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Naumann (SPD) über Trump und die Paketbomben
"Der Zynismus dieses Mannes ist eigentlich unübertroffen"

US-Präsident Donald Trump habe mit seinen vulgären Schimpfkanonaden mit zum Paketbomben-Terror in den USA beigetragen, sagte der ehemalige Kulturstaatsminister und USA-Kenner Michael Naumann im Dlf. Die Medien, die Trump beschuldige, hätten nur ihr Pflicht getan. Trump dagegen nutze die gleiche Rhetorik wie Adolf Hitler 1933.

Michael Naumann im Gespräch mit Dirk Müller |
    US-Präsident Donald Trump spricht zu Journalisten bei seiner Ankunft in Erie/Pennsylvania
    Die Stimmlage von US-Präsident Donald Trump wird sich mit den Zwischenwahlen weiter verschärfen, glaubt Michael Naumann (AFP / Mandel Ngan)
    Dirk Müller: Paketbomben in den Briefkästen von Barack Obama, von Hillary Clinton, von George Soros, auch von CNN oder von Robert De Niro. Amerika ist geschockt: Terror in den USA, diesmal vielleicht hausgemacht. Es gibt keine Bekennerschreiben, es gibt noch keine eindeutigen Hinweise, geschweige denn Beweise. Fest steht nur, dass sich nun zwei Seiten gegenseitig die Schuld geben für diese versuchten Anschläge: Das Trump-Lager auf der einen Seite, das liberale Lager auf der anderen. Die zentrale Rolle bei diesen Vorwürfen spielen wieder einmal die Medien. Der amerikanische Präsident wirft den liberalen Zeitungen und TV-Sendern vor, für die jüngste Eskalation mitverantwortlich zu sein, zum Beispiel die "Washington Post", die "New York Times" oder auch CNN. Diese wiederum geben der Rhetorik und dem Auftreten von Donald Trump die Schuld.
    Jemand, der die USA sehr gut kennt, viele Jahre dort gelebt und gearbeitet hat, der die Medien sehr gut kennt wie auch die politischen Mechanismen, ist der frühere Kulturstaatsminister und Herausgeber der Zeit, Klaus Naumann (SPD) - Michael Naumann (SPD), Entschuldigung! – Guten Morgen!
    Michael Naumann: Ja, guten Morgen. – Nein, Generalinspekteur der Bundeswehr war ich nie. Das war Klaus Naumann.
    Müller: Ja, ja. Soweit wollte ich jetzt auch nicht gehen. – Michael Naumann. – Herr Naumann, aber SPD stimmt ja immer noch, auch im Geiste.
    Naumann: Ja, natürlich! Wenn man einmal eintritt, bleibt man drin.
    "Über eine Schuldfrage gibt es hier relativ wenig zu debattieren"
    Müller: Dann gehen wir in die USA. Die Medien sagen, Donald Trump ist schuld. Ist das fair?
    Naumann: Ja. Es wäre doch absolut lächerlich anzunehmen, dass die Demokraten sich selber Bomben ins Haus schicken. Das sind zweifellos ganz eindeutige, ja man darf es ruhig sagen, protofaschistische Beweise beziehungsweise Anschläge von Leuten, die die Schimpfkanonaden und die sehr vulgären Schimpfkanonaden von Trump, die im Übrigen nach diesen Ereignissen vorgestern und gestern auch nicht abgenommen haben, ernst nehmen und zur Tat schreiten. Die Vorstellung, dass daran nun ausgerechnet die Medien schuld seien, das ist völlig grotesk. Das erinnert mich ein bisschen an Hoeneß, der sagt, die Medien sind schuld daran, dass Bayern München fünfmal hintereinander nicht gewinnt.
    Michael Naumann, Direktor der Barenboim-Said-Akademie in Berlin. Germany Copyright: xMikexWolff,xTSpx
    Michael Naumann: "Trump spielt den Versöhner, aber er spielt das eigentlich nur zum Spaß." (imago stock&people/Mike Wolff)
    Müller: Das hört sich jetzt ein bisschen so an, als geben Sie dem Präsidenten klar die Verantwortung, als hätte der diese Leute fast auch schon geschickt.
    Naumann: Nein, das tue ich nicht. Dass er sie geschickt hat, sicherlich nicht. Aber er hat von Anfang an ein Klima erzeugt, das gipfelte in dem Schlachtruf seiner Wähler, "Sperrt sie ein, sperrt sie ein!", und damit meinte man Hillary Clinton. Auch die Opfer dieser versuchten Anschläge, zum Beispiel die Abgeordnete Waters in Kalifornien, oder die Parteifunktionärin Wasserman, bezeichnete er als "Low IQ", und zwar gestern. Das heißt, die Bomben sind noch gar nicht bei denen entschärft, schon werden sie beschimpft, diese tendenziellen Opfer. Über eine Schuldfrage gibt es hier relativ wenig zu debattieren. Die wirkliche Frage ist, wo führt das hin.
    "Der Zynismus dieses Mannes ist eigentlich unübertroffen"
    Müller: Reden wir noch einmal kurz darüber, weil der Präsident ja in einer ersten Stellungnahme ganz klar die Gewalt verdammt hat und verurteilt hat, was er in vielen Stellungnahmen schon getan hat.
    Naumann: Moment, Moment! Das läuft so: Er liest das vom Teleprompter ab, liest es richtig ostentativ ab. Sie können sich das bei CNN und anderswo anschauen -, und zwar bei einer Wahlversammlung. Dann wendet er sich ans Publikum und sagt wörtlich: Na, wie habe ich das gemacht? Höre ich mich nicht wirklich sehr präsidentiell an? – Und dann sagt er: Und im Übrigen, diese Low IQ Wasserman. In wenigen Worten: Er spielt den Versöhner, aber er spielt das eigentlich nur zum Spaß. Der Zynismus dieses Mannes ist eigentlich unübertroffen.
    Müller: Es ist auch ein bisschen Satire, schreiben viele schon, was die Betrachtungsweise angeht.
    Naumann: Aber eine sehr blutige Satire.
    Müller: Herr Naumann, es gilt ja "Freedom of Speech", die Freiheit der Rede auch für den Präsidenten. Das heißt, er geht aus Ihrer Sicht von Anfang an viel zu weit und bricht damit den demokratischen Konsens?
    Naumann: Ja, das würde ich so sagen. Die wirkliche Frage ist auch, warum tut er das? Die Antwort wird immer übersehen. Er hat die Wahl de facto nach unseren demokratischen Maßstäben verloren. Hillary Clinton hat drei Millionen Stimmen mehr bekommen als er.
    "Machtübernahme der Minderheit des amerikanischen Volkes"
    Müller: Aber das gibt das Wahlsystem ja her.
    Naumann: Das liegt an diesem grotesken Wahlsystem, was im Übrigen auch hoch manipuliert ist, zum Nachteil der Schwarzen und der Latinos in den Südstaaten. In wenigen Worten: Wir haben hier wirklich das Phänomen einer Art quasi durch die Verfassung und das Wahlrecht legitimierten Machtübernahme der Minderheit des amerikanischen Volkes. Das muss man hin und wieder auch denjenigen sagen, die aus diesem merkwürdigen Mann an der Spitze des sicherlich mächtigsten Staates der Welt prinzipielle Rückschlüsse ziehen wollen auf die Qualität der amerikanischen Wähler und des amerikanischen Volkes.
    Müller: Das war bei vielen Präsidenten ja vorher auch schon so, dass die Mehrheitsverhältnisse anders verteilt waren, was dann die Vertretung der Sitze anbetrifft.
    Naumann: Ganz knapp einmal bei Nixon und dann ebenfalls höchst knapp und eigentlich nur durch einen höchstrichterlichen Entschluss im Falle George W. Bush entschieden. Aber ansonsten sind die Abstände normal und für uns auch nachvollziehbar.
    Müller: Das heißt, für Sie ist er gar nicht richtig legitimiert, weil da so ein komisches Wahlsystem ist?
    Naumann: Ja, das würde ich so sagen. Ja, doch durchaus, jedenfalls nach unseren Maßstäben.
    "Gutes ist für die nächsten Monate nicht zu erwarten"
    Müller: Was soll er denn jetzt machen, der amerikanische Präsident? Er hat ja mit dieser Rhetorik, von mir aus auch mit dieser Aggressivität, mit dieser klaren Sprache, vielleicht auch, wie wir sagen würden, mit der Stammtischsprache seinen Wahlkampf gewonnen. Er hat die Wähler damit dementsprechend auch mobilisiert, auf seine Seite gezogen. Vielleicht auch – das ist meine Frage -, weil Barack Obama, der Vorgänger, so weit weg war von den normalen Menschen?
    Naumann: Der war überhaupt nicht weit weg. Der ist zweimal gewählt worden, und zwar mit großen Abständen, Herr Müller. Nein, nein! Was hier passiert ist, ist unter anderem ein miserabler Wahlkampf von Hillary Clinton. Obwohl sie drei Millionen Stimmen mehr bekommen hatte, ist sie in die Problemfelder des Landes, nämlich im Mittelwesten, wo Arbeitslosigkeit herrscht, in den ehemaligen Stahlindustrie-Feldern, einfach nicht hingefahren. Das war ein bitterer Fehler.
    Aber das Hauptproblem ist eigentlich darin beschlossen, dass wir nicht wissen, was jetzt eigentlich nach den sogenannten Midterm Elections im November geschehen wird. Sollte etwa im Kongress, im Abgeordnetenhaus eine demokratische Mehrheit entstehen – und das ist zu vermuten -, dann wird dieses Haus ein sogenanntes Impeachment-Verfahren, ein Amtsabsetzungsverfahren einleiten gegen den Präsidenten, und die halbe Nation wird dann im Grunde genommen wiederum mit dem Krach in Washington beschäftigt werden. Die Stimmlage des Präsidenten wird noch einmal verschärft werden. Gutes ist für die nächsten Monate nicht zu erwarten.
    "Kampf gegen die Medien" - bei Hitler und Trump
    Müller: Reden wir über die Medien. Das ist ja auch das Thema, was im Moment zwischen diesen Fronten steht. Trump sagt, die Medien sind schuld; die Medien sagen, Trump ist schuld oder wie auch immer mitverantwortlich. Sie kennen diese Medienlandschaft sehr, sehr gut. Sie haben viele Jahre auch in den USA, in den Medien dort gearbeitet. Da laufen die Mechanismen schon etwas aggressiver, direkter, polarisierender als bei uns, in vielen Bereichen vielleicht auch transparenter. Aber kann es sein, dass "New York Times", "Washington Post", CNN, willkürliche Beispiele, jetzt von mir genannt, dass die mit dem Präsidenten wiederum nicht angemessen umgegangen sind in den vergangenen Monaten, voreingenommen?
    Naumann: Wissen Sie, die Antwort lautet: Angemessen? Es erübrigt sich fast die Antwort auf diese Frage. Er hat von Anfang an einen Wahlkampf unter anderem gegen die liberalen Medien, aber auch gegen viele konservative Medien geführt. Er hat im Grunde genommen genau das gemacht, und jetzt halten Sie sich fest: Wenn Sie eine Rede auf YouTube anschauen, die Hitler 1933 nach dem Wahlkampfsieg im März oder nach der Machtergreifung, es war ja kein Wahlkampfsieg im eigentlichen Sinne, vor Arbeitern von Siemens hier in Berlin gehalten hat. Da geht es von Anfang an in erster Linie um den Kampf gegen die Medien. Die Medien wird er am Zügel nehmen, die Medien wird er bestrafen für das, was sie gemacht haben. Genau diesen Wahlkampf hat Trump auch geführt.
    Müller: Sie vergleichen seine Rhetorik mit der Rhetorik von Adolf Hitler?
    Naumann: Ja, zumindest mit dieser Rede. Ja, das tue ich, und zwar gut begründet.
    Müller: Dennoch die Frage: Müssen die Medien einem Politiker eine faire Chance einräumen? Oder weiß man von vornherein: Alles das, was er macht, ohne jetzt über die Inhalte im Detail noch reden zu können, ist nicht gut, ist falsch und kontraproduktiv?
    "Die Medien haben ihre Pflicht getan"
    Naumann: Herr Müller, Ihre Frage insinuiert ganz einfach, dass das, was Sie jetzt behaupten, auch wirklich so gewesen ist.
    Müller: Nein, das ist eine Frage.
    Naumann: Das ist aber leider falsch. Die Frage lautet nicht, sind die Medien mit ihm unfair umgegangen? Das sind sie nicht, sondern sie haben getreulich alles das berichtet, was er so sagt, und da war sehr, sehr viel Unsinn dabei. Das entwickelte sich dann im Grunde genommen unwillentlich möglicherweise zu einer Art Unterhaltungsprogramm, Berichterstattung über einen durchgeknallten Reality-TV-Hauptdarsteller und zweifelhaften Kasino-Besitzer. In wenigen Worten: Die Medien haben meines Erachtens ihre Pflicht getan. Ich lese jeden Morgen die "New York Times" und bin leider auch ein regelmäßiger Betrachter von CNN - leider, weil ganz einfach natürlich die schlechten Nachrichten sich häufen, schlecht übrigens auch für die deutsche Wirtschaft, wie wir alle wissen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews.