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Nawalny vor Gericht in Russland
"Mein Wahlkampf wird fortgesetzt"

Der Blogger und Kremlkritiker Alexej Nawalny steht in Russland erneut vor Gericht. Die Anklage wirft ihm Veruntreuung vor. Vor vier Jahren hatte es dazu bereits ein Urteil gegeben, das nach Kritik vom Europäischen Gerichtshof aufgehoben wurde. Nun wird der Prozess wiederholt. Nawalny nutzt das auch als Plattform - denn er will bei der Präsidentschaftswahl 2018 antreten.

Von Thielko Grieß |
    Alexei Nawalny erscheint zur Anhörung beim Gericht.
    Alexei Nawalny erscheint zur Anhörung beim Gericht. (imago/ITAR-TASS)
    In Vielem ähnelt dieser zweite Prozess dem ersten: Der Vorwurf ist derselbe. Alexej Nawalny soll, argumentierte gestern die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer, einem staatlichen Holzhandelsbetrieb einen beträchtlichen Schaden zugefügt haben. Der Firma seien wegen Nawalny Einnahmen von umgerechnet rund 400.000 Euro entgangen. Die Taten hätten sich im Jahr 2009 zugetragen.
    Staatsanwalt Bogdanow forderte in seinem Plädoyer das Gericht auf, Nawalny für schuldig zu erklären und zu fünf Jahren Haft auf Bewährung zu verurteilen. Zusätzlich sei eine Geldstrafe von umgerechnet etwa 7.800 Euro zu zahlen. Etwas geringer fällt die Straf-Forderung für den mitangeklagten früheren Geschäftspartner Piotr Ofizerow aus.
    Das Plädoyer liegt nahe am ersten Urteil, das an diesem Ort, im selben Gerichtssaal vor vier Jahren gesprochen worden war. Das Regionalgericht liegt in Kirow, einer Großstadt, anderthalb Flugstunden nordöstlich von Moskau entfernt. Auch die Ankläger sind dieselben und die Klageschrift des zweiten Prozesses ist die des ersten. Ebenso tut der Angeklagte Alexej Nawalny noch immer das, was er seit Jahren tut: Er bloggt und zeigt öffentlichkeitswirksam auf Verstrickungen zwischen Macht und Geld in Russland, weshalb er, wie vor vier Jahren schon, vermutet: Hier wolle eine gesteuerte Justiz ihn, den Oppositionellen, aus der Politik drängen.
    2018 finden in Russland die Präsidentschaftswahlen statt
    "Ich habe diese Message verstanden, vielen Dank, aber nein, meine Antwort ist Nein. Ich lehne dieses großzügige Angebot ab", sagt er ironisch in Richtung der Ankläger. Er sei unschuldig - und der Zeitpunkt des Prozesses sei nicht zufällig. Denn 2018 wird in Russland ein Präsident gewählt – und als bislang einziger Politiker hat Alexej Nawalny erklärt antreten zu wollen. Wird er verurteilt, darf er nicht mehr kandidieren.
    "Mein Wahlkampf wird fortgesetzt. Ich meine, ich habe das moralische und juristische Recht, an der Wahl teilzunehmen. Wir werden das Urteil vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und dem Obersten Gericht Russlands noch vor dem offiziellen Start des Wahlkampfs aufheben lassen."
    Oberste Gericht Russlands ordnete zweite Verfahren an
    Schon das erste Urteil war vom Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg kritisiert worden, weil der Prozess nicht fair verlaufen sei. Das Gericht habe die russischen Strafgesetze willkürlich ausgelegt. Das Oberste Gericht Russlands ordnete dann dieses neue, zweite Verfahren an. Gerichtssäle bieten Nawalny indes auch eine Bühne, den politischen Gegner anzugreifen:
    "Ich sage diese einfache Sache: Putin mit seiner Bande hat dafür gesorgt, dass in Russland in den letzten 15 Jahren Entwicklung und Wirtschaftswachstum um 20 Prozent hinter dem weltweiten Durchschnitt zurückgeblieben sind."
    Nawalny will heute in Sankt Petersburg sein Team vorstellen, das für ihn in der Millionenstadt wahlkämpfen soll. Das Urteil in Kirow soll am kommenden Mittwoch fallen.