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Naturnahes Wasserwandern auf der Werra

Auf der Werra in Thüringen kann man eine Woche lang unterwegs sein, um die 300 Kilometer auf dem Wasser zu bereisen. Ab Meiningen kann man in ein Boot steigen und theoretisch bis Hessen paddeln. Für Mehrtagesreisende gibt es den Service für Gepäck, Räder, Boote und Übernachtung.

Von Blanka Weber |
    "Beim Start ist es wichtig, dass alle schön in der Mitte sitzen bleiben und dass vorher abgemacht wird, wer auf welcher Seite paddelt. Das muss der Kapitän bestimmen. Der sitzt hinten. Und dann – geht's los!"

    Robert betreut die Tour. An dem Tag hat er Kanus und Schlauchboote im Einsatz und eine kleine Mannschaft aus Südthüringen:

    "Ich komme aus Schwallungen, vom Fußball, weil wir Fußball geschafft haben, kamen wir alle heute zum Schlauchbootfahren."

    Das ist nicht der Preis für den ersten Platz, sagt der junge blonde Stürmer mit Zahnspange – denn so überragend war die Saison nun auch nicht für seine Mannschaft:

    "Vorletzter Platz, weiß ich nicht so genau. Letztes Jahr sind wir Zweiter geworden."

    Nun geht es also Werra-abwärts, eine Tour im großen blauen Gummischlauchboot. Robert gibt letzte Instruktionen:

    "Die Werra ist ein Naturfluss, das heißt, es hängen auch Äste in den Fluss und wichtig ist, dass die Kinder sich ins Boot legen, weil, in die andere Richtung wird's nass."

    Nun also los, unsere Begleiter ist Thomas Wey vom BUND. Sein Anliegen ist naturnahes Wasserwandern auf der Werra, um deren Quelle heftig gestritten wird:

    "Das ist eine der lustigen Besonderheiten unseres Flusses. Es gibt zwei Quellen und zwei Dörfer, die sich darum streiten, wer nun die richtige Quelle hat. Das sind Siegmundsburg und Fehrenbach im Thüringer Wald und jeder behauptet, wir haben die richtige! Sicher gab's zur Kirmes auch 'mal ein blaues Auge. Heutzutage ist das vielleicht ein Marketing-Gag, das wird gerne gepflegt."

    Wo auch immer die Werra beginnt, sie fließt von Südthüringen gen Westen, knapp 300 Kilometer bis ins Hessische:

    "Das ist die nächste Besonderheit, die Werra fließt im Prinzip nicht ins Meer. Also zumindest nicht unter diesen Namen. Es gibt in Hannoversmünden einen Weserstein, da steht drauf: 'Wo Werra sich und Fulda küssen, sie ihren Namen büßen müssen'. Dann heißt der Fluss Weser und wo Werra und Fulda zusammenfließen, da heißt der Fluss dann Weser und der fließt dann in die Nordsee."

    Doch zurück nach Südthüringen: Zwischen Wasungen und Schwallungen paddelt an dem Tag Thomas Wey. Ein schmales Tal, bewachsen an den Ufern. Am Himmel schwebt ein großer Greifvogel:

    "Das wird ein Roter Milan sein. Das erkennt man an dem gegabelten Schwanz, der scheint so nen bisschen rötlich durch, deshalb Rotmilan. Davon haben wir relativ viele hier, im Werratal und in der Rhön. Da können wir ganz froh darüber sein."

    Denn 60 Prozent des bundesweiten Milanbestandes sind im Werratal zu finden.

    Das Wasser ist an dem Tag trüber als sonst, durch den Regen werden Sedimente mitgeführt. Völlig normal, sagt Thomas Wey, und paddelt durch die tiefhängenden Weidenäste:

    "Und typisch sind die Schwarzerlen, die wachsen senkrecht hinunter, auch ins Wasser hinein und befestigen das Ufer und werden auch gerne angepflanzt an Gewässern."

    Aber, es gibt auch Pflanzen, die dort eigentlich nichts zu suchen haben, sagt der Naturschützer:

    "Das, was da so schön blüht, ist das drüsige oder indische Springkraut, sieht zwar schön aus, aber das gehört gar nicht hierher. Das ist ein Neophyt, wie man sagt, also eine Pflanze, die sich neu hier breitmacht."

    Vermutet Thomas Wey und blickt auf die pinkfarbenen Blüten des ein Meter hohen Strauches.

    "Nachfolgende Generationen werden sicher denken, das ist etwas Einheimisches, was hierher gehört, aber das ist eigentlich eingeschleppt. Sicher einmal aus Kleingärten entsprungen, die das als Zierpflanze angebaut haben und kommt hier gut zurecht mit den Bedingungen und breitet sich immer weiter aus an der Werra."

    Die Naturschützer sind bemüht, die Werra in Thüringen so gut es geht naturnah zu belassen. Kein leichtes Unterfangen, wenn Touristen, Kanufahrer und Angler das Wasser gemeinsam nutzen wollen, sagt der Fachmann:

    "Weil die Angler, als diejenigen, die sich mit den Fischen auskennen, und wir Naturschützer Bedenken haben, wenn der Tourismus mehr wird, dass es dann auch zu Schäden kommt. Gerade bei Flachwasserständen im Sommer, wenn die Touristen gerne fahren wollen, dann kann es passieren, dass sie über die flachen Kiesbänke fahren mit den Booten, wo sich aber nun die kleinen Fischlein aufhalten und die Eier von den Fischen abgelegt werden und da kann es zu direkten Schäden kommen. Je mehr Touristen kommen, umso größer können die Schäden werden."

    Eines steht fest, Thüringen entdeckt zunehmend die Wasserwege für den Tourismus, sagt auch Andreas Pfannstiel – einer der Bootsverleiher:

    "Ja es wird immer mehr. Wir merken es an der Personenzahl, die mit uns in den Booten unterwegs ist."

    Sein Appell an alle, die das Wasser nutzen, ist kurz und knapp:

    "Bewusst mit der Natur umgehen, kein Müll hinterlassen, Müll, der drin liegt, sogar mitnehmen, weil wir haben hier zum Beispiel die Mülltonne, da kann jeder seinen Müll entsorgen."

    Und das ist auch notwendig. Viel zu oft werden Flaschen einfach weggeworfen, kritisiert Thomas Wey und ärgert sich aufs Neue:

    "Ich hab' Pfand für euch! Die Flaschen hier – die gehört nicht in die Werra."

    Was noch mit einem Lachen abgefedert wird, ist bitterer Ernst, sagt auch der Bootsverleiher. Denn die Werra ist in den vergangenen 20 Jahren endlich sauberer geworden:

    "Also die Wasserqualität ist schon in Ordnung, aber eben der Müll, der drin liegt. Das ist der Appell, an die Leute, die am Fluss wohnen, dass die auch nicht so viel Müll entsorgen oder wenn sie über Brücken laufen, nicht so viel reinwerfen."

    Unstrut, Saale und – eben auch die Werra – werden zunehmend von Wassertouristen genutzt sagt Andreas Pfannstiel:

    "Viele machen jetzt nicht mehr im Ausland Urlaub, sondern nutzen die heimischen Angebote, und auch mit dem Boot zum Beispiel mehrere Tage unterwegs sein. Das ist auch Urlaub!"

    Wer mag, kann auf dem gesamten Fluss – Stück für Stück knapp 300 Kilometer unterwegs sein – per Boot oder Fahrrad entlang des Flusses:

    "Der Werratalradweg ist als einer der zehn besten prämiert worden. Es ist ein schönes Erlebnis auf dem Radweg und man kann das auch kombinieren, Fahrrad ausleihen und dann aufs Boot umsteigen, also da kann man viel machen."
    Die Fußballgruppe hat für heute ihren Ausflug beendet. Und das klingt dann so:

    Robert lässt die Luft aus den Schlauchbooten:

    "Wenn die Sonne drauf scheint, kann es passieren, dass sonst die Nähte platzen. Und das wollen wir vermeiden."

    Auf ihn wartet die nächste Gruppe, die werra-abwärts paddeln will – gemütlich – vorbei an Weiden, Schwarzerlen, Springkraut und am Roten Milan.