die die Bevölkerung im eigenen Land schützen und sie nach außen repräsentieren könnte. In Afghanistan verfügt die Regierung nicht über das Gewaltmonopol, wichtigstes Kennzeichen effektiver Staatsmacht. Das Auswärtige Amt zählt Afghanistan dennoch nicht zu den failed states. Dem stimmt Rangin Dadfar Spanta, Exil-Afghane, vom Institut für Politische Wissenschaft, an der TH Aachen nur bedingt zu:

    Aktuell versucht man in der Gesetzgebung im Prinzip, eine neue Verfassung für Afghanistan zu schreiben und diese Verfassung ... durch die Bevölkerung bestätigen zu lassen, die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit einigermaßen zu institutionalisieren. Der Staat will eine nationale Armee in Afghanistan gründen. Sicherheitsorgane sollten landesweit aufgebaut werden, und damit die Staat in die Lage versetzt wird, sein Gewaltmonopol auf dem Territorium Afghanistans durchzusetzen.

    Damit hat Dadfar Spanta wesentliche Elemente des reichhaltigen Repertoires von Nation Building benannt: Schaffung einer Verfassung/ demokratische Legitimierung der Regierung/ Förderung von Rechtsstaatlichkeit, zivilen Strukturen und Institutionen/ Aufbau eines staatlichen Gewaltmonopols und staatlicher Wohlfahrt/ Integration und angemessene Repräsentation ethnischer Minderheiten/ und Schutz vor Menschenrechtsverletzungen. Von all dem ist Afghanistan weit entfernt.

    Zunächst wurde die relativ liberale afghanische Verfassung vom 1964 provisorisch wieder hergestellt. In der neuen Verfassung sollen tradierte islamische und universelle Rechtsnormen verankert werden. Doch ist es zweifelhaft, ob es eine gemeinsame afghanische Identität überhaupt gibt, die Ausdruck in einer Verfassung finden könnte. Jochen Hippler fragt denn auch provokativ: Es gibt Paschtunen, Tadschiken, Usbeken, Hasarah und Turkmenen, aber gibt es auch Afghanen?

    Dadfar Spanta bejaht diese Frage, obwohl partikulare Machtinteressen das Land spalten und Afghanistan in die Gebiete der Kriegsherren zerfällt. Jochen Hippler formuliert prägnant: "Ohne Warlords keinen Frieden, mit ihnen keine Demokratie."

    Damit ist die Rechnung des Nation Building nicht aufgegangen: Entmachtung der rivalisierenden Warlords durch Integration in den Prozess der Staatsbildung. Dadfar Spanta.

    Das ist auch ein Dilemma von heutiger Machtelite in A. Dass die Macht dieser Menschen auf Kalaschnikow basiert..., nicht auf die Akzeptanz der Bevölkerung.

    Zudem fehlt jede demokratische Legitimierung. Indes ein pluralistisches, repräsentatives Staatswesen bedeutet Teilen der Macht und Privatisierung der Ressourcen. Ein zu früh einsetzender Verteilungskampf kann zu einer existentiellen Destabilisierung des Staates beitragen.

    Anderseits können demokratische Wahlen fundamentalistische Gruppen an die Macht bringen. Ausdruck einer Freiheit, die westliche Regierungen so nicht unterstützen wollen. Demokratische Traditionen, auf die man beim Nation Building aufbauen könnte, gibt es zumeist nicht. Und da ist es auch nicht vorteilhaft, dass, wie Dadfar Spanta betont, die traditionelle Stammesgesellschaft als dominante Struktur weitgehend zerstört ist. Wohl hat man durch die Einberufung der Loya Jirga, der traditionellen Ratsversammlung, versucht, an gewachsene Traditionen anzuknüpfen. Doch die Loya Jirga ist durchsetzt mit Warlords.

    Alle jetzigen Warlords, diese positive und negative Elite der afghanischen Gesellschaft, die sind entweder mit Hilfe des Auslands an der Macht gekommen, haben führende Positionen, oder haben sich von unten nach oben selbst hochgearbeitet. angesichts ihrer militärischen Talent, Organisationsfähigkeiten etc. während des afghanischen Widerstandes, beziehungsweise im Laufe des 23jährigen Krieges. Und die sind nicht mehr durch Erbschaft diese Funktion bekommen haben, sondern durch eigene Leistungen. Das heißt nicht, dass die demokratisch sind, aber auch jeden Fall, das ist nicht traditionell.

    So kann man die Stammesverbände in Afghanistan als Machtfaktoren auf dem Weg zur Demokratisierung kaum nutzen. Im Petersberger Abkommen sind freie Wahlen für Juni nächsten Jahres vorgesehen. Bislang freilich ist weder ein Parteien- noch ein Wahlgesetz verabschiedet worden.

    Verlässliche politische Rahmenbedingungen aber sind notwendig, um den Aufbau der zerstörten Wirtschaft zu unterstützen. In Afghanistan steht einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung die Kriegswirtschaft der Warlords entgegen: der illegale Waffen- und Drogenhandel blüht.

    Die Regionalfürsten erheben Zölle, unterhalten Milizen, lassen Recht sprechen und übernehmen in eigener Regie Aufgaben des Strafvollzugs und der Polizei. Gegen die Kriegsherren eine verantwortliche Finanz- und Wirtschaftspolitik sowie ein leistungsfähiges Steuersystem aufzubauen, scheint derzeit ebenso unmöglich wie mit ihnen zusammen. Die desolate innenpolitische Lage verdeckt zunächst die Frage nach den Konzeptionen für den Wirtschaftsaufbau. Georg Elwert, Professor am Institut für Ethnologie der Freien Universität Berlin erläutert:

    Man hat lange gesucht, was sind denn die wirklich relevanten Faktoren, die die Wirtschaftsentwicklung eines Landes erklären können. Die erste Annäherung war, dass man sagte, ja, es kommt auf die Bodenschätze an. Man braucht Erdöl, oder man braucht Erze. Dann hat man gemerkt, es gibt eine ganze Reihe von Staaten, die sich unabhängig davon entwickeln. Man hat dann einen noch wichtigeren Faktor entdeckt, nämlich das Wissen. Investition in Wissen.

    Einige Experten sehen als Voraussetzung für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung die Einführung von Rechtsstaatlichkeit. Ein sensibler Einschnitt im Gefüge der Macht, der erheblichen Widerstand bis hin zu Gewaltausbrüchen provozieren kann. Der UN-Sondergesandte für Afghanistan, Lakhdar Brahimi, wird in der Wochenzeitschrift die ZEIT, so zitiert:

    Wir können Frieden und Gerechtigkeit nicht immer gleichzeitig bekommen. Das ist die Realität. Es ist besser, Frieden zu haben und keine Gerechtigkeit, anstatt Gerechtigkeit um den Preis des Friedens.

    Darüber hinaus ist die Etablierung der Rechtsstaatsidee schwierig in Gesellschaften, die von einer islamischen Rechtskultur geprägt sind. Eine einheitliche Rechtsprechung, an die man anknüpfen könnte, gibt es in Afghanistan nicht.

    So befindet sich Karsei in einem Spannungsfeld zwischen religiösen und säkular motivierten gesellschaftlichen Kräften, zwischen rivalisierenden Warlords, einer neu erstarkenden Mudschaheddin-Armee und den Taliban, die sich in den an Pakistan grenzenden Ostprovinzen neu formieren. Kaum noch können die internationale Schutztruppe in Kabul und die Präsenz der amerikanischen Luftwaffenbasen in Kandaha, Bagram und in Pakistan ein offenes Aufflammen der Kämpfe verhindern. Der Aufbau eines loyalen Polizeiapparates und einer nationalen afghanischen Armee mit 70.000 Soldaten gestaltet sich schleppend..

    Bisher sind lediglich zwei Bataillone, das sind rund 700 Soldaten aufgestellt worden, 5 weitere Bataillone werden derzeit ausgebildet. Paschtunen, Usbeken und Hasaras sind unterrepräsentiert. In erster Linie rekrutiert sich die Armee aus Tadschiken aus dem Pandschirtal. Die aber sind in der Regierung bereits so einflussreich, dass sie ohnehin schon eine Provokation für die Paschtunen darstellen, der größten und früher einflussreichsten Ethnie. So drohe die Regierungsarmee, wie Michael Ignatieff in der New York Times schreibt, zu einer weiteren ethnischen Miliz zu verkommen, zudem eine vom amerikanischen Steuerzahler finanzierte.

    Bleibt also bis auf weiteres die Notwendigkeit einer militärischen Präsenz der Bündnispartner. Kofi Annan plädierte für eine Ausweitung des ISAF-Mandats über Kabul hinaus. Doch trotz grundsätzlicher Zustimmung seitens der USA und Europas hat der Irakkrieg und der dort geplante Aufbau neue Prioritäten gesetzt. Hamed Karsei warnte bei einem Besuch in Washington:

    Wenn die USA alles wieder uns überlässt, beginge sie die selben Fehler wie damals während der sowjetischen Besatzungszeit.

    Es ist aber der Irak mit seinen riesigen Ölfeldern, der die Begehrlichkeiten der Amerikaner weckt und ihre Nation Building Fantasien beflügelt. Dadfar Spanta warnt denn auch:

    Afghanistan sollte nicht allein und einzig als Brücke zur, zur, zur Rohölreserven Mittelasiens betrachtet werden. Wenn die internationale Politik sich allein auf diesen Bereich engagiert, Afghanistan wird als ein Unruhezentrum im Zentrum des Terrorismus weiterbleiben.

    Doch in der politischen Realität haben imperiale Ambitionen oft Priorität vor humanitären Erwägungen und politischen Engagement. "Nation Building light", so nennt es Michael Ignatieff und fügt hinzu:

    Die Erinnerung an Vietnam, Amerikas letztem groß angelegtem Versuch imperialen Staatenaufbaus, ist noch wach. Die Special Forces sind keine Sozialarbeiter. Sie sind eine Art imperialistische Einheit zur Durchsetzung amerikanischer Macht und Interessen in Zentralasien. Man mag es Friedensmission oder Wiederaufbauhilfe nennen.

    Oder Post-Conflict Strategien oder Nation Building. Zweifellos werden Staaten von Machtinteressen geleitet. Aber es wäre einseitig und falsch, sie darauf zu reduzieren. Machtinteressen, seien es ökonomische oder strategische, sind legitim - aber damit nicht zwangsläufig auch humanitär und kohärent.

    Geschätzte, eindrucksvolle 20 Milliarden US-Dollar werden für den Wiederaufbau in Afghanistan benötigt. Inoffizielle Protektorate würden so geschaffen, kritisiert Georg Elwert. Die Geberländer üben eine Macht aus, die weder demokratisch legitimiert noch kontrolliert ist. Der afghanische Finanzminister, Aschraf Ghani, beklagt im New York Time Magazine zudem die Arroganz dieser Macht: Bei vielen der über 350 Hilfsprojekte von internationalen Organisationen und NGOs werde die afghanische Übergangsregierung nicht mal konsultiert. Georg Elwert:

    Wenn über die Hälfte des Staatshaushaltes aus der Entwicklungshilfe kommt, dann muss man schon fragen, wer hat hier eigentlich auch die politische Macht? Wir versuchen in Mazedonien, im Kosovo, in Bosnien, in Afghanistan auch dahin zu kommen, dass dort die Gewalt keine alltägliche Drohung mehr ist. Damit übernehmen wir eine ganz wichtige Staatsaufgabe. Nebenbei schicken wir dann noch ein bisschen Entwicklungshilfe hin. Wir haben nie die Forderung gestellt, dass die dortigen Regierungen z.B. ein Bundesrechnungshof hätten, Der schaut, ob tatsächlich die Gelder auch sachgerecht verwendet werden. Wir haben nie gefragt, ob es eine Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt, die den Polizisten, die illegal privat für sich Straßenzölle ergeben auf die Finger haut. Auch hier haben wir also eine Protektoratssituation, die inoffiziell ist, die sich als solche nicht zu erkennen gibt.

    Doch ein Großteil des Geldes wird ohnehin nicht in Afghanistan, sondern in den Geberländern selbst ausgegeben. Eine Entwicklung, die sich jetzt auch im Irak bestätigt. Die amerikanische Agency for International Aid, USAid, vergibt Milliardenaufträge an US-Unternehmen. Zwischen Unternehmen, Hilfsorganisationen, UN-Behörden und NGOs ist deshalb ein offener Konkurrenzkampf ausgebrochen. Alle gemeinsam wiederum konkurrieren mit den nahezu chancenlosen einheimischen Organisationen und Unternehmen.

    So verschärfen die Geberländer oft den Mangel und provozieren neue Konflikte, ohne alte aufzulösen. Georg Elwert zieht kritische Bilanz

    Wir können feststellen, dass in den Ländern, in denen Entwicklungshilfe zu einer Gipfelhöhe gekommen ist, kurz danach das Land zusammengebrochen ist. Pro Kopf wurden für Afghanistan kurz vor dem Zusammenbruch mehr Geld ausgegeben, als für jedes andere Entwicklungsland gleichzeitig. Das Gleiche gilt für Ruanda vor dem Zusammenbruch, das gleiche gilt für Somalia vor dem Zusammenbruch. Das ist auffallend. Dort, wo am meisten Geld pro Kopf ausgegeben wurde, kam es kurz danach zum Zusammenbruch.

    So ist Nation Building, ein Teil von jener Kraft, die scheint's das Gute will und doch das Böse schafft? Teil der Kraft, die antritt, Staaten zu stabilisieren, dabei aber gleichzeitig ihre Fundamente untergräbt? - Geschliffene Standardantworten gibt es nicht. Anlas für vorauseilenden Optimismus ebenso wenig.