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NATO in Osteuropa
"Wir brauchen im Augenblick keine militärische Antwort"

Angesichts der Ukraine-Krise hat NATO-Oberkommandeur Philip M. Breedlove eine dauerhafte Stationierung von Soldaten in Osteuropa angeregt. Beim CSU-Politiker Hans-Peter Uhl stößt der Vorschlag auf Ablehnung. "Eine Truppenstationierung im Nachbarland entwaffnet keine marodierenden Banden", sagte Uhl im Deutschlandfunk.

    NATO-Oberkommandeur Philip M. Breedlove bezeichnete die Militärpräsenz als "etwas, was wir in Betracht ziehen müssen". Diese Entscheidung, so Breedlove, müsse aber von den Nato-Staats- und Regierungschefs beim nächsten Gipfel im September getroffen werden.
    Der CSU-Außenpolitiker Hans-Peter Uhl kritisierte den Vorstoß. "Dieser Vorschlag ist keine Antwort", sagte Uhl im Deutschlandfunk. Die Idee habe eher einen symbolischen Wert.
    Ferner betonte Uhl, dass Russland derzeit kein Interesse an einer Lösung des Konflikts habe. Präsident Wladimir Putin sei derzeit "mehr Störer als Partner" von Europa und der NATO. Er spricht sich aber gegen ein militärisches Signal aus, denn gegen marodierende Banden in der Ukraine nütze eine symbolische Stationierungin den Nachbarstaaten nicht.

    Das Interview mit Hans-Peter Uhl in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: In der Ukraine stehen die Zeichen weiter auf Gewalt. Vor allem das umstrittene Referendum im Großraum Donezk sorgt für Unruhe. Dabei wollen die prorussischen Kräfte die Region für unabhängig erklären. Polizei und Armee scheinen, die Kontrolle vor allen Dingen im Osten des Landes immer mehr zu verlieren. Im ganzen Land dagegen macht sich vor allem Unsicherheit breit.
    Welche Möglichkeiten gibt es noch für das übrige Europa, einen Bürgerkrieg in der Ukraine abzuwenden und auch einen militärischen Konflikt mit Russland? Das versucht derzeit die OSZE zu ergründen, unter anderem mit ihrer Beobachtermission im Land selbst. Außerdem ist heute der OSZE-Vorsitzende Didier Burkhalter zu Besuch in Moskau eingetroffen. Wir haben gerade schon von ihm gehört im Beitrag von Sabine Adler. Burkhalter trifft dort in Moskau auch Wladimir Putin.
    Auch die Nato fühlt sich durch den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland offenbar zunehmend herausgefordert. Der oberste Nato-Kommandeur hat jetzt einen Gedanken aufgegriffen, der in den vergangenen Wochen schon häufiger ventiliert wurde. Demnach sollte die Allianz dauerhaft Truppen in Osteuropa stationieren, als eine Art Signal in Richtung Russland. Zusätzliche und dauerhafte NATO-Truppenstationierung also in Osteuropa, das sind die Pläne des obersten Nato-Kommandeurs.
    Am Telefon ist jetzt Hans-Peter Uhl von der CSU. Er sitzt für seine Fraktion im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages und hat die aktuelle Sitzung jetzt kurz für uns verlassen. Schönen guten Tag, Herr Uhl!
    Hans-Peter Uhl: Ja! Grüß Sie Gott, Herr Armbrüster.
    Vorschlag der NATO ist keine Antwort für die Ukraine
    Armbrüster: Herr Uhl, was halten Sie von diesen NATO-Plänen?
    Uhl: Wir haben natürlich heute Früh im Auswärtigen Ausschuss die aktuelle Lage in der Ukraine intensiv besprochen und dabei insbesondere den Umstand diskutiert, was man tun kann, um die marodierenden Banden, prorussische Banden, aber auch Kriminelle, die durchs Land ziehen, zu stoppen, um Gewaltanwendung zu stoppen, um Entwaffnung zu organisieren, um friedliche Wahlen sicherzustellen. Das sind die Themen, da brennt es lichterloh im Land und da ist dieser Vorschlag natürlich keine Antwort. Das ist eine Idee, die mehr symbolischer Natur ist, die in den Bereich gehört, der auch zu besprechen ist, wie kommen wir zu einer realistischen Neubewertung unserer Beziehungen zu Russland angesichts des Verhaltens von Putin und seiner Regierung, die erkennbar gezeigt hat, dass sie an einer konstruktiven friedlichen Lösung derzeit kein Interesse hat.
    Armbrüster: Ist denn Wladimir Putin noch als Partner Europas oder als Partner auch der NATO zu betrachten?
    Uhl: Zurzeit mehr Störer als Partner.
    Armbrüster: Und wäre es dann nicht hilfreich, ihm auch militärisch sozusagen ein Signal zu setzen?
    Uhl: Nein, so weit sind wir nicht. Wir sollten natürlich klar zeigen, was unsere Position ist. Aber noch einmal: Gegen marodierende Banden in der Ukraine nützt eine symbolische Stationierung in Nachbarstaaten nicht.
    Armbrüster: Werden diese marodierenden Banden denn von Moskau gesteuert?
    Uhl: Die Art der Steuerung bis ins letzte Detail sind nicht bekannt. Aber dass sie unterstützt werden und ermuntert werden, das ist offensichtlich, ist bekannt und dazu sind ja auch die Erkundungstrupps der OSZE von ganz besonderer Bedeutung, weil so Klarheit in das wahre Geschehen in diesem Lande hereinkommt.
    "OSZE muss erneut in den Mittelpunkt gerückt werden"
    Armbrüster: Aber ist denn die OSZE nicht etwas, worüber die Hardliner in Moskau eigentlich nur lachen können?
    Uhl: Das ist der Punkt, auf den müssen wir jetzt wieder zurückkommen. Die OSZE, zu Zeiten des Kalten Krieges entwickelt, muss erneut in den Mittelpunkt gerückt werden. Das ist das Format, auf dem wir tätig sein müssen, und da entlarvt sich dann auch Putin in seinen wahren Absichten, was will er wirklich. Auf der einen Seite heißt es, die ukrainische Regierung sei demokratisch nicht legitimiert, auf der anderen Seite wird alles getan, um demokratische Wahlen zu verhindern. Auf der einen Seite unterstützt man marodierende Banden und auf der anderen Seite beschimpft man die ukrainische Regierung, wenn sie das staatliche Gewaltmonopol ausübt. Wer soll es denn sonst tun als die jetzige Regierung, bei aller Problematik der demokratischen Legitimation.
    "Eine Truppenstationierung in Nachbarstaaten entwaffnet keine marodierenden Banden"
    Armbrüster: Aber kommt man nicht gerade an diesem Punkt automatisch zu der Schlussfolgerung, wenn wir von außen wirklich etwas tun wollen, wenn Europa und die übrige Welt in diesem Konflikt noch etwas bewirken will, dann geht das eigentlich nur mit einem klaren militärischen Symbol, mit einem klaren Signal, notfalls auch mit Truppenstationierungen?
    Uhl: Noch einmal: Eine Truppenstationierung in Nachbarstaaten entwaffnet keine marodierenden Banden. Wir müssen über die OSZE-Gespräche ein Format finden, bei dem wir einvernehmlich mit Russland sie dazu zwingen, konstruktiv mitzuarbeiten, diese teilweise Kriminellen zu entwaffnen, damit das staatliche Gewaltmonopol wieder ausgeübt werden kann durch ukrainische Polizei und nicht durch ukrainisches Militär.
    Armbrüster: Wie erklären Sie das östlichen NATO-Mitgliedsstaaten, die sich möglicherweise jetzt gerade durch das Auftreten Moskaus drangsaliert und vielleicht auch eingeschüchtert fühlen?
    Uhl: Wenn wir so sozialisiert worden wären, wie die es wurden in den letzten Jahrzehnten, hätten wir die gleiche Befindlichkeit. Wir haben eine andere Beziehung zu Russland im Kalten Krieg entwickelt als zum Beispiel Polen und die unmittelbaren Nachbarn. Deswegen habe ich großes Verständnis für deren Sorgen.
    Armbrüster: Verständnis ja, aber die Wünsche wollen Sie nicht erfüllen?
    Uhl: Noch einmal: Wir brauchen im Augenblick keine militärische Antwort. Wir brauchen eine einvernehmliche Entwaffnung von Gewalttätern.
    "Friedliebende Ukrainer trauen sich nicht mehr auf die Straße"
    Armbrüster: Sie sind jetzt mehrfach auf die marodierenden Banden im Osten der Ukraine zu sprechen gekommen. Die Ukraine, die ukrainische Regierung geht dagegen ja mit einer Militäraktion vor. Und Gernot Erler von der SPD, der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, hat jetzt die Regierung in Kiew aufgefordert, diese Militäraktion zu beenden, sozusagen als ein Zeichen der Friedfertigkeit, als ein Zeichen, das Ganze wieder in etwas ruhigere Fahrwasser zu bewegen. Können Sie sich dieser Forderung anschließen?
    Uhl: Noch einmal: Wenn ein Staat in die Hände oder Teile eines Staates in die Hände von Banden gelangt, ist es wohlfeil zu sagen, das Militär soll in die Kasernen zurückgehen. Das ist auch die Forderung der Linken hier. Das ist zynisch, angesichts der Probleme, die die Menschen dort haben. Es geht ja nicht nur um die Besetzung von Verwaltungsgebäuden und das in Brand stecken solcher Gebäude, sondern es geht darum, dass friedliebende Ukrainer sich nicht mehr auf die Straße trauen, und dazu sagen, dass Sicherheitskräfte sich zurückziehen sollen, ist gegenüber diesen Menschen der blanke Zynismus.
    Armbrüster: Da hat also Gernot Erler etwas nicht richtig verstanden?
    Uhl: Nein, es geht um die Frage Militär oder Polizei. Und wenn die ukrainische Polizei partiell auf Seiten prorussischer Banden mitarbeitet, oder diese gewähren lässt, dann bleibt einer Regierung ja gar nichts anderes übrig, als Militär hilfsweise zum Einsatz zu bringen.
    Armbrüster: Hans-Peter Uhl war das, der CSU-Außenpolitiker, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages. Noch einmal vielen Dank, Herr Uhl, dass Sie für uns aus der Sitzung herausgekommen sind, und einen schönen Tag noch.
    Uhl: Danke schön! Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.