Start am südlichen Nationalparktor in Otzenhausen, Saarland. Ein paar Schritte auf dem Saar-Hunsrück-Steig hinein ins sonnendurchflutete lichte Grün reichen, da nickt Peter Sound anerkennend. "Ein guter Wald", sagt der Biologe mit Blick auf hundert Jahre alte Buchen:
"Dazwischen auch ein paar tote Bäume, die umgefallen sind, dann hat man praktisch die gesamten Altersstufen, Zerfallsstufen. Hier auch noch ein paar Fichten, die sehr gut sind. Da sehen Sie dahinten noch einen großen Baum, der steht und tot ist, wunderbar, da können sich die Pilze entwickeln. Dieses tote Holz ist eine Zerfallserscheinung, die brauchen wir, weil sich darin Pilze entwickeln. Und die Pilze brauchen die lebenden Bäume, um sich besser zu entwickeln. Und insofern ist das schöner naturnaher Wald."
Holzlagerung im Wald ist verboten
Eine der Keimzelle des neuen Nationalparks, so dessen Leiter Harald Egidi:
"Wir sind hier in einem Entwicklungsnationalpark, weil wir halt nicht überall schon diese Naturwald-Situation haben: Nach spätestens dreißig Jahren werden wir auf dann mindestens 75 Prozent der Fläche Nutzungsfreiheit haben."
Nutzungsfreiheit heißt: Keine Holzernte, keine Lagerung im Wald, wie sie die Sägeindustrie gern für die Just-in-time-Verarbeitung hätte. Diese Beschränkungen sind Hauptgründe, warum die Holzwirtschaft und die Christdemokraten auf der rheinland-pfälzischen Seite bis zuletzt gegen das Großschutzgebiet kämpften. Allerdings ist Hunsrück-Hochwald der einzige deutsche Nationalpark, aus dem Bewohner der umliegenden Dörfer Brennholz holen dürfen.
"Und damit haben wir eine Forderung wahr gemacht, die die Bevölkerung hatte. Das war ihre größte Sorge: Borkenkäfer, überhöhte Wildbestände und eben Brennholz, das war die größte Sorge", sagt Claus-Andreas Lessander, zuständig fürs Brennholzkonzept. Die einschlägigen internationalen Richtlinien besagen, dass Nationalparks neben dem Naturschutz auch anderen Zielen dienen, wie der Versorgung der - Zitat - "indigenen Bevölkerung".
Brennholzsammeln in speziellen Zonen erlaubt
Was im Amazonaswald peruanische Indianerstämme dürfen, folgerte Lessander, kann man den Bewohnern alter Hunsrück-Dörfer wie Neuhütten in Rheinland-Pfalz nicht verwehren. Das Brennholzsammeln ist ihnen nur in der so genannte Pflegezone und nur zur Eigenversorgung erlaubt, der Weiterverkauf strikt verboten. Der Hunsrück-Hochwald-Knigge – insgesamt eher liberal:
"Ich hab' gedacht, hier gilt das Wegegebot?!"
In Deutschlands ältestem Nationalpark Bayerischer Wald gilt das Gebot, auf den markierten Wegen zu bleiben, für 40 Prozent der Fläche. Im Hunsrück-Hochwald setzt man allein auf Besucherlenkung, so Nationalpark-Leiter Egidi:
"Wir wissen natürlich, wo bestimmte, sehr störungsanfällige Arten sind, zum Beispiel der Schwarzstorch, und das sind dann die Bereiche, wo wir sagen, hier versuchen wir nicht, neue Wege hineinzulegen, sondern im Gegenteil, hier werden wir das Wegesystem ausdünnen, Umleitungen auch machen, dass wir hier den strengen naturschutzfachlichen Anforderungen entsprechen können. Die Wegeführung werden wir auch so gestalten, dass alle interessanten Punkte, seien es schöne alte Waldbereiche, seien es Felspartien und Moore, auch über das Wegesystem erlebbar werden."
Reiz durch Gegensätze
"Bergmolch hier: zwei Stück! Der hat so'n blaugrauen Rücken, an der Seite so Punkte, und wenn man den umdrehen könnte, ist der knallrot – also das ist ein Männchen."
In einem hoch gelegenen Sumpfwald-Teich hat Peter Sound, Naturschutz-Referent der SPD- Landtagsfraktion, die Bergmolche entdeckt. Ein paar Kilometer weiter tummeln sich Wärme liebende Echsen auf trocken-heißen Blockschutthalden. Diese Gegensätzlichkeit macht den Reiz des neuen Nationalparks aus. Im strukturschwachen Hunsrück hofft man, dass viele naturhungrige Wandertouristen hier auf Entdeckungsreise gehen. Bald blühen Arnika und Orchideen auf den Waldwiesen.