Nichts als rotes, zerklüftetes Felsgestein und in der Mitte der Colorado River – das gewaltige Naturschauspiel des Grand Canyon im Westen der USA zieht die Menschen seit jeher in seinen Bann. So auch die Expeditionsteilnehmer, die den Naturforscher John Wesley Powell 1869 bei der Kartographierung des Colorado Rivers begleiteten. In seinem Tagebuch notierte einer der Forscher:
"Wir sind hier eine dreiviertel Meile tief in den Eingeweiden der Erde. Und selbst der gewaltige Fluss scheint unbedeutend in dieser Schlucht. Zornig schlagen seine Wellen gegen die Felswände und Klippen, die hochaufragend die übrige Welt von uns trennen. Und doch wirken sie nur wie schwaches Geplätscher. Und wir Menschen scheinen wie Zwerge, wie Pygmäen, die die Sandbänke hinauf- und hinabrennen. Pygmäen, die verloren scheinen zwischen mächtigen Felsblöcken."
Anasazi-Indianer bauten ihre Behausungen in das Felsgestein
Der Grand Canyon ist eine knapp 450 Kilometer lange und etwa 1.600 Meter tiefe Schlucht, die in Millionen von Jahren vom Colorado River ins Felsgestein gegraben wurde. Trotz seiner lebensfeindlichen Umwelt ist das Gebiet schon lange besiedelt. Die Anasazi-Indianer bauten schon vor 2.000 Jahren ihre Behausungen ins Felsgestein. Sie waren die ersten, die die Region um den Grand Canyon besiedelten.
Die europäischen Siedler hatten zunächst wenig Interesse am Grand Canyon. Im September 1540 erreichte eine Gruppe von mehr als zwölf spanischen Eroberern die Gegend. Die steinigen Schluchten des Grand Canyon hielten sie für wertlos.
Erst nach der Kartographierung der Gegend in den 1880er-Jahren wurde der Grand Canyon touristisch erschlossen. Die Eisenbahn ermöglichte preiswerte Reisen in den Westen. Im September 1901 war auch der Grand Canyon mit dem Zug zu erreichen. Zur gleichen Zeit entstand die Naturschutzbewegung in den USA. Sie wollte der Ausbeutung der Natur durch Holzfäller und Schafzüchter entgegenwirken und geschützte Nationalparks errichten. Norbert Finzsch, emeritierter Professor für nordamerikanische Geschichte an der Universität zu Köln:
"Die Romantik, die im ganzen 19. Jahrhundert sehr stark ist, trägt das Übrige dazu bei, die Natur als etwas zu sehen, in dem das wirkliche Menschsein möglich ist, die Einheit mit der Natur anzustreben, das Gefühl, dass die Natur einen erhaben macht. Diese Ideen sind im 19. Jahrhundert weit verbreitet."
Einer der wichtigsten Vertreter der Naturschutzbewegung war US-Präsident Theodore Roosevelt. Er hatte seit jeher ein besonderes Verhältnis zum amerikanischen Westen.
"Er wurde als Kind verspottet wegen seiner schwachen Konstitution. Und er hat irgendwann entschieden, sein Leben grundsätzlich zu verändern und sich neu zu erfinden. Und er ist in den Westen gegangen und hat eine Ranch aufgemacht. Und auf dieser Ranch ist er dann zum ‚richtigen Mann‘ geworden. Das heißt: Schießen, Reiten, Schreiben über die Bedeutung des Westens für die Kultur der Vereinigten Staaten."
Roosevelt beschloss, die Landschaft zu schützen
1903, zwei Jahre nach Beginn seiner Amtszeit, besuchte Roosevelt zum ersten Mal den Grand Canyon. Er war begeistert von der Landschaft und beschloss, sie vor der ökonomischen Ausbeutung zu schützen.
"Er war ein Jäger. Und er hat gesehen, wie sich die Sportjagd und das ungebremste Abschießen von Wild auf den Wildbestand ausgewirkt hat. Also seine erste Initiative war, erst mal dafür zu sorgen, dass das Wild nicht weiter abgeknallt wird oder wenn, dann nach bestimmten Regeln."
Der Umweltschutz stand für Roosevelt ganz oben auf der Agenda. Fünf Nationalparks schuf er während seiner Amtszeit. Naturschutzverbände wie der kalifornische Sierra Club unterstützten sein Anliegen. Doch nicht alle waren von Roosevelts Initiative begeistert.
"Gerade diejenigen, die im Westen ökonomische Interessen hatten, also ob das jetzt im Holzabbau war oder vielleicht auch in der Nutzung von Bodenschätzen oder die in Landspekulationen verwickelt waren, diese Politiker und ihre Lobbys haben Roosevelt bekämpft."
Den Grand Canyon als Nationalpark auszuweisen, ist Roosevelt nicht gelungen - er scheiterte am politischen Widerstand seiner Gegner. Doch am 11. Januar 1908 stellte er diesen wertvollen Naturraum als "National Monument" unter besonderen Schutz – dafür brauchte er keine Zustimmung des Kongresses. Erst über zehn Jahre später, kurz nach Roosevelts Tod, wurde der Grand Canyon per Gesetz zum Nationalpark erklärt.
Anmerkung der Redaktion: In der Überschrift des Beitrags wurde irrtümlich der Begriff Nationalpark statt Nationalmonument verwendet.