Da wäre zum Beispiel das Projekt F.R.A.N.Z., das "steht für: 'Für Ressourcen Agrarwirtschaft und Naturschutz mit Zukunft'" und ist, weiß Jürgen Maurer, Landwirt aus dem baden-württembergischen Kupferzell, ein Gemeinschaftsprojekt zwischen der Universität Göttingen*, Umweltverbänden und Bauern mit dem Wunsch, nachhaltiger zu produzieren.
"Es bedeutet, dass wir versuchen, mehr Biodiversität, mehr Artenvielfalt, in einem konventionellen landwirtschaftlichen Betrieb zu integrieren. Wie man das macht? Indem man Exzessiv-Getreide anbaut, oder Mais mit Stangenbau-Gemenge, oder Blühflächen oder Blühstreifen zur Verfügung stellt, Kleeflächen ansät."
Daneben werden so genannte "Fenster" im Getreide angelegt, die eben nicht bepflanzt sind: "Das sind Fenster, so 60 auf 60 Meter groß, mitten im Getreidefeld, fürs Niederwild, Hase, Rebhuhn. Es gibt Betriebe in Deutschland, die machen noch Kiebitz-Inseln."
Mindereinnahmen müssen ausgeglichen werden
Das alles wird wohlgemerkt auf der Anbaufläche eines konventionellen Bauernhofes integriert. Klar: Die Biodiversität verbessert sich, "wobei man gleichzeitig auf den Ertrag verzichtet, das dann aber durch die gesamtgesellschaftloche Leistung honoriert wird."
Will heißen: Die Mindereinnahmen des Landwirtes müssten nach diesem Modell durch Subventionen ausgeglichen werden; nur so könnten die Produkte an sich wettbewerbsfähig bleiben. Wie hoch diese Subventionen ausfallen müssten, wie groß der Zugewinn an Artenvielfalt im Zuge des "F.R.A.N.Z"-Projektes ausfällt, ist derzeit Gegenstand des laufenden Forschungsvorhabens - eines von mehreren, das auf den Bodensee-Naturschutztagen in Radolfzell vorgestellt wurde, und das eine Zunahme der nachhaltigen, ökologischen Landwirtschaft zum Ziel hat, ohne die Produkte wesentlich zu verteuern.
Verbraucher und Erzeuger einander näher bringen
Denn nur dann greift der Verbraucher im Regal auch zu. Wirklich nur dann? Nachhaltig hergestellte Lebensmittel dürfen nach Ansicht von Sascha Damaschun, Naturkost-Großhändler in Überlingen, durchaus auch ein wenig teurer sein. Nur: Der Verbraucher, der die Produkte kaufen soll, muss eine stärkere Bindung zum Erzeuger haben .
"Deswegen sind Formen der gemeinschaftlichen Trägerschaft auch in regionalen Genossenschaften, in Mitgliederläden bei einer Beteiligung von Genuss-Scheinen, geeignete Wege, um wirklich miteinander in Kontakt zu kommen. In den letzten Jahren haben sich auch Modelle solidarischer Landwirtschaften entwickelt, wo man quasi nicht das Produkt kauft, sondern eher einen Ernteanteil, und das Finanzbudget des Hofes finanziert."
Essen als Event
Und dann wäre da noch der Spaßfaktor: Dass die Menschen tendenziell anteilig an ihrem Einkommen immer weniger Geld für Nahrungsmittel und immer mehr Geld für Freizeit, Spaß und Unterhaltung ausgeben, ist altbekannt. Nach Ansicht von Sascha Damaschun gilt es deshalb, neue Formen des Konsums zu entwickeln, die beides miteinander vereinen: Spaß und nachhaltige Produkte, was letztlich bedeute, "über ein Mehr an Genuss und Beziehung und Freude mit den Lebensmitteln, mit denen wir umgehen auch mehr Geld bereitzustellen. Im gemeinsamen Kochen, im gemeinsamen Genießen - dann ist das auch ein Beitrag zum gesellschaftlichen Glücklichsein."
Gesund Kochen und gesund Essen als Event anbieten - das wäre demnach eine neue Aufgabe der Erzeuger und des Handels gleichermaßen. Nach Ansicht der beiden Naturschutzverbände BUND und NABU sind vor allem Landwirtschaft und Politik gefordert: Die Landwirtschaft dadurch, dass sie bei der Produktion auf mehr Nachhaltigkeit achtet.
Wer soll das bezahlen?
Und die Politik dadurch, dass sie die dafür notwendigen Gelder bereitstellt: "Der Erhalt von Lebensräumen wie Streuobstwiesen, Wachholder-Heiden ist natürlich nicht zum Nulltarif zu haben. Das ist uns ja auch klar", so Johannes Enssle, Vorsitzender des NABU-Landesverbandes Baden-Württemberg.
"Deswegen brauchen die landwirtschaftlichen Betriebe Unterstützung durch die Gesellschaft. Es braucht mehr Mittel aus Steuergeldern, über die Agrarförderung. Und da haben wir errechnet, dass wir ungefähr 225 Millionen Euro zusätzlich im System jedes Jahr bräuchten, damit landwirtschaftliche Betriebe diese Leistungen erbringen würden."
225 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr alleine für die Ökologisierung der Landwirtschaft in Baden-Württemberg - das ist einerseits eine gewaltige Summe, steht aber andererseits in einer Studie, die zehn sehr unterschiedlich ausgerichteten Verbände, von BUND und NABU bis hin zum Landesjagdverband und dem Schwäbischen Albverein, gemeinsam in Auftrag gegeben haben. Erfüllung dieses Wunsches: Derzeit ungewiss, selbst im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg.
* Ortsname wurde korrigiert