Vom Balkon des Alten Rathauses am Markt spielen die Bläser, wie schon vor 450 Jahren die Stadtpfeifer. Im Alten Rathaus unterschrieb Johann Sebastian Bach seinen Anstellungsvertrag. Er hat 27 Jahre in Leipzig gelebt, sein Grab befindet sich im Altarraum der Thomas-Kirche.
"Er war ja nicht nur Kantor an der Thomasschule und Thomaskirche, sondern Director Musicaes, verantwortlich also für die Musik in allen Leipziger Kirchen."
Der heutige Thomas-Kantor Georg Christoph Biller. Der Thomaner-Chor gilt als älteste kulturelle Einrichtung der Stadt und feiert in diesem Jahr sein 800-jähriges Gründungsjubiläum.
"Getreu diesem Paulus-Wort, "die Frau, das Weib schweige in der Gemeinde", gab es in der katholischen Kirche keine Kirchenmusik mit Frauenstimmen, obgleich man natürlich die Soprane besetzen musste. Und dann besetzte man sie also mit Knabenstimmen."
Woanders hat man diese Knabenchöre nach der Reformation aufgelöst. Nicht aber in Leipzig. Es wurde ein städtischer Chor, der trotzdem Kirchenmusik singt. Der 11-jährige Johannes Hildebrand ist Thomaner
"Ich sah den Chor einmal in einer Silvester-Motette und fand das so toll, dass ich unbedingt in den Chor wollte. Es sagen immer viele: 'Ach, die armen Jungs, was haben die für ein Pensum'. Aber, es gibt Leute, die machen halt den ganzen Tag, was ihnen Spaß macht, Fußball spielen oder so. Und uns macht halt Singen total Spaß und deswegen ist das keine Anstrengung, wenn wir singen, sondern Spaß halt. Das macht uns total Freude, wenn wir Musik singen."
Bach wohnte gleich neben der Kirche in der früheren Thomas-Schule, doch die wurde um 1900 abgerissen. Deshalb ist das Bose-Haus gegenüber Bach-Museum. Bose war ein wohlhabender Kaufmann, der sich einen Festsaal leistete mit technischen Raffinessen. Und zur Hausmusik war oft die Familie Bach eingeladen.
"Wenn der Herr Bose seine Gäste empfing, hörten sie Musik. Und während die Musik aufspielte, öffnete sich der Himmel und es kam eine umlaufende Galerie zum Vorschein, wie sie jetzt auch sehen, und auf dieser Galerie musizierten die Musiker. Gerade in der Barock-Zeit, wo solche technischen Spielereien beliebt waren, war das eine große Überraschung."
Auch jetzt erklingt hier regelmäßig Musik aus dem Himmel. Franziska von Sohl zeigt auch einen Orgelspieltisch.
"Und zwar ist das das einzige Instrument, von dem heute bekannt ist, dass Bach selbst darauf gespielt hat. Das ist der Orgelspieltisch der Johanneskirche, die zerstört worden ist."
Und gleich daneben hängen stilisierte Orgelpfeifen von der Decke. Wenn man sie anfasst, erklingt Musik.
"Da sind verschiedene Orgelwerke von Bach, das ist eine Möglichkeit, um einfach mal kurz zu verweilen. Und das macht besonders jungen Leuten und Kindern sehr viel Freude, weil sie einfach die Möglichkeit haben in diesem Museum etwas anzufassen und auch zu lauschen."
Die Alten Nikolaischule an der Nikolaikirche war Leipzigs erste und wichtigste Bürgerschule. Gottfried Wilhelm Leibnitz lernte hier und später Richard Wagner.
"Er ist 1828/29 hier zur Schule gegangen, war kein Musterschüler, im Gegenteil. Er hat sich mit den Lehrern immer angelegt, war faul und liederlich, wie er selber gesagt hat. Musste dann auch die Schule verlassen, war dann an der Thomasschule, hatte dann bei dem Thomaskantor Weinlig Kompositionsunterricht, genau wie Clara Wiek, bei demselben Lehrer. Und hat sich dann an der Universität eingeschrieben, um Musik zu studieren.""
Weil Wagners Geburtshaus am Brühl schon vor 1900 Platz machen musste für ein Kaufhaus, wird jetzt hier an ihn erinnert.
"Ganz interessant ist ja, dass diese Komponisten, die einen Ort in Leipzig haben, an dem sie sozusagen noch zu Hause sind, dass diese ganz anders im Gedächtnis der Stadt, der Bürgerschaft verankert sind, als die, die keinen Ort haben, die sozusagen obdachlos sind. Und jetzt schaffen wir wieder ein Zuhause für Wagner. Man könnte ja meinen, Musik ist eine immaterielle Kunst, was hat sie mit den Orten zu tun, wo zufällig die Schöpfer waren. Aber es sind eben auch Menschen, die sich dann mit bestimmten Orten verbinden. Das sind dann so wie Pilgerorte der Musik, die wir hier in Leipzig ganz viele haben an der Notenspur, die wir miteinander verbinden."
Geschwungene glänzende Metallbögen, eingelassen in die Gehwege, führen uns durch die Leipziger Innenstadt. Die Idee stammt von dem Physiker Prof. Werner Schneider. Schnell fand er Unterstützer, andere hielten sich zurück.
"Natürlich ist das eine ganz typische Leipziger Sache auch dieses Notenspur-Projekt, dass sich Bürger zusammentun. Das Gewandhaus ist so entstanden und das Bildermuseum, immer, dass sich Bürger zusammengetan haben und gesagt haben: Wir warten nicht, bis unsere Stadtverwaltung tätig wird. Das ist unsere Stadt und nicht die der Verwaltung und deshalb packen wir es an."
Am Augustusplatz wird gerade ein Neubau fertig, der gehört zur Universität
"Der Neubau des Paulinums, Universitätskirche und Aula. Auch wieder typisch für Leipzig, dass nicht etwas altes wieder originalgetreu aufgebaut worden ist, sondern immer auch der Sinn war, etwas weiter zu entwickeln. Es ist ja ein deutliches Zeichen, dass es auch als Kirche wahrnehmbar ist, gleichzeitig ist es nicht ganz symmetrisch, wird also auch an die Sprengung dieser Kirche 1968 mit erinnert. Ja und an dieser Station haben wir die Universitätsmusik sozusagen verortet."
Die Leipziger Universität ist die zweitälteste in Deutschland, war zeitweilig die größte und spielt eine große Rolle in der Musiktradition der Stadt.
"Und jeder, der hier studiert hat, hat im Propädeuticum zuerst die Sieben freien Künste belegt, da war Musik auch dabei. Und deshalb war jeder, der hier studiert hat, auch sehr gut musikalisch ausgebildet. Und z. B. Georg Philipp Telemann, als er hier Jura studiert hat, war er nebenbei, in Wirklichkeit hauptsächlich, war er gleichzeitig Operndirektor, hat mit den Studenten Chöre und Orchester besetzt, hat das Collegium Musicum gegründet, das dann später von Bach weitergeführt wurde."
Gleich neben der Uni steht das Gewandhaus. Es ist schon das dritte Haus, und sein Orchester, mittlerweile der größte Klangkörper der Welt, hat eine uralte Tradition, erzählt Gewandhausdirektor Andreas Schulz:
"1743 gegründet von 16 Kaufleuten, sehr wohlhabenden Kaufleuten. Leipzig hatte ja eine sehr reiche Kaufmannstradition, von den Messen hervorgebracht. Und diese 16 Kaufleute haben 16 Musiker angestellt. Wenn ich das etwas salopp formuliere, war das die Antwort auf das höfisch geförderte Dresden, wo die Staatskapelle schon viel länger residierte. Und die Kaufleute haben gesagt: Das können wir auch."
Gewandhausorchester heißt es, weil es über 100 Jahre auf dem zu einem Saal umgebauten Dachboden der Tuchmacher-Gilde musizierte. Der berühmteste und jüngste Gewandhaus-Kapellmeister war Felix Mendelssohn-Bartholdy. Der kam 26-jährig und doch schon ein Star nach Leipzig.
Goldschmidtstraße Nr. 12. Der spätklassizistische herrschaftliche Bau von 1844 ist Mendelssohns einzige erhaltene und letzte Adresse. Eine großzügige bürgerliche Wohnung mit winzigem Schlafraum ohne Fenster, dafür einem repräsentativen Salon, seinem kleinen Arbeitszimmer und zum Teil Originalmöbeln.
"Die Mendelssohn angefasst hat und auf denen er gesessen hat. Wir können wirklich diese ganz spannende Welt des 19. Jahrhunderts. Zum erleben präsentieren. Mit der Remise, die wir heute Gartenhaus nennen, und dem Garten."
Vor 25 Jahren sollte das heruntergekommene Haus abgerissen werden. Dem damaligen Gewandhaus-Kapellmeister Kurt Masur ist es zu verdanken, dass es noch steht und restauriert ist. Doch – so Direktor Jürgen Ernst – der Verfall hatte auch seinen Vorteil.
"Dass noch Originalsubstanz und zwar in großem Maße da gewesen ist, die man freilegen konnte und dadurch, dass Mendelssohn Erstmieter war, auch genau zuordnen konnte. Also wir beide sitzen hier auf demselben Fußboden, wie Felix Mendelssohn Bartholdy, Clara Schumann, Robert Schumann, Richard Wagner. Also ich sage immer gerne: es ist wie im Beethoven-Haus in Bonn. Sie können sich in die originale Welt des Meisters begeben."
An den Wänden hängen Zeichnungen und Aquarelle von Mendelssohn, denn der konnte nicht nur wunderbar musizieren und komponieren, sondern auch malen. Das Gartenhaus ist nun Cafe und im Salon wird am Sonntag-Vormittag musiziert.
Im Sommer auch draußen im Garten. Warum hat gerade Leipzig so viele berühmte Komponisten angezogen? Da waren die Universität, die großen Kirchen, viel Geld und die Leipziger Handelsmessen.
"Die Messen waren gleichzeitig auch immer Kunst-Messen, Orte nicht nur des Austauschs von Waren, sondern von Ideen. Und wenn man hier aufgetreten ist, bekam man auch Anschlussaufträge, Engagements. Und dann später am Ende des 18. und im 19. Jh. diese große Verlagsindustrie, wo ja Leipzig sozusagen Welthauptstadt des Buches war. Und diese großen Musik-Verlage, die haben die Musiker von überall hierher gezogen.
Wir stehen jetzt vor dem ehemaligen Verlagshaus C. F. Peters. In diesem Haus waren Endes des 19. Jh. viele große Komponisten zu Gast: Richard Strauß, Edvard Grieg, Brahms und Schönberg. Das wichtigste ist für dieses Haus der Exklusiv-Vertrag, den der C.-F.-Peters-Verlag mit Edvard Grieg abgeschlossen hatte, der ja in Leipzig studiert hatte und dann später auch immer wieder hier her gekommen ist vor allem über den Winter, wenn es in Norwegen so kalt war, dann hat er hier die Gewandhaus-Saison über den Winter genossen. Er hatte hier oben eine kleine Wohnung und hat hier auch komponiert."
Die Wohnung unterm Dach kann man nicht sehen, doch das Zimmer des Verlagsdirektors ist nun Edvard Grieg gewidmet und ab und zu erklingt seine Musik.
Das Grassi-Museum beherbergt eine umfangreiche Instrumenten-Sammlung vom 16. Jahrhundert bis zur Neuzeit. Instrumente, die in Leipzig gespielt wurden. Wie die Glasharmonika. Zu Mendelssohns Zeit war sie schon aus der Mode, er hat sie trotzdem benutzt. Die Direktorin Eszter Fontana erklärt, wie sie funktioniert.
"Das sind Glasschalen unterschiedlicher Größe hintereinander auf einer Achse aufgereiht und die werden mit nassen Fingern angespielt. Das ist ein bisschen kompliziert, deshalb spielt man ganz langsam. Das Prinzip ist ähnlich, wie wir das alle mit dem Weinglas kennen, wenn man mit dem Finger oben über den Rand fährt, dann erklingt das auch so schön. Und der Erfinder war Benjamin Franklin."
Hinter dem Grassi-Museum liegt der Alten Johannesfriedhof, jetzt ein Park, in dem uralte Grabsteine zu entdecken sind, auch ein Grab, das zu Richard Wagner gehört.
"Das ist jetzt hier das Grab von seiner Mutter und seiner Lieblingsschwester, die nämlich Schauspielerin war am hiesigen Theater. Und daher hat er auch seine Theaterleidenschaft. Dieses Doppelinteresse, was ja bei Wagner deutlich anders ist als bei Schumann oder Mendelssohn, hat sich ausgeprägt auch ganz wesentlich durch seine Schwester."
Es sind nur ein paar Schritte zu Robert und Clara-Schumann in der Inselstraße. Um in ihre erste gemeinsame Wohnung zu kommen, gehen wir über einen Schulhof. Denn das prächtige klassizistische Haus ist heute gleich dreierlei. Christiane Sporn:
"Das Schumann-Haus wird heute als gemeinschaftliche Institution genutzt von der freien Grundschule Clara Schumann, der Musikschule Clara Schumann und dem Robert- und Clara-Schumann-Verein. Der betreibt hier im Herzstück des Hauses das Museum sozusagen als historische Komponente, und die beiden Schulen bringen den Kindern musische Kenntnisse bei."
In dem originalgetreu restaurierten Salon, in dem samstags Schumann-Musik zu hören ist, haben Robert und Clara musiziert, saßen schon die Musik-Größen ihrer Zeit. Wir kommen wieder zur Thomaskirche, ein besonderer Punkt auf der Notenspur.
"Da sie ja mit Bach verbunden ist. Nicht nur mit Bach. Ist auch eng mit Mendelssohn verbunden, weil er ja dann so dieser Bach-Entdecker im 19. Jh. war, hier Benefiz-Konzerte gegeben hat. Und später Straube und Reger, diese Orgelmusik des ausgehenden 19. Jh. Also in der Thomas-Kirche war praktisch jeder."
Und sie war über die Jahrhunderte und ist es immer noch Heimstadt des Thomanerchores. Der singt hier immer freitags und samstags Motetten. Und wenn die Jungs Schulferien haben, dann kommen ehemalige, wie das Ensemble Nobiles. Die jungen Männer singen geistliche Musik genauso gerne wie Männerchöre der Romantik. Paul Heller:
"Es gibt sehr, sehr viele weltliche Männerchöre von Schumann, Schubert, Mendelssohn, die etwas in Vergessenheit geraten sind. Es ist in der Romantik ja gang und gäbe gewesen, dass solche Formationen – gut, weit größer als wir es sind – bis zu 800 Männer gesungen und Männerchöre geschmettert haben. Natürlich wollen wir nicht den Klang von 800 Leuten erzeugen, aber in kleinerem Stile das eben kammermusikalisch gestalten."
"Er war ja nicht nur Kantor an der Thomasschule und Thomaskirche, sondern Director Musicaes, verantwortlich also für die Musik in allen Leipziger Kirchen."
Der heutige Thomas-Kantor Georg Christoph Biller. Der Thomaner-Chor gilt als älteste kulturelle Einrichtung der Stadt und feiert in diesem Jahr sein 800-jähriges Gründungsjubiläum.
"Getreu diesem Paulus-Wort, "die Frau, das Weib schweige in der Gemeinde", gab es in der katholischen Kirche keine Kirchenmusik mit Frauenstimmen, obgleich man natürlich die Soprane besetzen musste. Und dann besetzte man sie also mit Knabenstimmen."
Woanders hat man diese Knabenchöre nach der Reformation aufgelöst. Nicht aber in Leipzig. Es wurde ein städtischer Chor, der trotzdem Kirchenmusik singt. Der 11-jährige Johannes Hildebrand ist Thomaner
"Ich sah den Chor einmal in einer Silvester-Motette und fand das so toll, dass ich unbedingt in den Chor wollte. Es sagen immer viele: 'Ach, die armen Jungs, was haben die für ein Pensum'. Aber, es gibt Leute, die machen halt den ganzen Tag, was ihnen Spaß macht, Fußball spielen oder so. Und uns macht halt Singen total Spaß und deswegen ist das keine Anstrengung, wenn wir singen, sondern Spaß halt. Das macht uns total Freude, wenn wir Musik singen."
Bach wohnte gleich neben der Kirche in der früheren Thomas-Schule, doch die wurde um 1900 abgerissen. Deshalb ist das Bose-Haus gegenüber Bach-Museum. Bose war ein wohlhabender Kaufmann, der sich einen Festsaal leistete mit technischen Raffinessen. Und zur Hausmusik war oft die Familie Bach eingeladen.
"Wenn der Herr Bose seine Gäste empfing, hörten sie Musik. Und während die Musik aufspielte, öffnete sich der Himmel und es kam eine umlaufende Galerie zum Vorschein, wie sie jetzt auch sehen, und auf dieser Galerie musizierten die Musiker. Gerade in der Barock-Zeit, wo solche technischen Spielereien beliebt waren, war das eine große Überraschung."
Auch jetzt erklingt hier regelmäßig Musik aus dem Himmel. Franziska von Sohl zeigt auch einen Orgelspieltisch.
"Und zwar ist das das einzige Instrument, von dem heute bekannt ist, dass Bach selbst darauf gespielt hat. Das ist der Orgelspieltisch der Johanneskirche, die zerstört worden ist."
Und gleich daneben hängen stilisierte Orgelpfeifen von der Decke. Wenn man sie anfasst, erklingt Musik.
"Da sind verschiedene Orgelwerke von Bach, das ist eine Möglichkeit, um einfach mal kurz zu verweilen. Und das macht besonders jungen Leuten und Kindern sehr viel Freude, weil sie einfach die Möglichkeit haben in diesem Museum etwas anzufassen und auch zu lauschen."
Die Alten Nikolaischule an der Nikolaikirche war Leipzigs erste und wichtigste Bürgerschule. Gottfried Wilhelm Leibnitz lernte hier und später Richard Wagner.
"Er ist 1828/29 hier zur Schule gegangen, war kein Musterschüler, im Gegenteil. Er hat sich mit den Lehrern immer angelegt, war faul und liederlich, wie er selber gesagt hat. Musste dann auch die Schule verlassen, war dann an der Thomasschule, hatte dann bei dem Thomaskantor Weinlig Kompositionsunterricht, genau wie Clara Wiek, bei demselben Lehrer. Und hat sich dann an der Universität eingeschrieben, um Musik zu studieren.""
Weil Wagners Geburtshaus am Brühl schon vor 1900 Platz machen musste für ein Kaufhaus, wird jetzt hier an ihn erinnert.
"Ganz interessant ist ja, dass diese Komponisten, die einen Ort in Leipzig haben, an dem sie sozusagen noch zu Hause sind, dass diese ganz anders im Gedächtnis der Stadt, der Bürgerschaft verankert sind, als die, die keinen Ort haben, die sozusagen obdachlos sind. Und jetzt schaffen wir wieder ein Zuhause für Wagner. Man könnte ja meinen, Musik ist eine immaterielle Kunst, was hat sie mit den Orten zu tun, wo zufällig die Schöpfer waren. Aber es sind eben auch Menschen, die sich dann mit bestimmten Orten verbinden. Das sind dann so wie Pilgerorte der Musik, die wir hier in Leipzig ganz viele haben an der Notenspur, die wir miteinander verbinden."
Geschwungene glänzende Metallbögen, eingelassen in die Gehwege, führen uns durch die Leipziger Innenstadt. Die Idee stammt von dem Physiker Prof. Werner Schneider. Schnell fand er Unterstützer, andere hielten sich zurück.
"Natürlich ist das eine ganz typische Leipziger Sache auch dieses Notenspur-Projekt, dass sich Bürger zusammentun. Das Gewandhaus ist so entstanden und das Bildermuseum, immer, dass sich Bürger zusammengetan haben und gesagt haben: Wir warten nicht, bis unsere Stadtverwaltung tätig wird. Das ist unsere Stadt und nicht die der Verwaltung und deshalb packen wir es an."
Am Augustusplatz wird gerade ein Neubau fertig, der gehört zur Universität
"Der Neubau des Paulinums, Universitätskirche und Aula. Auch wieder typisch für Leipzig, dass nicht etwas altes wieder originalgetreu aufgebaut worden ist, sondern immer auch der Sinn war, etwas weiter zu entwickeln. Es ist ja ein deutliches Zeichen, dass es auch als Kirche wahrnehmbar ist, gleichzeitig ist es nicht ganz symmetrisch, wird also auch an die Sprengung dieser Kirche 1968 mit erinnert. Ja und an dieser Station haben wir die Universitätsmusik sozusagen verortet."
Die Leipziger Universität ist die zweitälteste in Deutschland, war zeitweilig die größte und spielt eine große Rolle in der Musiktradition der Stadt.
"Und jeder, der hier studiert hat, hat im Propädeuticum zuerst die Sieben freien Künste belegt, da war Musik auch dabei. Und deshalb war jeder, der hier studiert hat, auch sehr gut musikalisch ausgebildet. Und z. B. Georg Philipp Telemann, als er hier Jura studiert hat, war er nebenbei, in Wirklichkeit hauptsächlich, war er gleichzeitig Operndirektor, hat mit den Studenten Chöre und Orchester besetzt, hat das Collegium Musicum gegründet, das dann später von Bach weitergeführt wurde."
Gleich neben der Uni steht das Gewandhaus. Es ist schon das dritte Haus, und sein Orchester, mittlerweile der größte Klangkörper der Welt, hat eine uralte Tradition, erzählt Gewandhausdirektor Andreas Schulz:
"1743 gegründet von 16 Kaufleuten, sehr wohlhabenden Kaufleuten. Leipzig hatte ja eine sehr reiche Kaufmannstradition, von den Messen hervorgebracht. Und diese 16 Kaufleute haben 16 Musiker angestellt. Wenn ich das etwas salopp formuliere, war das die Antwort auf das höfisch geförderte Dresden, wo die Staatskapelle schon viel länger residierte. Und die Kaufleute haben gesagt: Das können wir auch."
Gewandhausorchester heißt es, weil es über 100 Jahre auf dem zu einem Saal umgebauten Dachboden der Tuchmacher-Gilde musizierte. Der berühmteste und jüngste Gewandhaus-Kapellmeister war Felix Mendelssohn-Bartholdy. Der kam 26-jährig und doch schon ein Star nach Leipzig.
Goldschmidtstraße Nr. 12. Der spätklassizistische herrschaftliche Bau von 1844 ist Mendelssohns einzige erhaltene und letzte Adresse. Eine großzügige bürgerliche Wohnung mit winzigem Schlafraum ohne Fenster, dafür einem repräsentativen Salon, seinem kleinen Arbeitszimmer und zum Teil Originalmöbeln.
"Die Mendelssohn angefasst hat und auf denen er gesessen hat. Wir können wirklich diese ganz spannende Welt des 19. Jahrhunderts. Zum erleben präsentieren. Mit der Remise, die wir heute Gartenhaus nennen, und dem Garten."
Vor 25 Jahren sollte das heruntergekommene Haus abgerissen werden. Dem damaligen Gewandhaus-Kapellmeister Kurt Masur ist es zu verdanken, dass es noch steht und restauriert ist. Doch – so Direktor Jürgen Ernst – der Verfall hatte auch seinen Vorteil.
"Dass noch Originalsubstanz und zwar in großem Maße da gewesen ist, die man freilegen konnte und dadurch, dass Mendelssohn Erstmieter war, auch genau zuordnen konnte. Also wir beide sitzen hier auf demselben Fußboden, wie Felix Mendelssohn Bartholdy, Clara Schumann, Robert Schumann, Richard Wagner. Also ich sage immer gerne: es ist wie im Beethoven-Haus in Bonn. Sie können sich in die originale Welt des Meisters begeben."
An den Wänden hängen Zeichnungen und Aquarelle von Mendelssohn, denn der konnte nicht nur wunderbar musizieren und komponieren, sondern auch malen. Das Gartenhaus ist nun Cafe und im Salon wird am Sonntag-Vormittag musiziert.
Im Sommer auch draußen im Garten. Warum hat gerade Leipzig so viele berühmte Komponisten angezogen? Da waren die Universität, die großen Kirchen, viel Geld und die Leipziger Handelsmessen.
"Die Messen waren gleichzeitig auch immer Kunst-Messen, Orte nicht nur des Austauschs von Waren, sondern von Ideen. Und wenn man hier aufgetreten ist, bekam man auch Anschlussaufträge, Engagements. Und dann später am Ende des 18. und im 19. Jh. diese große Verlagsindustrie, wo ja Leipzig sozusagen Welthauptstadt des Buches war. Und diese großen Musik-Verlage, die haben die Musiker von überall hierher gezogen.
Wir stehen jetzt vor dem ehemaligen Verlagshaus C. F. Peters. In diesem Haus waren Endes des 19. Jh. viele große Komponisten zu Gast: Richard Strauß, Edvard Grieg, Brahms und Schönberg. Das wichtigste ist für dieses Haus der Exklusiv-Vertrag, den der C.-F.-Peters-Verlag mit Edvard Grieg abgeschlossen hatte, der ja in Leipzig studiert hatte und dann später auch immer wieder hier her gekommen ist vor allem über den Winter, wenn es in Norwegen so kalt war, dann hat er hier die Gewandhaus-Saison über den Winter genossen. Er hatte hier oben eine kleine Wohnung und hat hier auch komponiert."
Die Wohnung unterm Dach kann man nicht sehen, doch das Zimmer des Verlagsdirektors ist nun Edvard Grieg gewidmet und ab und zu erklingt seine Musik.
Das Grassi-Museum beherbergt eine umfangreiche Instrumenten-Sammlung vom 16. Jahrhundert bis zur Neuzeit. Instrumente, die in Leipzig gespielt wurden. Wie die Glasharmonika. Zu Mendelssohns Zeit war sie schon aus der Mode, er hat sie trotzdem benutzt. Die Direktorin Eszter Fontana erklärt, wie sie funktioniert.
"Das sind Glasschalen unterschiedlicher Größe hintereinander auf einer Achse aufgereiht und die werden mit nassen Fingern angespielt. Das ist ein bisschen kompliziert, deshalb spielt man ganz langsam. Das Prinzip ist ähnlich, wie wir das alle mit dem Weinglas kennen, wenn man mit dem Finger oben über den Rand fährt, dann erklingt das auch so schön. Und der Erfinder war Benjamin Franklin."
Hinter dem Grassi-Museum liegt der Alten Johannesfriedhof, jetzt ein Park, in dem uralte Grabsteine zu entdecken sind, auch ein Grab, das zu Richard Wagner gehört.
"Das ist jetzt hier das Grab von seiner Mutter und seiner Lieblingsschwester, die nämlich Schauspielerin war am hiesigen Theater. Und daher hat er auch seine Theaterleidenschaft. Dieses Doppelinteresse, was ja bei Wagner deutlich anders ist als bei Schumann oder Mendelssohn, hat sich ausgeprägt auch ganz wesentlich durch seine Schwester."
Es sind nur ein paar Schritte zu Robert und Clara-Schumann in der Inselstraße. Um in ihre erste gemeinsame Wohnung zu kommen, gehen wir über einen Schulhof. Denn das prächtige klassizistische Haus ist heute gleich dreierlei. Christiane Sporn:
"Das Schumann-Haus wird heute als gemeinschaftliche Institution genutzt von der freien Grundschule Clara Schumann, der Musikschule Clara Schumann und dem Robert- und Clara-Schumann-Verein. Der betreibt hier im Herzstück des Hauses das Museum sozusagen als historische Komponente, und die beiden Schulen bringen den Kindern musische Kenntnisse bei."
In dem originalgetreu restaurierten Salon, in dem samstags Schumann-Musik zu hören ist, haben Robert und Clara musiziert, saßen schon die Musik-Größen ihrer Zeit. Wir kommen wieder zur Thomaskirche, ein besonderer Punkt auf der Notenspur.
"Da sie ja mit Bach verbunden ist. Nicht nur mit Bach. Ist auch eng mit Mendelssohn verbunden, weil er ja dann so dieser Bach-Entdecker im 19. Jh. war, hier Benefiz-Konzerte gegeben hat. Und später Straube und Reger, diese Orgelmusik des ausgehenden 19. Jh. Also in der Thomas-Kirche war praktisch jeder."
Und sie war über die Jahrhunderte und ist es immer noch Heimstadt des Thomanerchores. Der singt hier immer freitags und samstags Motetten. Und wenn die Jungs Schulferien haben, dann kommen ehemalige, wie das Ensemble Nobiles. Die jungen Männer singen geistliche Musik genauso gerne wie Männerchöre der Romantik. Paul Heller:
"Es gibt sehr, sehr viele weltliche Männerchöre von Schumann, Schubert, Mendelssohn, die etwas in Vergessenheit geraten sind. Es ist in der Romantik ja gang und gäbe gewesen, dass solche Formationen – gut, weit größer als wir es sind – bis zu 800 Männer gesungen und Männerchöre geschmettert haben. Natürlich wollen wir nicht den Klang von 800 Leuten erzeugen, aber in kleinerem Stile das eben kammermusikalisch gestalten."