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Nazis in der Umwelt-Szene
"Der Naturschutzgedanke ist ein Teil rechtsextremer Ideologie"

Das Klischee des linken Hippies trifft schon lange nicht mehr auf Umweltschützer zu. Denn unter ihnen befinden sich auch Rechtsextreme. Naturschutz verstanden als Heimatschutz sei tief im Rechtsextremismus verankert, sagte die Politikwissenschaftlerin Gudrun Heinrich im DLF. Man müsse davon ausgehen, dass es in vielen Verbänden Mitglieder mit rechter Gesinnung gebe.

Gudrun Heinrich im Gespräch mit Stefan Römermann |
    Die rechtspopulistische Partei Pro NRW hatte zu der Kundgebung unter dem Motto Kein Fußbreit der opportunistischen Pro-Erdogan-Politik in NRW! auf dem Bahnhofsvorplatz mit anschließendem Marsch durch die Kölner Innenstadt aufgerufen. Mehr als 1000 Polizisten waren im Einsatz, um Zusammenstöße mit linken Gegendemonstranten des Bündnis Köln gegen Rechts zu schützen. Köln, 04.09.2016
    Braune Ökos? Man müsse lernen, Rechtsextremismus als vielfältige Bewegung wahrzunehmen und in vielen Strukturen zu sehen, sagte Politkwissenschaftlerin Gudrun Heinrich. (imago stock&people / Hardt)
    Stefan Römermann: Birkenstocks, lange Haare und irgendwie links, meistens Wähler der Grünen - das ist das Klischee des typischen Umweltschützers. Und tatsächlich: Man findet auch heute noch in manchen Bioläden solche Menschen hinter der Kasse. Doch die Szene ist vielfältiger, viel vielfältiger, als man meinen könnte, denn auch viele Neonazis und Rechtsextreme sind überzeugte Umweltschützer oder gar zertifizierte Biobauern.
    Darüber spreche ich jetzt mit der Politologin Gudrun Heinrich von der Universität Rostock. Hallo, Frau Heinrich!
    Gudrun Heinrich: Ja, ich grüße Sie.
    Römermann: Frau Heinrich, wie passt denn braunes Gedankengut mit der Umweltschutzbewegung oder der Biobranche zusammen?
    Heinrich: Das passt eigentlich ganz gut zusammen, weil wenn wir uns an die Wurzeln der Naturschutzbewegung erinnern, so kommt das aus der deutschen Romantik, die natürlich auch sehr viele nationale Züge hat und heutzutage natürlich eine urkonservative bis hin rechtsextreme Konnotation auch hat. Das heißt, dass der Naturschutzgedanke im Rechtsextremismus eigentlich schon sehr lange Zeit verankert ist.
    Römermann: Blut und Boden passt dann auch irgendwo mit dem Schutz der Böden vor Nitratbelastung und Ähnlichem zusammen?
    Heinrich: Genau. Es geht den Rechtsextremen, den braunen Ökologen darum, die Natur so zu schützen wie sie ist. Sie haben ein sehr statisches Verständnis von Natur und Umwelt und da geht es darum, den deutschen Boden und den deutschen Wald zu schützen vor Einflüssen von außen, und das ist eigentlich eine sehr lange Tradition, die sich da im Moment wieder ganz aktuell zeigt.
    "Es gibt natürlich auch eine Vernetzung untereinander"
    Römermann: Sind diese braunen Ökos, wie sie teilweise genannt werden, irgendwie organisiert? Haben die eigene Umweltverbände? Oder schwimmen die, ich sage mal, ein bisschen unter der Oberfläche in den anderen Verbänden mit? Wie läuft das?
    Heinrich: Man muss erst mal feststellen, dass der Naturschutzgedanke als Heimatschutzgedanke ein Teil rechtsextremer Ideologie ist. Das heißt, da braucht es gar nicht einer besonderen Organisation, sondern das ist in vielfältiger Form auch in verschiedenen Parteiprogrammen und von Organisationen einfach verankert.
    Das heißt, dass diejenigen, die diesen Gedanken besonders in den Mittelpunkt stellen, natürlich versuchen, ihn auch zu leben und sich in ganz normalen Vereinen, Verbänden zu engagieren und mitzuschwimmen, zum Teil auch den Bereich der biologischen Landwirtschaft für sich nutzen, um quasi auch monetär davon zu leben, und dazu natürlich auch die normalen biologischen Vertriebsverbände nutzen, um ihre Produkte dann einzuschleusen.
    Daneben gibt es natürlich auch eine Vernetzung untereinander, wo verschiedene Zeitschriften, vor allen Dingen ein Zeitschriftenprojekt eine ganz wichtige Rolle spielt, wo sich dann diejenigen, die im rechtsextremen Spektrum Naturschutzgedanken verfolgen, wiederfinden und sich da auch organisieren.
    "Es ist ein Teil der Überzeugung, für den Naturschutz einzutreten"
    Römermann: Wie muss ich mir das denn vorstellen? Sie haben gerade gesagt, diese braunen Ökos, die sind auch teilweise in ganz normalen Verbänden aktiv. Heißt das, die sind dann dort ruhig und reden nicht über ihr braunes Gedankengut und kümmern sich nur um den Umweltschutz an der Stelle, oder ist das was, was dann an der Stelle doch immer mal wieder durchscheint?
    Heinrich: Natürlich scheint das immer mal wieder durch. Aber wir sind alle Menschen mit unterschiedlichen politischen, ideologischen Verortungen und Rechtsextremismus ist eine dieser Verortungen, die natürlich eine ganz besondere Rolle spielt, weil sie die demokratische freiheitliche Gesellschaft gefährdet. Wir müssen davon ausgehen, dass in vielen Verbänden immer wieder mal einzelne oder mehrere auftauchen, die eine rechtsextreme Gesinnung haben, zum Teil auch den Natur- und Umweltschutzgedanken nutzen, um ihre eigentlichen rechtsextremen oder dazu ihre rechtsextremen Gesinnungen und Ziele noch weiter zu propagieren und zu verfolgen.
    Aber es ist nicht nur die Strategie, den Natur- und Umweltschutz als Mäntelchen sich umzuhängen, um unentdeckt zu bleiben, sondern es ist auch ein Teil der Überzeugung, für den Naturschutz einzutreten. Aber es geht darum, dass wir lernen müssen, Rechtsextremismus als vielfältige Bewegung wahrzunehmen und in vielen Strukturen zu sehen, welche Ziele unsere Mitglieder, unsere Freunde, Leute von nebenan, die wir eigentlich total sympathisch finden und in vielen Dingen mit ihnen übereinstimmen, dann doch an der einen oder anderen Stelle ein Gedankengut vertreten, was deutlich problematisch ist.
    "In der Argumentation werden andere Begrifflichkeiten verwendet"
    Römermann: Sie haben es eben schon mal gesagt: In Parteiprogrammen taucht so was auch auf. In den Parteiprogrammen der NPD steht beispielsweise, dass sie Gentechnik ablehnen. Ist das da auch tatsächlich von Überzeugung geprägt, Ihrer Meinung nach, oder ist das doch nur ein grünes Mäntelchen?
    Heinrich: Das ist ambivalent. Ich glaube schon, dass ein Großteil dieser Überzeugung ist, weil es darum geht, den deutschen Boden so zu erhalten, und es geht um den Erhalt von Natur, so wie sie war. Es geht um artgerechtes Leben und da sind sicherlich sehr viele auch davon überzeugt, da etwas für den Erhalt des deutschen Volkes zu tun.
    In der Argumentation merken wir aber auch schon, dass es ganz andere Begrifflichkeiten sind als andere, die im Natur- und Umweltschutz engagiert sind, verwenden würden. Da würde es nicht um das deutsche Volk gehen beispielsweise. Auf der anderen Seite nutzt man natürlich im rechtsextremen Spektrum auch diese erst mal als unverfänglich erscheinenden Themen, um Zustimmung zu bekommen.
    Römermann: Gudrun Heinrich von der Universität Rostock. Ich sage vielen Dank für das Gespräch.
    Heinrich: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.