Wenn Menschen kurz nach einer Impfung krank werden, liegt die Frage nahe, ob die Krankheit eine direkte Folge der Impfung ist. So war es auch nach Einführung der Impfung gegen das Humane Papillomavirus, kurz HPV, in Dänemark, sagt Katharina Paul, Forscherin vom Institut für Soziologie der Universität Wien: "Es gab in Dänemark zum Beispiel sehr viele Bedenken seitens der Bevölkerung, weil Nebenwirkungen wie Chronic Fatigue, also ein chronischer Ermüdungszustand, aufgetreten sind."
Ob diese und eine ganze Reihe anderer Verdachtsmeldungen nach einer Impfung gegen den Auslöser von Gebärmutterhalskrebs begründet waren, haben dänische und schwedische Forscher untersucht. Sie konnten sich auf besonders gute Daten stützen, sagt Katharina Paul. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit der Bedeutung von Impfregistern weltweit – auch in Dänemark. "Dänemark hat ein ganz besonderes Impfregister, das zentral organisiert ist und wo nämlich – und das ist ganz wichtig! – Nebenwirkungen, die sozusagen individuell erlebt werden, mit klinischen Daten zusammengeführt werden können, das heißt mit elektronischen Patientenakten im Grunde, die dort bestehen."
Auf Mithilfe angewiesen
In Dänemark und Schweden hat jeder Einwohner eine Identifikationsnummer, die es Forschern ermöglicht, Daten zwischen dem Impfregister und einer elektronischen Krankenakte abzugleichen. Ein großer Vorteil: Sie konnten wirklich sämtliche Mädchen und jungen Frauen zwischen 10 und 17 Jahren in die Studie aufnehmen. Das Paul-Ehrlich-Institut, das in Deutschland für die Überwachung von Impfschäden zuständig ist, verwendet ein anderes System – denn ein Impfregister gibt es hierzulande nicht. In Deutschland sind die Behörden in weiten Teilen darauf angewiesen, dass Geimpfte, Ärztinnen, Apotheker und die Hersteller ihnen Verdachtsfälle melden. Um sie zu überprüfen, greifen sie dann auf Daten der Gesetzlichen Krankenversicherung GKV zurück.
Doch das hat Nachteile, sagt der Ulmer Virologieprofessor Thomas Mertens, der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission: "Bis die GKV-Daten zur Verfügung stehen, vergeht ja immer ein halbes Jahr größenordnungsmäßig. Das kann man gar nicht wesentlich beschleunigen. Und das ist natürlich eine relativ lange Zeit, außerdem sind natürlich die GKV-Daten – wie wir alle wissen – auch immer unvollständig. Sie sind also, wenn sie so wollen, natürlich als Stichprobe, auch als große Stichprobe geeignet und sinnvoll, aber sie sind a priori unvollständig. All das könnte man natürlich mit einem Impfregister besser machen." So wie in Dänemark und Schweden. Dort hat die Studie zu HPV herausgefunden, dass drei Erkrankungen bei den Geimpften etwas häufiger waren als bei Ungeimpften. Gezielte Nachforschungen ergaben dann aber, dass mit der HPV-Impfung kein Zusammenhang bestand.
Nicht nur Impfschäden bewerten, sondern auch -nutzen
Die Wiener Soziologin Katharina Paul sieht in einem Impfregister wie in Dänemark große Vorteile. "Diese Impfregister sind zentral organisiert. Sie sind zu einem großen Teil digital organisiert und sie erlauben, Nebenwirkungen und Wirksamkeit zu erforschen. Man kann leicht Daten von verschiedenen Stellen zusammenführen. Seien es jetzt Kinderärztinnen und Kinderärzte, die Nebenwirkungen beobachten, oder auch Patientinnen, Patienten selber, und man kann eben so ganz gut diese Daten vergleichen."
Impfregister liefern zudem Erkenntnisse darüber, wie gut einzelne Impfungen schützen. Und: "Diese Datensätze sind von enormer Wichtigkeit. Nicht nur für die öffentliche Gesundheit, sondern eben auch für die Forschung, für die epidemiologische Forschung, sogar auch für die sozialwissenschaftliche Forschung. Denn wir können mit Impfregister auch beobachten: Wer lässt sich impfen, wer nicht? Warum ist das so? Wo sind auch Impflücken, die es zu schließen gilt, zum Beispiel."
Datenschutz wäre kein Hindernis
Große Datenmengen, die zudem noch sensible Informationen aus vielfältigen Quellen verknüpfen – das kann problematisch werden. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber sagte unlängst in einem Interview, so ein Register könne man datenschutzkonform gestalten. Auch Katharina Paul sieht eher die Chancen als die Risiken. Denn es gehe auf keinen Fall darum, gläserne Patientinnen und Patienten zu schaffen. "Es geht um eine gläserne Pharmaindustrie. Es geht ja darum, auch Impfstoffe gut beleuchten zu können und die Wirksamkeit gut erproben zu können. Zugleich geht es auch um ein gläsernes Impfsystem überhaupt. Und zuletzt gibt es natürlich auch mehr Transparenz auf der Seite des Staates. Wie gut funktioniert das Impfsystem eigentlich? Wir können damit die Impfraten gut messen und damit auch einfach Politik gut evaluieren."
Für die aktuelle Corona-Impfkampagne in Deutschland käme ein Impfregister zu spät. Und wie es an das föderale System der Bundesrepublik angepasst werden könnte, steht noch auf einem ganz anderen Blatt.