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Neil Young wird 70
Hohe, sehnsuchtsvolle Stimme

Sein ungezügeltes, rauschhaftes Gitarrenspiel verglich der "Rolling Stone" einmal mit abstrakter expressionistischer Malerei: Der kanadische Sänger, Gitarrist und Songwriter Neil Young feiert nun seinen 70. Geburtstag. Ihm gelang es bis in die 90er-Jahre immer wieder, aktuell relevante Musik zu machen.

Von Ronald Strehl |
    Ein Mann mit umgedrehter Baseballmütze und Gitarrengurt singt in ein Mikrofon.
    Neil Young zeigt immer wieder überraschende Wendungen in seinem Musikstil. (dpa / Will Oliver)
    Neil Percival Young kam am 12. November 1945 als Sohn eines Sportjournalisten in Toronto, Kanada, zur Welt. Aufgewachsen ist er in der kanadischen Stadt Winnipeg. Als Teenager spielte er zunächst in lokalen Beat-Gruppen, trat dann als Folksänger in Coffeebars auf, wo er mit seiner hohen, sehnsuchtsvollen Stimme erstmals für Aufsehen sorgte. Neil Young 1992 im amerikanischen Radiosender "NPR":
    "Ich war zunächst in einer Instrumentalband im Stile der Shadows. Ich schrieb da nur Melodien für die Gitarre. Mit dem Singen habe ich angefangen, als die Beatles populär wurden. Auch Bluessänger Jimmy Reed hat mich sehr beeinflusst. Ich habe mit solcher Begeisterung gesungen, dass ich gar nicht mitkam, dass die Leute irritiert von meiner Stimme waren und meinten: Was ist denn das?"
    Mit 21 ging Neil Young nach Los Angeles und avancierte als Songschreiber, Sänger und Gitarrist der Gruppen Buffalo Springfield und Crosby, Stills, Nash & Young zu einer der prägendsten Figuren der Woodstock-Ära. Richtig entfalten konnte sich Neil Young mit seiner romantisch-leidenschaftlichen Art aber erst als Solokünstler auf so großartigen bittersüßen Folkrock-Alben wie "After The Goldrush" oder "Harvest".
    Vorzeige-Hippie im karierten Baumwollhemd
    Der Hit "Heart Of Gold" machte aus dem Vorzeige-Hippie im karierten Baumwollhemd 1972 schließlich einen Weltstar. "Heart Of Gold" blieb sein größter Erfolg. Auch weil der unberechenbare Neil Young danach regelmäßig alle Erwartungen unterlief. Fans und Kritiker irritiert er bis heute durch drastische Stilwechsel und Schrulligkeiten wie die Hinwendung zum Synthesizer Anfang der 80er-Jahre oder ein Lo-Fi-Album, das er in einer telefonzellengroßen Aufnahmebox aus den 40er-Jahren aufgenommen hat. Neil Young 2003:
    "Wenn mir eine Idee zufliegt, sehe ich da als Geschenk. Ich bin dann nur dieser Idee verpflichtet, wo immer sie mich hinführt. Und ich lasse mich durch nichts und niemanden davon ablenken. Das hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin."
    Anfang der 90er-Jahre erlebte Neil Young einen zweiten Frühling, der ihm den Spitznamen "Pate des Grunge" einbrachte. Neue junge Bands wie Pearl Jam oder Nirvana erklärten, dass sie von Neil Youngs feedbackgetränkter Seite als wüster Rockmusiker inspiriert worden seien. Auch sein Engagement für den Umweltschutz oder für die Rechte der Indianer galt der Grunge-Bewegung als Vorbild.
    Bis heute tritt Neil Young regelmäßig auf und veröffentlicht neue Musik. Zuletzt erschien diesen Juni das Album "The Monsanto Years", eine kritische Abrechnung mit der Agrarindustrie. Für Schlagzeilen sorgte jüngst auch der von ihm entwickelte Audioplayer PONO, der eine verlustfreie Wiedergabe digitaler Musikdaten ermöglichen soll.
    Die anhaltende kreative Rastlosigkeit darf man dabei durchaus auch als Reaktion auf die gesundheitlichen Tragödien verstehen, die Neil Youngs Privatleben überschatten. Denn seine Tochter leidet unter epileptischen Anfällen, seine beide Söhne haben eine Hirnerkrankung, die sie ans Haus fesselt.
    "Meine Musik ist auf jeden Fall durch die Krankheit meiner Söhne beeinflusst. Ich habe durch sie gelernt, dass man nichts unversucht lassen soll. Mein Leben ist extrem und ich habe gelernt, diese Extreme zu akzeptieren. Und das gibt mir Kraft."