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Necla Kelek über die islamische Familie
Ist der Koran an Problemen schuld?

In ihrem neuen Buch „Die unheilige Familie“ beschreibt Necla Kelek die islamische Familie als dysfunktional. Das patriarchale Familienmodell habe seinen Ursprung zu großen Teilen auch im Koran. Solange Frauen und Kinder unterdrückt würden, werde Integration nicht funktionieren.

Von Marie Wildermann |
Die Soziologin Necla Kelek zu Gast in der ARD-Talkshow "Maischberger"
Die Soziologin Necla Kelek (dpa / picture alliance / Revierfoto)
Das islamische Familienrecht unterscheide sich fundamental vom europäischen, sagt die Publizistin Necla Kelek bei einer Veranstaltung in der Berliner Urania:
"Es stellt die Frauen ganz unter die Kontrolle der Männer. Die Muslime sagen, der Islam habe die Gleichheit von Mann und Frau festgeschrieben. Das stimmt – aber nur für das Jenseits. Vor Gott seien Mann und Frau gleich. Aber im Diesseits ist die Frau unter der Obhut des Vormundes, und dieser ist ein Mann, sei es der Vater, der Bruder oder der Ehemann. Es ist immer ein Mann, der über ihr Leben auf dieser Erde entscheidet. Die Männer entscheiden über ihre Bildung, ihre Freizügigkeit, Arbeit, Ehepartner, Scheidung und behalten dabei die Kinder. Denn nach diesem Rechtssystem gehören die Kinder ihr nicht."
Frauen grundsätzlich diskriminiert?
Die Legitimation dafür liefern, so Necla Kelek, Koran und Hadithe. Im Koran sind nach islamischer Überzeugung Offenbarungen niedergeschrieben, die Mohammed direkt von Gott bekam. In den Hadithen ist überliefert, wie Mohammed gelebt haben soll. Koran und Hadithe gelten als Grundlage für alle Muslime weltweit. Sie würden Männer in allen Lebensbereichen begünstigen und Frauen grundsätzlich diskriminieren, sagt Necla Kelek.
Dieser Beitrag über das neue Buch von Necla Kelek wurde in einer Sendung mit einem Beitrag über das neue Buch von Benjamin Idriz gesendet. Die Redaktion setzt auf Meinungsvielfalt.
Das Gegen-Argument - nicht nur von Imamen vorgetragen - lautet: Mohammed habe den entrechteten Frauen der Antike ihre Würde zurückgegeben. Dieses Gegen-Argument lässt die Publizistin nicht gelten. Mehr noch: Sie kritisiert, erst der Islam habe die Frauen versklavt. Die islamischen Eroberungskrieger hätten Frauen geraubt und als Beute an die Männer verteilt. Kelek bezieht sich hier vor allem auf Untersuchungen der marokkanischen Soziologin Fatima Mernissi. Mohammed habe den Männern freie Verfügungsgewalt über Frauen gegeben, damit beginne die Unterdrückung der Frau im Islam, so Kelek.
"Eure Frauen sind für euch ein Saatfeld. Geht zu eurem Saatfeld, wo immer ihr wollt." (Koran, Sure 2, Vers 223)
heißt es im Koran, Sure 2, Vers 223. Gemeint ist die sexuelle Verfügbarkeit. Frauen, die sich nicht unterordnen wollen, dürfen nach Koransure 4, Vers 34 geschlagen werden:
"Diejenigen aber, deren Widerspenstigkeit ihr fürchtet, warnt sie, meidet sie in den Schlafgemächern und schlagt sie." (Koran, Sure 4, Vers 34)
Dass diese Ratschläge auch heute noch in Moschee-Gemeinden erteilt werden, hat Necla Kelek in ihrem Buch dokumentiert.
"Das Familienrecht ist eine Katastrophe"
Darüber hinaus dürfe es im Islam Sexualität nur in der Ehe geben, darum müssten vor allem Mädchen früh verheiratet werden. Die Grenzen zwischen arrangierten Ehen und Zwangsheiraten seien fließend, aber selten selbstbestimmt.
Mehr als 700 Millionen Mädchen und Frauen lebten weltweit in solchen Eheformen, zitiert Kelek Schätzungen von UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen; 250 Millionen seien bei der Eheschließung erst 15 Jahre oder jünger.
Einige bezeichnen dieses Phänomen als Frühverheiratung, andere sprechen von Kinderehen. Dafür sei Mohammed selbst das Vorbild, sagt Kelek. Denn nach islamischer Überlieferung habe er die neunjährige Aischa geheiratet. Und wenn der Koran in Sure 4, Vers 11 vorschreibe, Frauen sollten nur die Hälfte dessen erben, was Männer bekommen, dann verstoße das gegen die deutsche Verfassung, weil Frauen so diskriminiert würden.
"Das Familienrecht ist eine Katastrophe, es ist eine reinste Menschenrechtsverletzung", sagt Kelek.
"Ein männliches Herrschaftsinstrument"
Die Integrationsprobleme hätten sich seit 2015 verschärft, denn es seien vor allem Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, deren Weltbild in islamischen Ländern mit archaischen Vorstellungen geprägt worden sei.
"Das islamische Familienrecht hat sich in 46 von 52 islamischen Ländern durchgesetzt, das ist ganz legal", sagt Kelek.
Und auch wenn Genitalverstümmelung nicht nur in vielen islamischen Ländern üblich sei, die Zahl verstümmelter Frauen, die nach Europa gekommen sind, sei dramatisch gestiegen, das hätten Untersuchungen von Terre des Femmes ergeben. Zwar habe die Genitalverstümmelung keinen islamischen Hintergrund, sie sei aber von keiner der vier islamischen Rechtsschulen verurteilt worden, sagt Kelek.
Auch Polygamie sei in Deutschland zunehmend ein Thema:
"… heiratet, was euch an Frauen gut ansteht, ein jeder zwei, drei oder vier. Wenn ihr aber fürchtet, so viele nicht gerecht zu behandeln, dann nur eine oder was ihr an Sklavinnen besitzt." (Koran, Sure 4, Vers 3)
Sure 4, Vers 3. Die Mehr-Ehe steht demnach nur dem Mann zu. Deshalb sagt Necla Kelek: Polygamie ist frauenverachtend, sie ist ein männliches Herrschaftsinstrument, denn Ehefrauen hätten keine Wahl, könnten die Entscheidung des Mannes nur akzeptieren.
Am Ende des Buches listet Necla Kelek eine Reihe von Vorschlägen auf, die die Rechte muslimischer Frauen und Kinder stärken sollen. So könne verhindert werden, was sie als einen schleichenden – Zitat – "Import des islamischen Scharia-Rechts" bezeichnet.
Necla Kelek: "Die unheilige Familie. Wie die islamische Tradition Frauen und Kinder entrechtet"
Droemer Verlag, 330 Seiten, 19,99 Euro.