Worum geht's?
Recherchen des Online-Portals Business Insider haben interne Konflikte beim NDR Schleswig-Holstein offengelegt. Der Vorwurf: politische Einflussnahme auf die journalistische Berichterstattung des NDR in Kiel.
Es geht um einen Fall aus dem Jahr 2020. Damals hatte CDU-Ministerpräsident Daniel Günther seinen Parteikollegen und Innenminister Hans-Joachim Grothe entlassen. Günther begründete seine Entscheidung mit einem Vertrauensverlust. Grote habe fragwürdige Kontakte zu einem Polizeigewerkschafter und Journalisten gepflegt und geheime Informationen geteilt. Grote selbst bestreitet die Vorwürfe. Es steht Aussage gegen Aussage.
Daraufhin plante ein Journalist des NDR ein Interview mit dem Ex-Minister, das aber nie stattfand. Die Redaktionsleitung habe das Interview abgelehnt. Mit dem Fall wandte sich der Journalist an den Redaktionsausschuss im Sender, weil er sich "in der eigenverantwortlichen Erfüllung seiner Aufgaben im Rundfunk beeinträchtigt" gesehen habe. So steht es im Abschlussbericht des Redaktionsausschusses. Das Dokument liegt dem Deutschlandfunk vor.
Welche Reaktionen gibt es im Sender?
In einer Stellungnahme schreibt der Redaktionsausschuss, "dass das Interview mit dem ehemaligen Landesminister Grote hätte geführt werden müssen". Die Redaktionsleitung habe keine überzeugenden Gründe für eine Interview-Absage dargelegt. Der Redaktionsausschuss kann den Verdacht der politisch motivierten Einflussnahme abschließend weder bestätigen, noch widerlegen. Nach Ansicht des Redaktionsausschusses hätte sowohl ein Interview mit Ex-Innenminister Grote als auch mit Ministerpräsident Günther stattfinden müssen.
Der NDR hat sich in einer Pressemitteilung zu dem Fall geäußert. Darin weist er den Vorwurf eines "politischen Filters im Landesfunkhaus Schleswig-Holstein" zurück. Aus Sicht des Senders handle es sich um "einen üblichen, normalen Vorgang im redaktionellen Tagesgeschäft", dem eine "unterschiedliche journalistische Bewertung" zugrundeliegt. Die eigene Berichterstattung über den entlassenen Innenminister Grote hat der NDR hier zusammengefasst.
Mehrere freie und feste Mitarbeitende aus dem Landesfunkhaus in Kiel zeigen sich in einem Brief an Funkhaus-Direktor Volker Thormählen "schwer erschüttert" von den aktuellen Vorwürfen. Sie fordern eine lückenlose, transparente Aufarbeitung, an der die Belegschaft beteiligt wird. Ähnlich liest sich eine Pressemitteilung des Deutschen Journalisten-Verbands Nord:
Wie geht es weiter?
Der Vorsitzende der oppositionellen SPD-Fraktion im Kieler Landtag, Thomas Losse-Müller fordert eine Stellungnahme der Landesregierung. Die Regierung hat sich bisher noch nicht zu dem Vorfall geäußert. Patrick Breyer, der für die Piratenpartei im EU-Parlament sitzt und selbst Schleswig-Holsteiner ist, fordert personelle Konsequenzen.
Der Landesrundfunkrat überwacht als Kontrollgremium das NDR-Landesprogramm in Schleswig-Holstein. Seine Aufgaben entsprechen denen des Rundfunkrats, alle Mitglieder gehören auch dem übergreifenden Gremium an. Am Montag hat der Landesrundfunkrat nicht-öffentlich in einer Sondersitzung über den Fall beraten. Der Landesrundfunkrat will den Vorfall nun noch einmal objektiv und umfassend prüfen. Dazu hat das Gremium alle Unterlagen angefordert und will Betroffene befragen, erklärt Dlf-Landeskorrespondent Jörn Schaar.
Ein interne Prüfung hat keine Belege für einen "politischen Filter" im Landesfunkhaus Schleswig-Holstein gefunden. Es seien keine journalistischen Prinzipien verletzt wurden. Dagegen scheint ein wesentliches Problem das Redaktionsklima im Kieler Funkhaus zu sein, ohne "ausreichende Vertrauensgrundlage".
Die Ergebnisse einer externen Prüfung stehen noch aus.