Vowe-Trollmann: "Denkste die Mädels machen irgendwas an der Tafel? Kein Stück, die boxen in Papas Camp, aber irgendwas tun... ich musste das alte Zeug erstmal wieder weg machen."
Ginge es nach Rita Vowe-Trollmann, würden an der Tafel zum Gedenken an ihren Vater immer frische Blumen hängen. Sie markiert den Eingang zum Johann-Trollmann-Boxcamp, einer Backsteinhalle im Berliner Bergmannkiez. Johann Trollmann war bis 1933 einer der aufsehenerregendsten Profiboxer der damaligen Zeit gewesen. Lange wusste Rita Vowe-Trollmann über ihn nur das wenige, was sie als Teenager von Ihrer Tante erfahren hatte.
"Dass mein Vater Zigeuner war. Ich war wie vom Donner gerührt. So siehste, habe ich gedacht, das ist das, warum die Leute alle von dir Abstand nehmen. Das war ja damals der letzte Dreck gewesen."
Der tanzende Zigeuner
Ansichten, die sich zu Johann Trollmanns Zeiten auch in der Sportpresse widerspiegeln. Als "tanzenden Zigeuner" der, der "undeutsch" boxt wird er dort beschrieben. Seine sinto-deutschen Eltern nennen ihn Rukeli. Er wuchs in Hannover auf, wurde norddeutscher Meister im Amateurboxen und entgegen der Erwartungen nicht für die Olympischen Spiele 1928 nominiert.
Er wechselte in den Profibetrieb und ging nach Berlin. Wegen seines ungewöhnlichen Stils, wurde Trollmann bekannt und beliebt in einer damals angesagten Sportart. "Weil er so gut war vor allen Dingen, er war ja mit der Beste. Während des Boxens hat er mit den Frauen geflirtet, mit Handküsschen."
In der Berliner Bockbierbrauerei gewinnt Trollmann im Juni 1933 den Meistertitel im Halbschwergewicht. Tage später wird der ihm vom Boxverband wieder aberkannt, wegen angeblich ungenügender Leistung. Es sollte 70 Jahre dauern, bis Johann Trollmann seinen Titel zurück kriegt.
Die Initiative dazu kommt von Eva Rolle, der ersten Boxmanagerin Deutschlands. Zufällig sei sie Anfang der Nullerjahre auf Trollmanns Geschichte gestoßen. "Ich habe mich dann mit dem Bund Deutscher Berufsboxer, mit dem BDB in Verbindung gesetzt und ihnen meine Idee unterbreitet, wobei natürlich die erste Aussage war, naja Rolle davon wird er aber auch nicht mehr lebendig."
Geschichte ins rechte Licht rücken
Trollmann wurde 1944 im Konzentrationslager Wittenberge bei Hamburg von einem Kapo erschlagen, den er zuvor in einem Boxkampf besiegt hatte. Man wusste wer Trollmann war und ließ ihn nach der Zwangsarbeit regelmäßig gegen SS-Männer antreten. Zwei Jahre lang hatte Trollmann das trotz Unterernährung überlebt. Da hatte er seine Boxlizenz längst verloren, war per Gerichtsbeschluss zwangssterilisiert, von der Wehrmacht in den Krieg geschickt und als Sinti komplett entrechtet und doportiert worden.
Rolle: "Als dann die Gürtel an Familie Trollmann überreicht wurden, war das eine Genugtuung etwas erreicht zu haben, um die Geschichte ins rechte Licht gerückt zu haben."
Der BDB habe letztlich eingewilligt Trollmanns Meistertitel anzuerkennen. Rolle bereitet eine Gala vor, sucht Überlebende und Nachkommen der Familie Trollmann und so erfährt auch Rita Vowe-Trollmann, wer ihr Vater wirklich war. Getrennt von ihren Eltern war sie im Nationalsozialismus versteckt aufgewachsen, kannte weder ihren Vater noch die Überlebenden seiner Familie, sie kannte nur das Stigma Sinti zu sein.
Vowe-Trollmann: "Und ich hänge es ja auch nicht an die große Glocke, ich kann über die Straße gehen mir passiert nichts, weil man mir das nicht mehr ansieht."
Mit gebleichten Haaren und weiß gepuderter Haut im Ring
Für seinen letzten Profikampf stieg Johann Rukeli Trollmann im Juli 1933 mit gebleichten Haaren und weiß gepuderter Haut in den Ring. Er stand Fuß an Fuß mit dem Gegner, ohne Beinarbeit, wich den Schlägen nicht aus. Trollmanns Art den "deutschen Faustkampf" zu karikieren, der das Boxen zukünftig ablösen sollte.
Der Verband soll Trollmann mit Entzug der Lizenz gedroht haben, sollte er weiter "zigeunerhaft" tänzeln. Nach fünf Runden war er K.o. und seine Boxerkarriere besiegelt.
Mit der Niederlage des Nationalsozialismus wurde das viel eindrucksvollere Boxen aus Übersee wieder populär in Bundesrepublik. Ex-Promoterin Eva Rolle: "Mein Großvater war Amateurboxer und als ich fünf sechs Jahre alt war, hat er mich immer geweckt, um mit ihm die großen Kämpfe aus Amerika zu sehen."
Dorthin war beispielsweise auch der jüdische Boxer Erich Seelig zum Beispiel bereits Anfang der 30er geflüchtet, nachdem auch er bedroht und schikaniert wurde. Es sollte Jahrzehnte dauern bis auch in Deutschland wieder ansehnlich geboxt wurde, sagt Rolle.
Boxer häufig im Künstlernamen unterwegs
Leistungsträger in diesem Sport sind häufig Frauen und Männer mit Migrationsgeschichte. Doch diese Normalität anzuerkennen davon sei das Profiboxen noch deutlich weiter entfernt als der Fußball, sagt Ex-Boxer Ismail Özen-Otto. Bei der Vermarktung komme ein Boxer mit deutschklingendem Namen besser an, hat er beobachtet:
"Viele Sportler haben sich einen Künstlernamen genommen - Boxer besonders. Und das ist natürlich traurig wenn man sowas hört, irgendeine Sportler wegen dem Nachnamen oder Namen, oder ist Afrikaner, den kann man nicht so gut vermarkten."
Özen-Otto übernahm Mai 2019 die Rechte am Universum Boxstall. Dass jemand dazu gedrängt, oder aus Angst vor Diskriminierung den Namen ändert, müsse aufhören, weil es letztlich rassistisch sei.