Archiv

Navid Kermani
"In Bagdad lachen sie nicht mehr"

Der iranisch-stämmige Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani ist in den Irak gereist. Im Deutschlandfunk schildert er seine Eindrücke: eines in vielen Jahren "zugrunde gerichteten" Landes und von Menschen, die er in ihrem Kampf gegen den IS-Terror auf sich alleine gestellt erlebt hat.

Navid Kermani im Gespräch mit Kersten Knipp |
    Der Autor Navid Kermani liest am 13.03.2014 in Köln im Rahmen des internationalen Literaturfestival lit.cologne.
    Der deutsch-iranische Autor Navid Kermani. (picture alliance/dpa/Horst Galuschka)
    Seit Monaten gehen die Milizen der Terrororganisation "Islamischer Staat" im Irak mit äußerster Brutalität vor. Andersgläubige werden vertrieben oder ermordet, Frauen vergewaltigt. Doch die "Statik der Gesellschaft" sei schon früher zerschlagen worden, sagte Kermani in den DLF-Kulturfragen. So habe der "desaströs" durchgeführte Einmarsch unter Führung der USA 2003 "Chaos und Anarchie" im Irak befördert, eine Gesellschaft, "wo der Stärkere gewinnt".
    Der im August zurückgetretene Ministerpräsident Nuri al-Maliki habe die gespaltene Gesellschaft nicht zusammenbringen wollen, im Gegenteil, so Kermani: Al-Maliki habe bewusst die Religionen gegeneinander auseinandergespielt, habe Chaos gestiftet, um an der Macht zu bleiben. "Er wollte ein neuer Sadamm werden." Der Islamwissenschaftler hat sich im Auftrag des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" eine Woche lang im Irak aufgehalten und dabei auch den Distrikt Dohuk im Norden des Landes besucht.
    In dieser ärmlichen Region stünden aktuell rund 1,3 Millionen Einwohnern 700.000 Flüchtlinge gegenüber. Er habe die Menschen von Vergewaltigungen und Morden "traumatisiert" erlebt, so Kermani. Das Elend sei unbeschreiblich, und noch immer komme keine Hilfe an. Während seines Aufenthalts in Bagdad habe er "niemanden Lachen gesehen".
    Das Kulturgespräch mit Navid Kermani können Sie mindestens fünf Monate lang in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.