Die Bekämpfung der Corona-Pandemie ist kein Sprint, sondern ein Marathonlauf. Welche Länder sich dabei am Ende besonders gut schlagen werden, lässt sich heute noch nicht sagen, zumal neue Virusvarianten wie Omikron die Situation immer wieder verändern. Mit der Folge, dass Länder, deren Strategie anfangs erfolgreich schien, plötzlich ins Hintertreffen geraten können.
Wie sich die Corona-Strategien ausgewählter Länder bislang bewährt haben, nimmt Forschung aktuell in einer fünfteiligen Serie in den Fokus. Wie streng waren die Maßnahmen? Wie effektiv gelang es mit ihnen, die Virenverbreitung zu bremsen und die Zahl der Covid-Toten verringern? Ein Blick auf Australien.
Mit welcher Strategie hat Australien es versucht?
Australien hat - wie einige andere Länder auch - einen Sonderweg eingeschlagen: Zero-Covid. Australien hat schnell und konsequent die Grenzen geschlossen, parallel wurde das öffentliche Leben heruntergefahren. Alte und chronisch Kranke durften praktisch gar nicht aus dem Haus. Ausbrüche wurden mit einer effektiven Kontaktverfolgung und Quarantänemaßnahmen schnell beendet. Und wenn das nicht half, wurden ganze Städte in den Lockdown geschickt. Melbourne hält mit insgesamt 262 Tage – also mehr als acht Monate - den weltweiten Rekord.
Hat Zero-Covid in Australien funktioniert?
Ja es hat funktioniert. Bis zur Omikronwelle verzeichnete Australien bezogen auf die Bevölkerung nur gut ein Zehntel der Fälle wie Deutschland. Weltweit gehörte Australien zu den Ländern mit der niedrigsten Sterblichkeit. Das sind ganz klare Erfolge der Zero-Covid-Strategie. Ähnlich sieht es auch in Neuseeland aus und in Südkorea, die ebenfalls diesen Weg verfolgten. Das sind Inselstaaten, die können natürlich leichter die Grenzen schließen, aber auch einige kanadische Provinzen hatten mit diesem Ansatz erstmal Erfolg.
Welche Auswirkungen hatten die strengen Maßnahmen?
Diese Strategie kann nur funktionieren, wenn die Bevölkerung auch wirklich dahintersteht. Viele Menschen in Melbourne haben sehr unter der langen Vereinsamung gelitten.
Wirtschaftlich ist ein Lockdown erst einmal eine Katastrophe, aber auf längere Sicht kann er sich rechnen. In "The Lancet" haben Forscher eine Bilanz des ersten Coronajahres gezogen und Staaten mit einer Zero-Covid Strategie verglichen mit Ländern, die wie Deutschland nur versucht haben, die Intensivstationen nicht zu überlasten.
Überraschendes Fazit: Die Sterblichkeit lag nicht nur niedriger, auch die wirtschaftliche Entwicklung war besser, weil die Lockdowns zwar streng, aber meist nur für begrenzte Zeit und an begrenzten Orten notwendig waren. Die australische Regierung hat zudem viel Geld in die Hand genommen, um ärmere Bürger und generell Unternehmen durch die Krise zu bringen. New South Wales hat im November 2020 sogar Restaurant-Gutscheine verteilt.
Funktioniert die Zero-Covid-Strategie auch mit Omikron?
Klare Antwort: nein. Australien hat ganz offiziell die Zero-Covid Strategie beendet, die neue Devise lautet: „Let it rip“, lasst es durchrauschen. Die konservative Regierung sagt im Grunde: Jeder wird Omikron bekommen, die Folgen sind nicht so schlimm, also heben wir mehr oder weniger alle Beschränkungen auf. Jeder soll sich selbst um seine Gesundheit kümmern.
Entsprechend gehen die Infektionszahlen gerade durch die Decke, die Sieben-Tage-Inzidenz liegt um 3.500, viel höher als in Deutschland. Inzwischen gelten in Australien wieder eigene Beschränkungen, aber es gibt eine große Verunsicherung, Tests sind kaum zu bekommen, Regale sind leer. Außerdem macht nicht das ganz Land bei der Strategie-Kehrtwende mit. West-Australien hält an Zero-Covid fest und lässt keine Bürger aus anderen Landesteilen rein.
Wie sieht die Bilanz der Corona-Strategie in Australien aus?
Es war nicht nur eine Erfolgsgeschichte: Ausgerechnet die Quarantänehotels waren oft Ausgangspunkt von Ausbrüchen. Vor allem haben sich die Australier viel Zeit beim Impfen gelassen - ein bisschen nach dem Motto: "Wir haben das Virus ja nicht, da eilt es nicht." Das hat sich aber Mitte vergangenen Jahres gerächt, als es zu einem größeren Delta-Ausbruch in der Region Sydney kam und wieder ein strenger Lockdown nötig wurde. Das wirkte als Weckruf. Inzwischen hat Australien Deutschland bei den vollständigen Impfungen überholt. Allerdings liegt Deutschland beim Boostern deutlich vorne.
Unter dem Strich muss man sagen: Die Zero-Covid-Strategien waren – wo sie möglich waren - lange erfolgreich, schwierig ist aber der Umgang mit extrem infektiösen Varianten und vor allem der Weg zurück zur Normalität. Entscheidend ist da die Möglichkeit, die Einreise von Infizierten zu kontrollieren. Das wäre für das eng vernetzte Deutschland schwierig geworden.