Preisen wir unsere Sprache! Denn wann immer es nützlich ist, hält sie zu einem Begriff garantiert den passenden Gegenbegriff bereit. Zu "Bejahung" "Verneinung", zu "gut" "böse", zu "Sinn" "Blödsinn" und so weiter.
Zu dem schönen Hauptwort "Preis" aber, das von dem uralten Tu-Wort "preisen" abstammt, gab es Jahrhunderte lang keinen zackigen Gegenbegriff. Wozu auch? Viele priesen damals Gott – gern mit den Worten: Preiset den Herrn! Wer aber nicht preiswürdig war, der ging leer aus – basta!
Negativpreise sind heute schick
Unsere Ahnen jedenfalls hätten dem Julian Reichelt von "Bild" bei Verdacht verbaler Hetzjagd vielleicht den Vogel gezeigt, aber doch keinen Negativpreis verliehen. Schon allein, weil dieser hölzerne Begriff - ein gewollter Widerspruch in sich, ein Oxymoron – erst seit 1985 nachweisbar ist.
Dann aber, um die Jahrtausendwende, entwickelte er sich mit den zeitgeistigen Geschwistern Negativtrend und Negativpresse überaus prächtig. In der Mediengesellschaft wurde es schick, Negativpreise zu vergeben, inklusive Jury, Zeremonie und allem Pipapo.
"Sprachpanscher" ging an Jil Sander
Und diese Mode ist gar nicht mal so übel. Der Verein Deutsche Sprache etwa kürt seit 1997 den "Sprachpanscher des Jahres", der zunächst - arg diskriminierend gegenüber traditionellem Handwerk – "Sprachschuster" hieß.
Der erste Schuster alias Panscher war eine Panscherin, nämlich die Modeschöpferin Jil Sander. O-Ton: "Wer Ladyisches will, searcht nicht bei Jil Sander. Man muss Sinn haben für dieses effortless, das magic meines Stils." Die Sander, na klar, hatte ihren Preis redlich verdient.
Nebenbei: 2018 kürte der Verein den Deutschen Fußballbund für "Best never rest". Doch das war der Vollpfosten-Slogan des DFB-Partners Mercedes Benz. Merke: Mitgehangen, mitgefangen gilt auch bei Negativ-Preisen.
Lidl räumte bei den "Big Brother Awards" ab
Gar nicht vollpfostenmäßig dagegen: Die "Big Brother Awards", 1998 ins Leben gerufen von Privacy International, den Hütern der Privatsphäre, die sich gleich acht Preiskategorien ausdachten.
Das Positive des achtfachen Negativ-Preises: Kaum ein Missetäter blieb ungeschoren. Auch Lidl nicht. Der Discounter räumte 2004 in der Kategorie "Arbeitswelt" ab. Und zwar wegen der heimlichen internen Videoüberwachung und, kein schlechter Aprilscherz, weil menstruierende Mitarbeiterinnen in Tschechien genötigt wurden, Stirnbänder zu tragen, sofern sie außerhalb der Pausen auf Toilette gehen wollten.
Aufmerksamkeit als "unwiderstehlichste alle Drogen"
Aber sind Negativpreise deshalb per se dufte, der Aufklärung verpflichtet, moralisch tipptopp und so? Das suggerieren die Verleiher. Tatsächlich jedoch hat jeder Negativpreis ein fieses selbstgemachtes Problem.
Denn in der Mediengesellschaft waltet, Sie erinnern sich, die "Ökonomie der Aufmerksamkeit". Und Georg Franck hat im gleichnamigen Buch einst klipp und klar gestellt: "Die Aufmerksamkeit anderer Menschen ist die unwiderstehlichste aller Drogen."
Heißt für unseren Kontext: Was dem Heroin-Junkie sein Schuss ist, ist dem Preisträger womöglich sein Preis - ob nun "Negativ" davor steht oder nicht. Und die Preis-Verleiher unterliegen natürlich der gleichen Drogensucht: Ohne Aufmerksamkeit bekämen auch sie den Affen.
"Denkste, Puppe!"
Deshalb haben Negativpreise eine Tendenz zum boulevardesken Schmutzwäsche-Waschen. Siehe die Causa Felix Baumgartner. Der sehr männliche Stratosphärenspringer bekam letztes Jahr vom Frauennetzwerk Medien das "Rosa Handtaschl" verliehen.
Und zwar weil er angesichts bäuchlings ausgestreckter Models in einer Unterwäschewerbung via Facebook hatte wissen lassen: "Ich springe da gern mal dazwischen rein, auch ohne Fallschirm!" Dafür gerügt, war Baumgartner komplett aus der Hose gefahren: "Mir Sexismus [...] zu unterstellen ist […] fast schon pervers."
Und was brachte das "Rosa Handtaschl"? Etwa Einsicht, Besserung, gesellschaftlichen Fortschritt? "Denkste, Puppe!", würde Baumgartner wohl sagen. Alle Sprüche wurden noch mal aufgewärmt, die Facebook-Affäre ging in die mediale Verlängerung.
Schlauberger-Preis am Bande
Summa summarum: Vielleicht lagen die Alten ja richtig, als sie das Wort "Negativpreis" vorläufig nicht erfanden. Doch was sagen wir Sprach-Schlaubergern, die jetzt behaupten: Hey, das Gegenteil von "preisen" lautet seit anno dunnemals "schmähen", weshalb auch der Gegenbegriff zu "Preis" nicht "Negativ-", sondern "Schmähpreis" lautet - was unsere ganze Argumentation auffliegen ließe.
Nun, wir sagen: Guter Versuch! Aber zeigen Sie uns bitte einen einzigen Beleg für "Schmähpreis" vor 1985! Dann loben wir für Sie den Schlauberger-Preis am Bande aus und halten die Laudatio.