"Matsukaze" von Toshio Hosokawa ist eine Art Natur-Poem. Richtigen Wind hört man, das Rauschen der Wellen am Meer, plätscherndes Wasser. Hosokawa hat die Natur-Laute in seiner japanischen Heimat aufgenommen und lässt sie über die Opernlautsprecher erklingen. Das Orchester stimmt und schwingt sich ein. Durch die Flöten rauscht der Wind, im Glissando der Streicher beginnt der Wind im Geäst der Kiefern zu pfeifen, die Lichtreflexe des Meeres blitzen in Harfe und Klavier auf. Hosokawa hat ein zauberhaftes, mitunter impressionistisches Lautgemälde geschaffen. Ein flackerndes Gespinst, schier unüberschaubar in seiner kleinteiligen Vielfalt. Und zugleich atmet das Ganze. Die Klangnatur raunt, sie scheint beseelt zu sein, ein lebendiges Wesen, in dem sich die Menschen bewegen. "Waldweben" hat das Wagner genannt, bei Hosokawa ist es gesteigert, von Naturmystik müsste man bei ihm sprechen, die aber auch die düsteren, existenziellen Paukenschläge samt Bass- und Blechdröhnen kennt. Das Orchester unter der Leitung des jungen, erst 33-jährigen Pablo Heras-Casado spielte die Uraufführung gestern Abend genau, konzentriert, transparent, wuchtig und luftig. Auch Choreografie und Inszenierung von Sasha Waltz haben sich gewissermaßen mit Haut und Haar auf das Naturschauspiel eingelassen. Die Tänzer sind ständig in Bewegung. Wie Wellen strömen sie dahin, wie Gras und Blätter im Wind zittern und zappeln sie, wie Äste von sturmgeneigten Bäumen ranken ihre Körper über die Bühne. Auch die Chorsänger und die Gesangssolisten, vor allem die beiden Hauptfiguren, die Schwestern Matsukaze und Murasame, hat Sasha Waltz organisch in ihr Naturspiel integriert. Sie hat einen vitalen Bewegungskörper entwickelt, der nie nur die Mechanik der physischen Welt imitiert, sondern immer und vor allem ihre musikalische Innenseite sichtbar macht. Tänzer, Chor und Solisten sind bei Waltz keine Spartendienstleister, sondern ein ökologisches Klosterkombinat. Dass ihre Operninszenierungen als choreografisches Musiktheater bezeichnet werden, ist nicht nur ein Schlagwort, sondern zeigt sich auch bei "Matsukaze" als ästhetische Realpräsenz. Die spirituelle Stoßrichtung dieser Oper wird auch im Bühnenbild von Pia Maier Schriever sichtbar. Leer ist der Raum am Anfang, dann taucht ein die ganze Bühne einnehmendes Fadengespinst auf.
Musik Matzukase/Murasame: "Schau! Wie der Mond aufgeht. Unerreichbar. Ungerührt."
Der Mond scheint durch die Fäden hindurch. Die Seelen der an Liebeskummer verstorbenen Schwestern Matsukaze und Murasame hangeln sich schwerelos daran hinab. Sie kommen nicht von ihrem ebenfalls verstorbenen Geliebten los, warten auf ihn, verzehren sich in Sehnsucht bis zur Erschöpfung, bis sie erkennen, dass dieser Geliebte nicht mehr wiederkehrt und ihre Leidenschaften keine Erfüllung finden werden. Ein höchst dramatischer Augenblick. Barbara Hannigan als Matsukaze und Charlotte Hellekant als Murasame singen und spielen das mit großem stimmlichen Können und ebenso großer Schauspielkunst.
Musik Matsukaze/Murasame: "Welcher Schmerz! Brennende Liebe! Entrissen, Yukihira, für immer, erwartet. Unmögliches Wiedersehen!"
Der Geliebte der Schwestern ist längst in den Kreislauf der Natur eingegangen. Ihm folgen sie, lösen sich in Wind und Regen auf, erlöst von ihren Qualen. Das Gebet des Mönchs zu Beginn an Buddha, den Schwestern Seelenfrieden zu schenken, ist erhört worden. Dass die friedlichen Wellen bei Hosokawa auch todbringende Monster sein können, hört man nach dem letzten Tsunami in Japan unweigerlich mit. Der Reaktor-GAU von Fukushima scheint den Leitgedanken der Oper "Matsukaze" zu bestätigen. Wir können nicht alles beherrschen, sondern müssen in Ehrfurcht mit der Natur leben - so formulierte es Hosokawa am Premierenabend in Journalistenrunde selbst. Angefangen beim Komponisten, über die Regie bis zu den Musikern hat die Brüsseler Oper eine Idealkonstellation arrangiert.
Info
Derzeit ist "Matsukaze" an der La Monnaie in Brüssel zu sehen, ab Mitte Juli zeigt die
Staatsoper im Schiller Theater in Berlin das Werk.
Sasha Waltz & Guests
Musik Matzukase/Murasame: "Schau! Wie der Mond aufgeht. Unerreichbar. Ungerührt."
Der Mond scheint durch die Fäden hindurch. Die Seelen der an Liebeskummer verstorbenen Schwestern Matsukaze und Murasame hangeln sich schwerelos daran hinab. Sie kommen nicht von ihrem ebenfalls verstorbenen Geliebten los, warten auf ihn, verzehren sich in Sehnsucht bis zur Erschöpfung, bis sie erkennen, dass dieser Geliebte nicht mehr wiederkehrt und ihre Leidenschaften keine Erfüllung finden werden. Ein höchst dramatischer Augenblick. Barbara Hannigan als Matsukaze und Charlotte Hellekant als Murasame singen und spielen das mit großem stimmlichen Können und ebenso großer Schauspielkunst.
Musik Matsukaze/Murasame: "Welcher Schmerz! Brennende Liebe! Entrissen, Yukihira, für immer, erwartet. Unmögliches Wiedersehen!"
Der Geliebte der Schwestern ist längst in den Kreislauf der Natur eingegangen. Ihm folgen sie, lösen sich in Wind und Regen auf, erlöst von ihren Qualen. Das Gebet des Mönchs zu Beginn an Buddha, den Schwestern Seelenfrieden zu schenken, ist erhört worden. Dass die friedlichen Wellen bei Hosokawa auch todbringende Monster sein können, hört man nach dem letzten Tsunami in Japan unweigerlich mit. Der Reaktor-GAU von Fukushima scheint den Leitgedanken der Oper "Matsukaze" zu bestätigen. Wir können nicht alles beherrschen, sondern müssen in Ehrfurcht mit der Natur leben - so formulierte es Hosokawa am Premierenabend in Journalistenrunde selbst. Angefangen beim Komponisten, über die Regie bis zu den Musikern hat die Brüsseler Oper eine Idealkonstellation arrangiert.
Info
Derzeit ist "Matsukaze" an der La Monnaie in Brüssel zu sehen, ab Mitte Juli zeigt die
Staatsoper im Schiller Theater in Berlin das Werk.
Sasha Waltz & Guests