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Nationale Kampagne gegen die EU-Verfassung

Kurz vor dem Referendum in Frankreich wächst die Zahl der Befürworter der EU-Verfassung. Derweil setzen die Gegner, in der ersten Reihe die Globalisierungskritiker der Organisation Attac, auf Prominenz. Gemeinsam mit Politikern aus der Führungsetage der französischen Sozialisten und namhaften Intellektuellen wollen sie am 29. Mai mit Nein stimmen. Margit Hillmann berichtet aus Frankreich.

    Eine Großveranstaltung in Paris. Ein Vertreter der 1998 in Frankreich gegründeten Organisation Attac wendet sich an die knapp dreitausend versammelten Mitglieder und Sympathisanten. Mit Pathos spricht er von einem Europa der Menschenrechte, der sozialen Gerechtigkeit und des Friedens, einem menschlichen Europa, einem Europa der Völker.

    Das Publikum ist begeistert. Genau so ein Europa wollen sie, die Männer und Frauen im Saal. Und deswegen werden sie beim französischen Referendum zur EU-Verfassung am 29. Mai mit Nein stimmen. Verkehrte Welt? Nein, nicht in Frankreich. Attac befindet sich mit dem Nein zur EU-Verfassung in politisch korrekter Gesellschaft: die größten französischen Gewerkschaften, die kommunistischen Parteien Frankreichs, viele namhafte Intellektuelle und Künstler des Landes und sogar Politiker aus der Führungsetage der französischen Sozialisten rufen ihre Landsleute auf, gegen die Europäische Verfassung zu stimmen.

    Sie vertreten die Meinung vieler Franzosen, sagen sie, - wollen sich und andere schützen vor einer undemokratischen und gefährlichen europäischen Verfassung.
    Bernard Cassens, Ehrenvorsitzender von Attac in Frankreich:

    "Es gibt zahlreiche Gründe, die europäische Verfassung abzulehnen. Ich könnte Ihnen 40 oder 50 nennen. Aber unsere Hauptkritik ist: Sollte die europäische Verfassung ratifiziert werden, würde für die nächsten 10, 20 oder 50 Jahre eine neoliberale Wirtschaftpolitik in Europa verfassungsrechtlich festgeschrieben."

    Ein beachtlicher Teil der französischen Linken sieht in dem europäischen Verfassungstext die Fortsetzung einer EU-Politik, die unter dem Diktat wirtschaftlicher Interessen, die sozialen Standards des Landes kontinuierlich aushöhlen würde. Die EU sei eine Gemeinschaft der steigenden Arbeitslosigkeit, des Lohndumpings, der sozialen Kälte, kurz der kapitalistischen Ausbeuter, kritisieren sie. Und hinter dem in der Verfassung formulierten Ziel einer gemeinsamen Außen- und Sicherheits-Politik vermutet Attac nichts weniger als eine kriegslüsterne Verteidigungspolitik im Namen Europas.

    So sieht es auch Gerold Schwarz. Als Abgesandter der deutschen Attac-Organisation soll er in den noch verbleibenden Wochen bis zum Referendum die französischen Freunde bei ihrer nationalen Kampagne für ein Nein unterstützen:

    "Für uns ist das französische Nein eine Möglichkeit aus der Defensive, in der wir die letzten Jahre waren – Stichwort Irakkrieg – endlich wieder in die Offensive zu kommen. Dass wir sagen: das ist nicht unsere Vorstellung von Europa. Die sieht eben nicht so aus, dass die Konkurrenz an allererster Stelle steht. Wenn man sich eine andere Gesellschaft vorstellt, eine solidarische, soziale, friedliche, kann man dann eben zum Verfassungsgegner werden."

    Während der Veranstaltung verteilen Attac-Mitglieder Flugblätter mit weiteren Argumenten für das Nein zur EU-Verfassung. So findet der Leser dort unter der Überschrift: "Frauenrechte und Gleichheit" eine Passage über Abtreibungsrecht und Verhütung. Diese Rechte, heißt es in dem Attac-Papier, seien durch die europäische Verfassung bedroht, weil nicht ausdrücklich erwähnt. Den gleichen Verdacht hegen sie in Sachen Scheidungsrecht und für die Rechte Homosexueller.

    Die Attac-Rechercheure finden in der Verfassung sogar Hinweise auf eine durch die Hintertür legalisierte Todesstrafe, in Kriegszeiten etwa. Die Frage aber, was passiert, wenn die europäische Verfassung an den Franzosen scheitert, wie soll es weitergehen, beunruhigt hier kaum jemanden. Im Gegenteil: Die Globalisierungskritiker bei Attac - und mit ihnen alle anderen EU-Verfassungsgegner der französischen Linken – setzen auf eine heilende Wirkung ihres Nein zur EU-Verfassung. Es eröffne die Gelegenheit, die EU-Verfassung neu zu verhandeln, die Aussicht auf eine zukunftweisende, modernere und sozialere europäische Konstitution. Und sie sind überzeugt, dass die Bevölkerung in den anderen Mitgliedsstaaten mehrheitlich diese Hoffnung teilt. Der französische Attac-Vorsitzende, Bernard Cassens:

    "Sollte Frankreich mit Nein stimmen, wäre das eine klare Absage an den Neoliberalismus. Und diese Absage fände große Unterstützung in vielen Ländern."