Kremlkritiker ist tot
Mit Nawalny stirbt ein Stück Hoffnung auf ein besseres Russland

Alexej Nawalny hätte eine wichtige Rolle in einem Russland nach Putin spielen können, kommentiert Florian Kellermann. Die alleinige Schuld an seinem Tod trage der Kreml - auch wenn der Zeitpunkt des Todes von Putin so wohl nicht geplant gewesen sei.

Ein Kommentar von Florian Kellermann |
Vor der russischen Botschaft in London haben kurz nach der Meldung über Nawalnys Tod Menschen protestiert. Einer hält ein Schild mit der Aufschrift: "Russian Federation killed Nawalny".
Vor der russischen Botschaft in London gab es kurz nach der Meldung über Nawalnys Tod Proteste. (IMAGO/ZUMA Wire/Vuk Valcic)
Wer sich gegen Wladimir Putin stellt, begibt sich in Lebensgefahr. Alexej Nawalny ist ein weiterer Name auf der Liste der toten Widersacher des russischen Präsidenten. Auch bei dem 47-Jährigen wird sich vielleicht nie nachweisen lassen, dass der Kreml seinen Tod wollte – weder beim Giftanschlag vor vier Jahren noch jetzt, da Nawalny in einer Strafkolonie nördlich des Polarkreises ums Leben kam.
Sehr wahrscheinlich sogar war sein Tod zum jetzigen Zeitpunkt nicht geplant. Im März sind Präsidentschaftswahlen in Russland. Sie verdienen diesen Namen zwar nicht, Putin steht schon jetzt als Sieger fest. Trotzdem will der Kreml, dass diese Wahl möglichst ruhig, als großes Putin-Fest über die Bühne geht. Der Tod seines erbittertsten Gegners kann da nur störend wirken.

Der Kreml trägt die volle Verantwortung

Trotzdem trägt der Kreml die volle Verantwortung. Zunächst für den Giftanschlag, der Nawalnys Gesundheit nachhaltig beschädigt hatte. Dann für die wiederholten Verurteilungen unter fadenscheinigen Vorwänden, zuletzt zu 19 Jahren Haft unter besonders strengen Bedingungen.
Und natürlich trägt der Kreml auch die Verantwortung für die grausamen Haftbedingungen, die für Nawalnys Tod ausschlaggebend gewesen sein dürften. Ganze 27 Mal war der Oppositionelle in sogenannter Straf-Isolationshaft. Das heißt in Russland: für mehrere Tage Unterbringung in Kälte, ohne ausreichende Nahrung, ohne Frischluft, ohne Bewegung.

Nawalny wollte ein demokratisches Russland

Mit Nawalny hat der Kreml einen Mann auf dem Gewissen, der für ein besseres Russland stand. Seine Widersacher warfen ihm vor, dass er aus einem ultranationalistischen Lager stammte. Das ist richtig. Allerdings hatte er sich längst gewandelt. Sein Ziel war ein Russland mit einer parlamentarischen Demokratie und bürgerlicher Freiheit – das Gegenteil des immer autoritäreren Systems, das Putin dem Land aufzwingt. Den Generalangriff auf die Ukraine vor zwei Jahren verurteilte er, er beklagte russische Kriegsverbrechen im westlichen Nachbarland.
Viel wichtiger als Nawalnys Ansichten jedoch war seine Entschlossenheit. Er kam vor drei Jahren nach Russland zurück, nachdem er in Berlin von den Folgen einer Vergiftung geheilt worden war. Dabei musste er wissen, dass er bei seiner Ankunft in Moskau sofort verhaftet werden würde.
Nawalny war bereit, für seine Überzeugungen sein Leben einzusetzen. Deshalb hätte er eine der wichtigsten Figuren in einem Russland nach Putin werden können.
Mit Nawalny ist ein weiteres Stück Hoffnung auf ein demokratisches Russland gestorben.