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Corona-Strategien auf dem Prüfstand
Italien: Kurs der Vorsicht nach traumatischer erster Welle

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie haben Staaten unterschiedliche Wege gewählt. Wie haben sich die Strategien verschiedener Länder bislang bewährt? Wie effektiv konnte etwa die Virusausbreitung gebremst und die Zahl der Toten begrenzt werden? Zu Beginn unserer fünfteiligen Reihe schauen wir nach Italien.

Von Volkart Wildermuth |
Covid-19-Tote im Krankenhaus Ponte San Pietro Bergamo in der Provinz Bergamo zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020
Covid-19-Tote im Krankenhaus Ponte San Pietro Bergamo in der Provinz Bergamo zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 (imago/FOTOGRAMMA/Carlo Cozzoli)
Die Bekämpfung der Corona-Pandemie ist kein Sprint, sondern ein Marathonlauf. Welche Länder sich dabei am Ende besonders gut schlagen werden, lässt sich heute noch nicht sagen, zumal neue Virusvarianten wie Omikron die Situation immer wieder verändern. Mit der Folge, dass Länder, deren Strategie anfangs erfolgreich schien, plötzlich ins Hintertreffen geraten können.
Wie sich die Corona-Strategien ausgewählter Länder bislang bewährt haben, nimmt Forschung aktuell in dieser Woche exemplarisch in einer fünfteiligen Serie in den Fokus. Wie streng waren die Maßnahmen? Wie effektiv gelang es mit ihnen die Virenverbreitung zu bremsen und die Zahl der Covid-Toten verringern? Im ersten Teil der Reihe blicken wir auf Italien.


Wie stark war Italien bislang von der Pandemie betroffen?

Das Coronavirus kam vergleichsweise früh in Norditalien an und breitete sich dort rasch aus. Das Land hatte keine Chance, sich vorzubereiten. Entsprechend dramatisch waren die Auswirkungen. Als ein Ausgangspunkt für den Ausbruch in Italien gilt ein Fußballspiel, die Champions-League-Partie zwischen Atalanta Bergamo und dem FC Valencia am 19. Februar 2020 in Mailand.  Das Spiel wird als Superspreading-Ereignis bezeichnet. Die Details sind umstritten, allerdings haben sich Masseninfektionen immer wieder als Treiber der Pandemie herausgestellt.

Kumulative bestätigte COVID-19-Fälle pro Million Menschen

Grafik zeigt die Anzahl der Covid-19 Fälle in Deutschland, Italien, Indien, Südafrika, USA und Australien
Aufgrund begrenzter Tests ist die Zahl der bestätigten Fälle niedriger als die tatsächliche Zahl der Infektionen (Deutschlandradio / Andrea Kampmann)
Bergamo-Fans haben das Virus wohl in eine Region eingetragen, in der die medizinische Infrastruktur defizitär war. Es gab zu wenig Intensivbetten, die Kliniken waren schnell von der Zahl der Covid-19-Patienten überfordert. Die Folge: Schnell zählte Italien mehr Covid-Tote als China, das Ausgangsland der Pandemie. Die Bilder von Leichensäcken, die von Bergamo in andere Orte gebracht werden mussten, weil die Krematorien der Stadt nicht mehr ausreichten, gingen um die Welt.
Italien zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020: Menschenleeser Platz in der Stadt Neapel
Nach dem verheerenden Beginn der Corona-Pandemie verhängte die italienische Regierung unter anderem Ausgangssperren (imago/ZUMA Wire/Fabio Sasso)
Die Geschehnisse haben den Menschen und Regierungen in anderen europäischen Ländern die Augen dafür geöffnet, was die Pandemie konkret bedeutet. Die Auswirkungen der ersten Corona-Welle in Italien waren furchtbar, allerdings nicht im ganzen Land, sondern vor allem im Norden. Mehr als 30.000 Menschen starben in dieser ersten Infektionswelle in Italien an und mit Corona. Doch die Behörden reagierten auch schnell, riegelten im März 2020 die gesamte Region ab.

Wie hat Italien auf die Pandemie reagiert?

Überhaupt setzte Italien in der Pandemie-Bekämpfung sehr früh auf vergleichsweise besonders strikte Maßnahmen. Das zeigt ein Blick auf den COVID-19-Stringency-Index, der von der Universität in Oxford erstellt wird. Die Maßnahmen umfassten die Einstellung des Schulbetriebs, Schließungen von Geschäften und Unternehmen bis hin zu Ausgangssperren. An diesem Weg hielt Italien auch im weiteren Verlauf der Pandemie fest, Regierung und Behörden reagierten auf jede neue Welle eher schärfer als andere Länder.
Die schrecklichen Erfahrungen in der ersten Welle haben eine Kultur der Vorsicht im staatlichen Umgang mit Corona etabliert. Im Grunde ähnlich wie auch in Spanien und Portugal, die ebenfalls früh sehr stark von der Pandemie betroffen waren, mit überlasteten Kliniken und hohen Sterbezahlen konfrontiert waren und auf diese Situation ebenfalls mit scharfen Lockdowns reagierten.

Kumulative bestätigte COVID-19-Todesfälle pro Million Menschen

Grafik zeigt die Anzahl der Covid-19 Todesfälle in Deutschland, Italien, Indien, Südafrika, USA und Australien
Für einige Länder ist die Zahl der bestätigten Todesfälle viel niedriger als die tatsächliche Zahl der Todesfälle. Der Grund dafür sind begrenzte Tests und Schwierigkeiten bei der Zuordnung der Todesursache. (Deutschlandradio / Andrea Kampmann)
Als im Herbst 2020 auch in Italien die Infektionszahlen erneut wieder stark anstiegen, diesmal nicht nur im Norden, sondern im ganzen Land, zeigte sich die Wirkung der strengen Maßnahmen deutlich: Die Todeszahlen stiegen zwar ebenfalls wieder stark an, im Vergleich zu den hohen Infektionszahlen aber doch deutlich weniger als in anderen Ländern.

Wie verlief die Impfkampagne in Italien?


Nachdem Ende 2020 die ersten Corona-Vakzine in der Europäischen Union zugelassen worden waren, gab es wie in Deutschland auch in Italien zunächst nur wenig verfügbare Impfdosen. Entsprechend stieg die Impfquote nur langsam an. Mitte 2021 war etwa die Hälfte der Bevölkerung vollständig geimpft - wie in Deutschland auch. Danach aber ging es in Italien schneller voran. Möglicherweise weil dort, wie auch in Portugal, ein General das Impfprogramm organisierte.

Anteil der vollständig gegen COVID-19 geimpften Bevölkerung

Grafik zeigt die Anzahl der Covid-19 Impfungen in Deutschland, Italien, Indien, Südafrika, USA und Australien
Gesamtzahl der Personen, die alle im Erstimpfungsprotokoll vorgeschriebenen Dosen erhalten haben, geteilt durch die Gesamtbevölkerung des Landes. Anmerkung: Alternative Definitionen einer vollständigen Impfung, z. B. mit SARS-CoV-2 infiziert zu sein und eine Dosis eines 2-Dosen-Protokolls erhalten zu haben, werden ignoriert, um die Vergleichbarkeit zwischen den Ländern zu maximieren. (Deutschlandradio / Andrea Kampmann)
Ganz sicher aber, weil die Politik den Druck, sich impfen zu lassen, erhöhte. Im Oktober erließ Italien als erstes westliches Land eine 3G-Regelung für öffentliche und private Betriebe. Das heißt, jeder Arbeitnehmer, der nicht geimpft oder genesen ist, muss täglich einen negativ Coronatest vorweisen. Wenig später trat eine berufsbezogene Impfpflicht für Mediziner, Pflegekräfte, Lehrer, Polizisten und weitere Berufsgruppen in Kraft. Aktuell ist mehr als drei Viertel der italienischen Bevölkerung zwei Mal geimpft, rund 40 Prozent sind geboostert (Stand 17.01.2022).

Wie sieht die Bilanz der italienischen Corona-Strategie aus?

Nach der verheerenden ersten Corona-Welle hat Italien in der Pandemie einen sehr strikten Kurs verfolgt - mit deutlichen Folgen auch für die Wirtschaft und vor allem für die Staatsschulden. Trotz einschneidender Maßnahmen kam es im Land jedoch zu vergleichsweise vielen Coronainfektionen. Bislang waren etwa 13 Prozent der Bevölkerung bereits infiziert. Zum Vergleich: In Deutschland sind es zum gleichen Zeitpunkt nur neun Prozent (Stand 17.01.2022).
Auch starben mehr Italiener und Italienerinnen an und mit Corona als hierzulande: Laut Statistik gab es rund 140.000 Corona-Tote, das sind mehr als 2.300 pro einer Million Einwohner. Dieser Wert liegt zwei Drittel über dem entsprechenden Wert für Deutschland. Ein Unterschied, der sich auch in der Übersterblichkeit widerspiegelt: Experten geben diese für den Pandemiezeitraum für Italien mit 13 Prozent an, in Deutschland beträgt die Übersterblichkeit nur vier Prozent.
Trotz strikterer Einschränkungen hat die Corona-Pandemie in Italien schwerere Spuren hinterlassen als etwa in Deutschland. Die Gründe dafür lassen sich noch nicht abschließend benennen. Einer könnte das schlechter aufgestellte italienische Gesundheitssystem sein. So gibt es in Italien beispielsweise weniger als die Hälfte an Intensivbetten pro Kopf wie Deutschland.

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