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Kommentar zu Urteil in Russland
Mit Nawalny stand der Falsche vor Gericht

Das russische Justizsystem sei ein Hohn, kommentiert Sabine Adler. Es brauche Oppositionelle wie Kara-Mursa und Nawalny, um es mit diesem System aufzunehmen. Dass sie für den Rest ihres Lebens hinter Gitter sollen, zeige Putins große Angst.

Ein Kommentar von Sabine Adler |
Ein Moskauer Gericht hat den inhaftierten russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny zu einer weiteren, 19-jährigen Haftstrafe verurteilt
Ein Video-Standbild zeigt den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny vor Gericht. (IMAGO / SNA / Mikhail Voskresenskiy)
Wenn heute in Russland jemand hätte vor Gericht stehen und eine lebenslange Haftstrafe wegen Extremismus erhalten müssen, dann wäre das zuallererst der Chef der Wagner-Privatarmee, Jewgeni Prigoschin, gewesen.
Anders als der hat sich Alexej Nawalny nichts zuschulden kommen lassen. Er agierte als Journalist und Aktivist, brachte Licht in eines der größten Übel der russischen Gesellschaft: die Korruption, die das gesamte Herrschaftssystem von der Spitze bis nach unten wie Kitt zusammenhält.
Nawalny, der charismatische Gründer der Antikorruptionsstiftung, hat mit seinem Team akribisch und vor allem mutig recherchiert, nicht vor dem Präsidenten haltgemacht und in dessen Fassade vom ach so sauberen und bescheidenen Beamten nicht nur Risse getrieben, sondern sie zum Einsturz gebracht. Millionen wissen heute vom gigantischen Reichtum des russischen Staatsoberhaupts.

Russland nicht Männern wie Prigoschin überlassen

Der heute 47-jährige Nawalny hat dieses stalinsche Urteil, das Gleichgesinnten Angst einjagen soll, erwartet. Und er trägt es mit Würde. Wie er die ganze Zeit seit seiner Vergiftung durch den russischen Geheimdienst demonstriert, dass es ihm ernst ist mit seiner Heimat. Er tut, was er kann, um sie nicht Männern wie Jewgeni Prigoschin zu überlassen. Der Schaden, als der noch Essen für Kinder- und Militäreinrichtungen lieferte, war schon immens, doch die Magen-Darm-Erkrankungen waren nichts im Vergleich zu dem, was Putins Koch, der Mann fürs Grobe, in der Ukraine und weltweit anrichtete. Als sich seine Trollfabrik bei den US-Wahlen einmischte, als seine Söldner in der Zentralafrikanischen Republik, im Tschad, im Kongo, im Sudan, in Syrien und in Libyen mordeten, vergewaltigten, Aufstände anzettelten und sich dafür mit Förderrechten für Diamanten und Gold, Öl und Gas bezahlen ließen.
Dass niemand den Milizenchef dafür belangt, eine laut Verfassung verbotene Privatarmee zu gründen, dafür Männer, sogar zehntausende aus Gefängnissen anzuheuern, liegt daran, dass seine Dienste von ganz oben bestellt worden sind.  Der russische Präsident selbst hat zugegeben, dass Prigoschins Truppe vom russischen Staat finanziert wird. Die Gewinne aus den afrikanischen und arabischen Rohstoffen dürften allerdings wohl kaum in die Staatskasse fließen, sondern bei den zutiefst korrupten und moralisch verkommenen Eliten landen.
Es braucht die mutigsten Männer und Frauen, solche wie die Oppositionellen Wladimir Kara-Mursa und Alexej Nawalny, um es mit diesem System aufzunehmen. Dass sie für den Rest ihres Lebens hinter Gitter sollen, zeigt Putins große Angst. Es bleibt eine Hoffnung: dass ihre Haftstrafen enden, wenn es mit Putins Herrschaft vorbei ist. Vielleicht steht er dann mal vor Gericht.  
Porträt: Sabine Adler
Sabine Adler, Journalistin und Buchautorin. Journalistik-Studium Universität Leipzig, danach Sender Magdeburg, radio ffn, Deutsche Welle. Seit 1997 beim Deutschlandradio, u.a. als Russland-Korrespondentin, Leiterin des Hauptstadtstudios. 2011-2012 Leiterin Presse und Kommunikation Deutscher Bundestag. Danach Osteuropakorrespondentin, derzeit Leiterin des Reporterpools.