Die Bundeswehr soll jetzt länger in Afghanistan bleiben. Die Bundesregierung entscheidet am 24.2. über eine Mandatsverlängerung des Einsatzes in Afghanistan. Eigentlich sollte der Einsatz der Bundeswehr zu Ende gehen. Doch da ein Abzug der USA und der anderen NATO-Partner zu diesem Datum immer unwahrscheinlicher wird, trifft auch die Bundesregierung Vorkehrungen für den Verbleib. Die Taliban hatten indes mit neuer Gewalt gedroht, sollten die internationalen Truppen nicht zum 30. April abziehen.
Der Friedens- und Konfliktforscher Conrad Schetter von der Universität Bonn sprach im Dlf von einem Dilemma. "Die Politik wird zu Entscheidungen getrieben, aufgrund einer Tatsache, dass man in den letzten Monaten und Jahren die Weichenstellung falsch gestellt hat."
Der Abzug der Truppen im Frühjahr sei mit den Taliban ausgehandelt worden. Diese hätten aber in den letzten Monaten die Angriffe auf afghanische Ziele wieder intensiviert. Man habe jetzt eine afghanische Regierung, "die buchstäblich vor einem Scherbenhaufen steht."
"Die NATO traut den Kapazitäten der afghanischen Regierung und auch der afghanischen Armee nicht." Ein weiteres Problem seien die USA, meint Schetter. Der ehemalige US-Präsident Trump habe ein Friedensabkommen mit den Taliban vereinbart – aber ohne die Beteiligung der afghanischen Regierung. Einen echten Friedensprozess habe es somit nicht gegeben. Man habe deshalb in den letzten Monaten nur eine Eskalation des Konflikts beobachten können.
Schlechte Evaluation in Deutschland
Schetter kritisiert auch, dass es in Deutschland bisher keine richtige Evaluierung des Afghanistan-Engagements gegeben habe, "aus der Sorge davor, dass dann wirklich so viele Ungereimtheiten auf den Tisch kommen, die von allen Ministerien bisher nicht angegangen wurden."
"Man hat da Milliarden reingesteckt und vergleichsweise wenig erhalten. Aus der Konfliktspirale hat man das Land nicht herausgeholt". Nach 20 Jahren sei deshalb das Fazit: "Man hat in dieser Intervention eigentlich versagt."
Zu große Versprechen an die Bevölkerung
Zu Beginn der Intervention habe man große Versprechen gegeben, – unter anderem Demokratie und Wohlstand. "Man hat Erwartungen aufgebaut und an denen konnte man an sich nur scheitern", meint Schetter. Der Einsatz in Afghanistan sei vor allem daran gescheitert, dass die internationale Gemeinschaft seine Ideen dem Land übergestülpt habe. Die Taliban hingegen habe vor allem die ländliche Bevölkerung erreicht, mit einem Angebot, "das deren gesellschaftlichen Bild entsprach".
"Man kann es nicht wagen, diese afghanische Regierung allein zu lassen"
Zudem habe man den zeitlichen Aspekt unterschätzt, kritisiert Schetter. "Ein Land wie Afghanistan braucht Generationen, um auf die Füße zu kommen". Deshalb meint der Konflikt- und Friedensforscher: "Man kann eigentlich nicht rausgehen. Man kann es nicht wagen, diese afghanische Regierung mit all ihrer Korruption, Vetternwirtschaft, allein zu lassen und dann wieder vor einem Scherbenhaufen zu stehen und die Taliban wieder die Macht übernehmen. Das kann nicht funktionieren."
Bei einer Verlängerung des Einsatzes sei aber auch klar, dass die Gewalt wieder eskalieren werde. "Was Not tut ist ein echter Friedensprozess", sagt Schetter. Auf verschiedenen Ebenen müssten die afghanische Bevölkerung, die afghanischen Entscheidungsträger und die verschiedenen afghanischen Parteien an einen Tisch gebracht werden.