Susanne Kuhlmann: "Planet am Scheideweg" - unter diesem Motto steht der Kongress der Welt-Naturschutz-Union IUCN, der heute auf Hawaii beginnt. Die Umwelt wird zerstört, viele Tier- und Pflanzenarten verschwinden für immer. Kurz: Die Menschen, bald zehn Milliarden, verbrauchen viel mehr, als nachwachsen kann.
Auf Hawaii wollen nun Vertreter von mehr als tausend Naturschutz-Organisationen aus aller Welt darüber reden, wie die lebensnotwendigen ökologischen Systeme für die Zukunft bewahrt werden können.
Am Telefon ist Barbara Maas. Beim Naturschutzbund NABU ist sie für internationalen Artenschutz zuständig. Guten Tag, Frau Maas.
Barbara Maas: Guten Tag, Frau Kuhlmann.
23.000 Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht
Kuhlmann: Beginnen wir mit einer Bestandsaufnahme. Die neue rote Liste bedrohter Arten wird veröffentlicht und gute Nachrichten sind vermutlich nicht zu erwarten, oder?
Maas: Nein, das ist unwahrscheinlich. Im Moment ist die Bedrohung vieler Arten, die sich über alle möglichen Tierarten erstreckt. Vom direkten Aussterben sind über 23.000 Tier- und Pflanzenarten auf der roten Liste aufgeführt. Die am schlimmsten bedrohten Arten waren ungefähr halb so viele vor 15 Jahren noch und es betrifft über 40 Prozent von Amphibien, ein Drittel der Korallen, 30 Prozent von Nadelbäumen. Ein Viertel aller Säugetiere zum Beispiel sind bedroht heute und 13 Prozent aller Vögel. Das sind natürlich erschütternde Zahlen und besser werden die neuen, die wir am Sonntag erwarten, sicher auch nicht.
Kuhlmann: Wenn Sie ein Beispiel für eine Tierart herausgreifen, um das noch mal ein bisschen deutlicher zu machen?
Maas: Ja! Wir haben seit gestern die neuen Zahlen der afrikanischen Savannen-Elefanten zur Verfügung. Als Hintergrund: Wir hatten über eine Million Elefanten Ende der 70er-Jahre. Als ich meine Promotionsarbeit und Forschung in der Serengeti gemacht habe so um die 80er-, 90er-Jahre, gab es noch 600.000, und wir haben alle erwartet, es werden so um die 400.000 sein, aber leider sind wir bei knapp über 350.000 angelangt.
"Elefanten hauptsächlich wegen Wilderei getötet"
Die Wissenschaftler, die gezählt haben, mit Flugzeugen, sowohl lebendige als auch tote Elefanten, haben festgestellt, dass etwa in den letzten sieben Jahren 144.000 Elefanten hauptsächlich wegen Wilderei getötet wurden. Und da müssen Sie sich vorstellen: Warum sind sie getötet worden? - Weil die Menschen gerne aus ihren Stoßzähnen Dekoration und Schmuck herstellen möchten, also völlig unnötig. - Afrika ohne Elefanten ist eigentlich unvorstellbar, aber es könnte passieren.
Kuhlmann: Immer mehr Naturräume werden in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt. Die Meere sind überfischt. Welche Impulse erhoffen Sie sich von diesem Kongress?
Maas: Es ist wirklich der Zwiespalt, mit dem man umgehen muss, dass wir auf einem endlichen Planeten leben. Es gibt keinen Planeten B, auf den wir ausweichen können. Seit dem 13. August benutzen wir mehr natürliche Ressourcen, als die Natur in diesem Jahr wieder erneuern kann. Wenn wir so weiter machen, geht es auch mit dem Umweltabsturz so weiter. Es gibt aber ganz klar Möglichkeiten, die Meere zu schützen. Ich habe auch die Themen gehört, die Sie im Rest Ihrer Sendung heute ansprechen: Plastik, Klimawandel und so weiter.
Richtungsweisende Entscheidungen treffen
Das sind Themen, für die hier richtungsweisende Entscheidungen getroffen werden können, die an diesem Scheideweg in die richtige Richtung abbiegen, und da kann jeder einzelne Mensch, jedes Dorf, jede Stadt, jedes Land, jeder kann hier einen Beitrag leisten. Denn das, was wir kaufen, und so, wie wir leben, verändert die Welt zum Guten oder zum Besten. Noch gibt es Elefanten und noch gibt es Haie und noch gibt es Nadelbäume und Tropenhölzer, die für Möbel benutzt werden, noch gibt es das alles. Es ist also nicht zu spät, aber wir müssen was ändern.
Kuhlmann: Danke schön! - Soweit Barbara Maas vom Naturschutzbund NABU zum Kongress der Welt-Naturschutz-Organisationen, der heute auf Hawaii beginnt. Danke!
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