Die USA und ihre NATO-Partner haben am 14. April das Ende ihres annähernd 20 Jahre andauernden Afghanistan-Einsatzes angekündigt. Bis spätestens zum 11. September 2021 soll der Truppen-Abzug abgeschlossen sein. Die Soldaten der Bundeswehr sollen möglichst bis zum 4. Juli nach Deutschland zurückgeholt werden.
Reinhard Erös von der Kinderhilfe Afghanistan geht davon aus, dass die Teile des Landes, die er kennt, durch den Abzug sicherer werden. Das größte Sicherheitsrisiko in den vergangenen Jahren seien bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den USA und den Taliban beziehungsweise den IS-Kämpfern gewesen. Die Kinderhilfe Afghanistan arbeitet im Osten des Landes, im "Hotspot der Taliban", wie Erös sagt und betreibt dort Krankenhäuser, Waisenhäuser und Ausbildungszentren, darunter 30 Schulen.
Erös: Man muss mit Taliban reden
Die Kinderhilfe habe seit dem Start im Jahr 2002 alle Projekte mit den Religiösen, und das seien in gewisser Weise die Taliban, abgesprochen. Wenn Projekten zugestimmt worden sei, dann habe man sie durchgeführt und wenn Projekte abgelehnt worden seien, dann habe man sie nicht durchgeführt. In den fast 20 Jahren Arbeit der Organisation habe man keinen einzigen Angriff durch Taliban-Kämpfer erlebt. Man habe ungestört arbeiten können.
Mit den Taliban-Strukturen zu reden sei richtig. Schon allein deshalb, weil diese nun mal an der Macht seien. Man müsse aber zudem auch wahrnehmen, dass es inzwischen eine "neue Generation der Taliban" gebe, die Nutzung von Computern und anderen Informationsmedien habe in den vergangenen 20 Jahren deutlich zugenommen, der Wandel im Land sei rasant. Während des Taliban-Regimes von 1994 bis 2001 sei es beispielsweise tatsächlich so gewesen, dass Frauen sich nicht außerhalb des eigenen Hauses aufhalten sollten und keinen Beruf ausüben durften. Heute gingen hingegen 60 Prozent der Mädchen zur Schule. Dieser Wandel werde in den westlichen Medien kaum abgebildet.
Die deutsche Entwicklungshilfe und andere Initiativen hätten mit dafür gesorgt, dass es vorwärts gehe in Afghanistan, die weitere Entwicklung des Landes sei aber "Sache der Afghanen". Man solle das Land im Bereich der Entwicklungshilfe weiter unterstützen – 40 Prozent der Menschen seien chronisch unterernährt –, aber nicht militärisch eingreifen. Von Afghanistan gehe keine Bedrohung für westliche Länder aus und solange das so sei, solle man sich in Machtfragen des Landes nicht einmischen. Es sei Sache der Afghanen, ob dort dann eine säkulare Demokratie nach westlicher Vorstellung entstehe oder sich das Land als islamische Republik – die es vom Namen her sei – entwickle.