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Native Advertising
Umstrittenes Werbeformat im redaktionellen Gewand

Im Internet haben es Verlage mit Werbung inzwischen schwer. Die klassische Form funktioniert hier kaum noch, weil viele Verbraucher mit Ad-Blockern die Werbung ausblenden. Deswegen probieren einige Verlage inzwischen Native Advertising aus - Werbung im redaktionellen Gewand. Für Verbraucher ein Risiko.

Von Daniel Bouhs |
    Wenn sich der Hamburger Kommunikationswissenschaftler Stephan Weichert vorstellen möchte, wie sich die Medien hierzulande entwickeln werden, dann wirft er einen Blick Richtung USA. Dort, beim Trend-Setter auch für Internet-Angebote, tut sich etwas: US-amerikanische Medien etablieren eine neue Werbeform, eine unauffällige.
    "Der Blick nach Amerika zeigt: Es scheint eine der wenigen Möglichkeiten zu sein, im Journalismus noch über Werbung Geld zu verdienen - denn die klassische Werbung wird zunehmend obsolet."
    Auch, weil Werbung Nutzer nervt, wenn sie sich in großen blinkenden Bannern über die eigentlichen Internetseiten legen. Viele Verbraucher blenden Werbung deshalb aus. Dafür genügen ein paar Mausklicks - und schon ist ein sogenannter Ad-Blocker im Browser installiert. Das Problem: Den Verlagen entgeht damit viel Geld.
    Manche Verlage bieten ihren Werbekunden deshalb an, Anzeigen zu platzieren die gar nicht danach aussehen. Werbekunden kaufen sich einen Platz zwischen den Geschichten der Journalisten und erzählen selbst welche - quasi legalisierte Schleichwerbung.
    "Das wird vielleicht sogar das Thema sein der nächsten Jahre, über das man reden muss, weil hier die Beeinflussung durch Industrie beispielsweise – oder vielleicht sogar durch Politik eben – noch größer wird und damit das Risiko, der Unabhängigkeit des Journalismus einfach besteht," mahnt Weichert.
    Die Internet-Szene hat das neue Werbeformat "Native Advertising" getauft. Hierzulande ist das noch so neu, dass es beim Bundesverband der Verbraucherzentralen heißt: Damit haben wir uns noch nicht beschäftigt.
    Für Verbraucher ein Risiko
    Dabei ist das Prinzip "Native Advertising" für Verbraucher ein Risiko: Werbung wird ja gerade deshalb in das Layout der Redaktion eingefügt, damit Leser die Botschaften der Unternehmen möglichst gerne lesen, die sich dafür als Journalismus tarnen.
    "Also ‚Native' ist natürlich dann besonders gut – aus der Sicht des Werbetreibenden – wenn's zum Publikum der jeweiligen Plattform passt. Da wird's bei uns jemanden im Team geben der entsprechend da bei der Konzeption Ratschläge gibt," sagt dann auch Sebastian Horn.
    Er leitet das Portal "Ze.tt", die junge Schwester von "Zeit Online". Noch läuft auf "Ze.tt" nur klassische Werbung. Horn will sich aber schon bald in die Grauzone "Native Advertising" vorwagen. Er verspricht:
    "Die Werbetreibenden haben da die Möglichkeit, mit Text und Bild und Video auf unserer Seite Geschichten zu erzählen. Das wandert aber dadurch nicht ins Redaktionelle hinein sozusagen, sondern es ist natürlich klar als ‚Native Ad' gekennzeichnet."
    Wie genau "Ze.tt" deutlich machen will, dass hier Unternehmen Geschichten erzählen und nicht Journalisten - daran arbeitet Horn noch. Anderorts hat Native Advertising bereits Einzug gehalten: Bei "Bento", dem jungen "Spiegel Online".
    Ein Artikel auf "Bento" erzählte dem Leser "Den Weg zum perfekten Winter-Foto". Verfasst wurde der Text - das steht dort immerhin tatsächlich sehr deutlich - "im Auftrag und mit Unterstützung" einer Firma, die Fotoapparate herstellt.
    Kritik aus dem Netz
    "Bento" zeigt auch ein Logo des Konzerns und schreibt drüber "Sponsored Post", also "Gesponserter Eintrag". Ist das eindeutig? Auf Twitter diskutieren erste Nutzer:
    "Was spricht eigentlich gegen die Wörter ‚Anzeige' oder ‚Werbung'?"
    "Was dagegen spricht? Man erkennt, dass es Werbung ist. Nicht gewollt."
    "Man setzt offenbar darauf, dass es gerade Jüngere nicht checken."
    Ein Mitarbeiter des "Spiegel"-Verlags ergänzte:
    "Wir haben uns für dieses Wording entschieden, weil es im Social-Media-Umfeld gelernt ist. Es ist die erste Werbeform dieser Art, wir nehmen die Kritik ernst und diskutieren das."
    Native Advertising ist eben nicht nur ein neues, sondern auch heikles Modell – Werbung, die sich geschickt in den redaktionellen Teil der Internet-Seiten einschleicht. Verbrauchern hilft im Zweifel nur eines: ein besonders kritischer Blick.