Kabul, im Spätsommer. In einer Kaserne der afghanischen Armee treffen sich hochrangige NATO-Offiziere und afghanische Soldaten, um die Lage zu besprechen. Es ist ein Routinetreffen. Doch dann entsichert ein afghanischer Soldat seine Maschinenpistole und schießt um sich. Ein amerikanischer General stirbt. Unter den Verletzten ist auch ein deutscher General.
Der Zwischenfall zeigt, dass auch die künftige NATO-Mission in Afghanistan mit dem Namen Resolute Support nicht ungefährlich sein wird. Denn auch wenn die Soldaten, die in Afghanistan bleiben sollen, keinen Kampfauftrag mehr haben werden: Friedlich ist es in dem Land noch lange nicht. Der deutsche General Harald Gante kommandiert seit Sommer das Feldlager in Mazar-i-Sharif in Nordafghanistan. Er nimmt selbst häufig im Lager der afghanischen Armee an Treffen mit den dortigen Kommandeuren teil. Diese Besprechungen bilden künftig den Kern des Bundeswehr-Einsatzes:
Gefährdungslage ist Teil des Berufs
"Diese Arbeit ist für uns nichts Neues. Das machen wir seit vielen, vielen Jahren. Und wir haben sehr große Erfahrung in der Zusammenarbeit mit den Afghanen. Ich vertraue meinen afghanischen Gastgebern. Aber es ist eine traurige Erkenntnis, wenn man in einem afghanischen Camp ist, in einer afghanischen Kaserne, in der 3.000 Menschen arbeiten, lässt es sich nie ganz ausschließen, das einer von den 3.000 so handelt oder reagiert. Und das ist für uns alle tragisch. Wir wissen aber auch, dass dies Teil unseres Berufes ist, diese Gefährdungslage. Wir versuchen, diese Gefährdung zu minimieren. Sie lässt sich nicht komplett ausschließen, das muss man akzeptieren. Und das wird uns auch nicht davon abhalten, unseren Auftrag auch weiterhin zu erfüllen."
Gantes Kommando in Mazar-i-Sharif ist schon voll auf den neuen Einsatz abgestimmt. Auch der Name Regionalkommando Nord wurde bereits geändert:
"Mit der Übergabe nennen wir uns „Train, Advise, Assist Command North". Und dieser Name zeigt auch, dass die Aufgabe, die wir wahrnehmen werden, ganz neue Inhalte hat im Vergleich zu dem, was wir vorher gemacht haben. Es geht um Train, Advise, Assist mit Blick auf die afghanischen Sicherheitskräfte."
Trainieren, Beraten, Unterstützen, so lautet die NATO-Formel auf deutsch. Die Bundeswehr-Angehörigen sollen vor allem in Mazar-i-Sharif zum Einsatz kommen. Das einst riesige Feldlager hat sich inzwischen deutlich geleert. Vor allem schweres Gerät wurde nach Deutschland gebracht. Die Soldaten sollen künftig in der Kaserne bleiben. Kampfeinsätze oder Patrouillen sind nicht vorgesehen. Nach und nach haben die internationalen Einheiten diese Aufgabe an die afghanische Armee und die Polizei übergeben, zuletzt die Briten und Amerikaner in Helmand in Südafghanistan. Dabei räumt der deutsche General Gante ein, dass die afghanischen Sicherheitskräfte nur Teile des Landes kontrollieren.
"Die afghanischen Sicherheitskräfte sind grundsätzlich in der Lage, die Ballungsgebiete sicher zu halten, die Verbindungslinien sicher zu halten. Die insurgency, so nennen wir die Gegner, weil es keine homogene Gruppe ist, ist nicht in der Lage, aus ihren Kerngebieten heraus ihren Einflussbereich zu erweitern. Aber wir wissen eben auch, dass wir noch nicht ein Level erreicht haben, wo wir die afghanischen Soldaten und Polizisten komplett allein lassen können."
Wie schlecht die Sicherheitslage zum Teil ist, wurde ausgerechnet in der Provinz deutlich, in der die Bundeswehr lange stationiert war: Kundus. Dort war der Gefechtslärm wochenlang sogar bis in die Stadt zu hören. Und noch immer sind einige Distrikte in der Hand der Taliban. Und so bleiben Fragen offen, zum Beispiel, ob die NATO die afghanischen Streitkräfte in besonders schwierigen Lagen aus der Luft unterstützen wird oder ob sogar kleine Einheiten doch kämpfen werden. Auch der Zeitplan scheint nur vordergründig klar zu sein: Zwei Jahre soll Resolute Support andauern, doch ob diese Frist zu halten ist, das bezweifelt sogar die Bundesregierung.