Es regnet in Strömen. Das schreckt die wandererprobten acht- bis zehnjährigen wenig. Denn Regen ist nützlich, wissen Fabian und Ömer.
"Gut für die Pflanzen. Die werden immer größer und größer. Also wenn die Menschen hier vorbeigehen, dann werden die auch nass. Aber es ist auch gut für die Pflanzen."
Diesmal wandern sie auf einem Blindenpfad durch den Habichtswald. Erst geht es unter einer Brücke durch, dann steil bergauf. Rechts am Weg entlang zieht sich ein Geländer aus Holz, für die Blinden, zum Festhalten, erklärt Hong-An.
"Ich find das toll, weil die älteren Menschen, die blind sind, die können hier lang gehen."
Nach kurzer Zeit erreicht die Klasse eine kleine Schutzhütte. Wer will, kann hier drin etwas essen. Aber kaum einer hat ein Pausenbrot dabei. Die meisten bleiben draußen und gucken nach ihren Pflanzen. Die Schülerinnen und Schüler haben hier rund um eine dicke Buche Kräuter und Blumen gepflanzt. Auch Saralena:
"Also ich hab mit meiner Freundin Natalja schwarzen Holunder gemacht. Sie hat eingepflanzt, und ich und Natalja, als meine beste Freundin Natalja, haben dann zusammen das Schild gemacht."
Vor jeder Pflanze steht ein kleines weißes Schild, damit die anderen Wanderer wissen, was hier wächst, erzählt Aniza:
"Also da steht zum Beispiel von den Pflanzen, wie die auf Latein heißen, wann die Sammelzeit ist, die Gattung, die Wirkung ..."
Alle diese Details haben sie bei ihrer Lehrerin, Sonja Timmer, im Sachunterricht gelernt. Und dass sie dafür den Blindenpfad aussuchte, hat seinen Grund.
"Ja, wir haben uns ein Objekt ausgesucht in Kassel, wo wir einfach nicht nur wandern oder draußen sind, sondern auch für die Gesellschaft was Gutes tun können. Und haben jetzt in Gemeinschaft mit dem Altenheim, mit den Älteren gemeinsam überlegt, was können wir machen? Und haben uns dazu entschieden, den Blindenpfad dahin attraktiver zu gestalten, dass wir Blumen, Heilkräuter gepflanzt haben, die Herkunft geguckt haben. Und was kann man einfach damit herstellen? Mit den Älteren gesprochen haben, wofür hat man zum Beispiel früher Holunder benutzt? Oder andere Kräuter, was im Wald wächst."
Eine Art Draußen-Schule
Im Lehrplan ist so ein Projekt nicht vorgesehen. Sonja Timmer steckt viel ehrenamtliches Engagement hinein. Inzwischen klettern alle übers Geländer. Die erst kürzlich gepflanzte Walderdbeere muss dran glauben. Irgendeiner trampelt sie nieder. Egal, Aniza und die anderen wollen sich einen Ameisenhaufen in der Nähe angucken.
"Ich finde es interessant, die Ameisen zu sehen. Weil die sich in einen Haufen machen. Und wir werden noch im Computer in der Schule herausfinden, wofür die nützlich sind."
Weiter geht's. Es regnet noch immer. Der Weg wird steiler, enger und matschiger. Die Jungs übernehmen jetzt die Spitze der Gruppe. Sie kennen den Weg und haben ein klares Ziel vor Augen, sagt Fabian:
"Zum Blauen See. Das ist ein See, wenn die Sonne scheint, dann leuchtet der und wird blau."
Heute leuchtet nichts, das Wasser ist lehmgelb. Überhaupt will am Ziel nicht so der richtige Spaß am Toben aufkommen. Die Bäume sind viel zu nass, als dass die Jungs da raufklettern könnten. Die meisten haben jetzt quietschnasse Füße. Sneakers sind nicht grad die passenden Wanderschuhe an so einem Regentag. Trotzdem: niemand mault, alle halten durch. Lehrerin Sonja Timmer ist stolz auf ihre Klasse:
"Also die Schule ist ja in einem sozial schwachen Gebiet, wo die Kinder kaum Bewegungsmöglichkeiten haben. Und da war einfach der Urgedanke da, dass ich gesagt habe, ich geh mit denen einmal die Woche einfach nur raus. Zum Bewegen, Wandern. Und daraus ist in den letzten vier Jahren mehr geworden, dass wir wie so eine Art Draußen-Schule machen. Dass wir nicht nur wandern gehen, sondern einfach auch bestimmte Orte aufsuchen, um bestimmte Unterrichtsinhalte zu vertiefen. Oder auch einfach irgendetwas anschauen und ganzheitlich dann arbeiten im Wald."