Nationalratswahl 2019
ÖVP ist klarer Sieger in Österreich

Die konservative ÖVP unter Sebastian Kurz hat die Wahl in Österreich deutlich gewonnen. Spannen ist die Frage nach möglichen Koalitionen. Rechnerisch kann der Ex-Kanzler ein Bündnis mit den erstarkten Grünen schmieden, aber auch mit der SPÖ oder erneut mit der rechten FPÖ.

    Nach dem Wahlsieg bei den österreichischen Nationalratswahlen bedankt sich Sebastian Kurz bei seinen Wählerinnen und Wählern.
    Nach dem Wahlsieg bei den österreichischen Nationalratswahlen bedankt sich Sebastian Kurz bei seinen Wählerinnen und Wählern. (Imago / Omar Marques)
    ÖVP-Chef Kurz (*) sagte am Sonntagabend im ORF, er werde auf alle im Parlament vertretenen Parteien zugehen. "Ich werde mir jeden Schritt sehr gut überlegen", betonte er in einer Runde der Spitzenkandidaten.
    Die ÖVP ist nach Hochrechnungen großer Sieger der Wahl mit 37,1 Prozent der Stimmen - einem Plus von 5,6 Prozentpunkten im Vergleich zu Nationalratswahl 2017. SPÖ und FPÖ sind dagegen deutlich abgesackt. Zulegen konnten dagegen die Grünen.
    ÖVP hat Koalitionsoptionen rechts und links der Mitte
    Sie erreichten 14 Prozent und schafften damit nicht nur den Wiedereinzug ins Parlament. Angesichts des starken Wahlergebnisses wäre ein Bündnis von ÖVP und Grünen denkbar. Die SPÖ sackte hingegen auf ein historisches Tief.
    Gewinne für die Grünen, Verluste für FPÖ
    Grünen-Chef Werner Kogler hielt sich jedoch zunächst bedeckt. Die Grünen seien gesprächsbereit, aber wirkliche Koalitionsverhandlungen ergäben nur Sinn, wenn sich die ÖVP bei den Themen Korruptionsbekämpfung, Kinderarmut und Klimaschutz bewege. Es werde keine Koalition um jeden Preis geben, betonte er.
    Othmar Karas, ÖVP, in einem Café in Wien
    Karas: "Ganz wichtiges Signal an Europa"
    Der ÖVP-Politiker Othmar Karas, Vizepräsident des Europaparlaments, hat den Ausgang der Wahl in Österreich als Erfolg für die proeuropäischen und integrationsfreundlichen Parteien bezeichnet. Die FPÖ sei für ihren europakritischen Kurs abgestraft worden, sagte Karas.
    Der FPÖ-Chef Norbert Hofer betonte aufgrund des Wahldebakels den neuen Kurs seiner Partei, nicht unbedingt eine Regierungsbeteiligung anzustreben. Der Wahlausgang sei "kein Auftrag zu einem progressiven Eintritt in Koalitionsgespräche", sagte Hofer.
    FPÖ und die Nähe zur extremen Rechten
    Die FPÖ geriet kurz vor der Wahl wegen der Nähe zur Identitären Bewegung unter Druck. Laut der Boulevardzeitung "Österreich" soll Reinhard Teufel, früherer Kabinettschef im Innenministerium von Herbert Kickl, häufiger in Kontakt mit dem Chef der rechtsextremen Identitären Bewegung gestanden haben.
    Ein Wahlplakat mit dem Konterfei von Norbert Hofer (FPÖ) und dem Slogan "Fair. Sozial. Heimattreu" steht an einer Straße. Am 29. September wird in Österreich der Nationalrat gewählt.
    FPÖ-Hochburg in Kärnten
    In der Gemeinde Deutsch-Griffen haben 53,8 Prozent der Bewohner bei der letzten Nationalratswahl die FPÖ gewählt – einmalig in Österreich.



    FPÖ-Expertenkomission Andreas Mölzer, Christian Hafenecker und Wilhelm Brauneder, Michael Wladika (v.l) anlässlich  der Präsentation des Berichtes der FPÖ-Historikerkommission.
    Rechtsextremismus: Ein Problem mit Tradition?
    Wie die rechtspopulistische FPÖ mit dem Nationalsozialismus verbandelt ist, das sollte in diesem Sommer ein Historikerbericht offenlegen. Doch viele Experten sind enttäuscht – zu oberflächlich sei die Analyse, zu eng die Untersuchung.

    Proteste in Wien: "Nie wieder Schwarz-Blau"
    Am Wochenende vor der Wahl gingen in Wien rund 8.000 Menschen auf die Straße, um gegen eine Wiederauflage des Bündnisses von ÖVP und FPÖ zu demonstrieren. "Nie wieder Schwarz-Blau" stand auf einem Spruchband der Demonstranten. Sie warfen der ÖVP und FPÖ Rassismus, Sozialabbau und Klimazerstörung vor.
    Auszug aus einem Videobericht der Zeitung Der Standard. Der Screenshot zeigt die Spitze des Demonstrationszugs mit der Spruchband "Nie wieder Schwarz-Blau." 
    Stück für Stück nach rechts
    Die FPÖ werden sich noch weiter nach rechts lehnen, meint der Politikwissenschaftler Anton Pelinka. Zumal Ex-Kanzler Kurz keine Inhalte habe.



    Demonstration gegen Schwarz-Blau Gemeinsam gegen Rechtsruck, Rassismus und Sozialabbau".
    Gemeinsam gegen den Rechtsruck
    Eine unabhängige Online-Denkfabrik will mit fundierten Recherchen zu einer gerechten Gesellschaft die liberale Öffentlichkeit in Österreich stärken.



    Ibiza-Affäre und zerstörte Festplatten
    Auslöser für die vorgezogenen Nationalratswahl war das von "Spiegel" und "Süddeutsche Zeitung" veröffentlichte Ibiza-Video von 2017, mit dem damaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Die Ibiza-Affäre um den Ex-FPÖ-Parteichef Strache löste in Österreich ein politisches Beben aus und sprengte die Koalition aus FPÖ und ÖVP. Als Folge stürzte am 27. Mai in Österreich die Regierung von Sebastian Kurz über ein Misstrauensvotum der Opposition. Auch der damalige Kanzler Kurz geriet in die Schlagzeilen, weil ein Mitarbeiter vor dem drohenden Sturz der Regierung fünf Festplatten aus dem Kanzleramt zerstört haben soll.
    Übergangsregierung unter Kanzlerin Bierlein
    Seit dem Bruch der rechtskonservativen Koalition regierte eine aus hohen Beamten unter der Führung von Kanzlerin Brigitte Bierlein. Im Parlament gibt es dadurch keine feste Koalition, die Parteien treffen derzeit viele Entscheidungen mit wechselnden Bündnissen.
    *Anmerkung der Redaktion: Wir haben die zuvor falsche Parteizuordung für Sebastian Kurz korrigiert.