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Nein zu Griechenland-Hilfen
"Viele vertrauenzerstörende Dinge"

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Mark Helfrich hat angekündigt, im Bundestag gegen weitere Hilfen für Griechenland zu stimmen. Dazu habe nicht ein einzelnes Ereignis geführt, sagte Helfrich im DLF. Im Laufe der letzten Monate habe es "eine Vielzahl an vertrauenzerstörenden Dingen" seitens der griechischen Regierung gegeben.

Mark Helfrich im Gespräch mit Jasper Barenberg |
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    Er habe sich auch bei der letzten Abstimmung im Bundestag über die Verlängerung des zweiten Hilfspakets für Griechenland schon vorher festgelegt und damals dafür gestimmt, um Griechenland weitere Zeit für die Umsetzung vereinbarter Reformen zu geben, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Mark Helfrich im DLF. Im Verlauf der Verhandlungen mit der neuen Regierung seien dann aber Dinge passiert, weshalb er nicht mehr darauf vertraue, dass mit Griechenland ein Vertragspartner am Tisch sitzt, der "das Vertragswerk in den nächsten drei Jahren leben will", sagte Helfrich. Der letzte Punkt sei der Auftritt von Ministerpräsident Alexis Tsipras nach der Einigung auf weitere Hilfen gewesen, bei dem er den Gläubigern Rachsucht unterstellt und zu erkennen gegeben habe, dass er nicht an die vereinbarten Reformen glaube.
    Im Hinblick auf sein zerstörtes Vertrauen in Richtung Griechenland sei es ja auch nicht so, dass es sich da um Missverständnisse handele, dass er Tsipras vielleicht falsch verstanden habe, erklärte Helfrich. Im fehle das Vertrauen, dass es bei Tsipras ein Verständnis dafür gebe, dass sein Land die Reformbemühungen ergreifen müsse.

    Das Interview in voller Länge
    Jasper Barenberg: 29 Abgeordnete aus der Union haben sich bei der letzten Abstimmung im Bundestag verweigert, und weitere 100 Bedenken gegen weitere Hilfen für Griechenland zu Protokoll gegeben. Gestern Abend hat sich in der Fraktion der Kanzlerin herausgestellt, heute könnten 48 mit Nein stimmen, der Regierung ein Verhandlungsmandat für das dritte Hilfspaket verweigern. Am Telefon ist Mark Helfrich, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Schleswig-Holstein. Schönen guten Morgen!
    Mark Helfrich: Guten Morgen, Herr Barenberg!
    Barenberg: Herr Helfrich, große Zweifel an weiteren Hilfen für Griechenland haben ja viele Abgeordnete gerade in der Union. Viele wollen sich aber erst entscheiden, wenn sie die Argumente von Angela Merkel und Finanzminister Schäuble gehört haben. Heute, auch im Bundestag, wollen sie ja das Wort ergreifen. Sie haben sich schon vorher festgelegt. Warum?
    Helfrich: Ich habe mich bereits bei der letzten Griechenland-Abstimmung festgelegt. Damals ging es um die Verlängerung des zweiten Hilfspakets. Das war damals die wiederholte Verlängerung dieses Hilfspaketes, und ich habe damals gesagt, okay, wir geben dann noch mal weitere vier Monate an Zeit, um Griechenland auch nach einem Regierungswechsel die Möglichkeit zu geben, die eingegangenen Verpflichtungen dann auch zu erfüllen. Und wir haben ja dann erlebt, dass diese vier Monate letztlich ungenutzt verstrichen sind, dass ja Dinge auch passiert sind, die uns alle sehr überrascht haben, sowohl was eben den Verlauf der Verhandlungen betrifft, was das Auftreten der griechischen Regierungsvertreter betrifft, und nicht zuletzt, dass es dann auch noch zu einem Referendum in Griechenland gekommen ist, das ja mit 60 Prozent Nein zu weiteren Reformpaketen auch relativ deutlich ausgefallen ist.
    Helfrich: Tsipras glaubt selbst nicht an diese Vereinbarung
    Barenberg: Gab es so etwas wie einen Moment, eine Entscheidung, ein Ereignis, nachdem Sie gesagt haben, jetzt kann ich weiteren Hilfen keine Chance und keine Stimme mehr geben?
    Helfrich: Das war sicherlich kein einzelnes Ereignis, was dazu geführt hat. Es war eben die Vielzahl der ja auch vertrauenzerstörenden Dinge, die passiert sind, und wenn man dann sozusagen vielleicht ganz, ganz final ein Ereignis herauspickt, dann war es letztlich der Auftritt von Herrn Tsipras im Interview Dienstagnacht, wo er letztlich ja noch einmal, nachdem man ja dann unter schwersten Bedingungen eine Vereinbarung auf den Weg gebracht hat, sich dann es nicht verkneifen konnte, den Gläubigern Rachsucht zu unterstellen und auch zu erkennen gegeben hat, dass er selbst an diese Vereinbarung nicht glaubt.
    Barenberg: Die Kanzlerin und auch der Finanzminister haben gestern über Stunden sich ja der Debatte in der Fraktion gestellt. Beide werden heute das Wort ergreifen, das habe ich schon angesprochen. Keine Chance, dass die beiden Sie noch umstimmen könnten?
    Helfrich: Wir haben gestern eine sehr, sehr intensive, sehr, sehr ehrliche, sehr, sehr grundsätzliche Debatte geführt, und in der Tat, die beiden haben sich, wie es so schön heißt, open end dann in der Fraktion dann auch dem Informationsbedürfnis der Kolleginnen und Kollegen auch gestellt, insofern mein großer Respekt dafür. Ich werde, auch weil ich letztlich ja auch ein Stück weit auch Berechenbarkeit in meiner Entscheidung dann brauche, mich dann heute nicht mehr kurzfristig umentscheiden. Das ist sicherlich ausgeschlossen. Wenn Sie zugrunde legen, dass es eben auch um zerstörtes Vertrauen geht, und zwar zerstörtes Vertrauen in Richtung des Vertragspartners Griechenland und seiner Vertreter, dann lässt sich das auch nicht mit einer kurzfristigen Diskussion wieder aufbauen oder heilen.
    Es sind ja hier nicht etwa Missverständnisse, dass also jetzt hier sozusagen ich Herrn Tsipras gänzlich falsch verstanden hätte und man das aufklären könnte, sondern es ist ja, wie ich das schon gesagt habe, über viele Wochen und Monate eine Situation entstanden, wo ich einfach sage, ich vertraue nicht mehr darin, dass mit Griechenland jemand wirklich am Verhandlungstisch ist, der ein solches Vertragswerk wirklich meint, der es will und der es dann auch über die nächsten drei Jahre bereit ist, mit uns dann auch zu leben. Und das ist Grundvoraussetzung dafür, wenn man 85, 86 Milliarden Euro in die Hand nehmen will.
    Barenberg: Vertrauen, das Stichwort ist in den letzten Tagen und Wochen oft gefallen. Der Verlust von Vertrauen hat eine große Rolle gespielt, spielt eine große Rolle. Beschreiben Sie uns ein wenig, wie das in den Gesprächen auch unter den Kollegen in der Unionsfraktion, wie das da zutage getreten ist. Wie haben Sie darüber gesprochen?
    Helfrich: Über das Thema Vertrauen?
    Barenberg: Ja, generell über die Aussicht auf ein weiteres Hilfspaket, die Zweifel, die Skepsis, die es da bei vielen Ihrer Kolleginnen und Kollegen ja auch gibt.
    Helfrich: Das ist letztlich die grundsätzliche Situation, dass auch in der Analyse und Bewertung dessen, was passiert ist, man eigentlich sehr, sehr nahe beieinander ist, und dass aber die Schlussfolgerung daraus durchaus unterschiedlich ausfällt. Die einen, sagen wir, werden dieses Projekt Europa nicht durch einen ungeordneten Grexit gefährden, und deswegen sind wir sozusagen darauf angewiesen, jetzt ein neues Hilfspaket auf den Weg zu bringen mit entsprechenden noch strengeren Reformanstrengungen, die sozusagen dann Griechenland zu erbringen hat, und auf der anderen Seite eben gibt es ganz klar die Kollegen, die sagen, wir sind auf dem Weg in eine Haftungsunion, eine Transferunion, wo am Ende des Tages auch derjenige, der eben nicht sozusagen sich anstrengt, mittelfristig wieder auf eigenen Beinen stehen zu können, dann eben auch letztlich in unbegrenzter Größenordnung Hilfen erwarten kann. Das ist der Diskussionsverlauf.
    Bauchschmerzen nicht weniger geworden
    Barenberg: Die Spitze der Fraktion hat ja auch gestern noch mal an die Geschlossenheit appelliert. Es gab bei einer Probeabstimmung 48 Nein-Stimmen, die signalisiert werden. Glauben Sie, dass das ein ehrliches Bild gibt, oder wie wäre es, wenn diese Abstimmung freigegeben worden wäre?
    Helfrich: Ich kann Ihnen nur sagen, dass bei der letzten Abstimmung eine dreistellige Anzahl Kolleginnen und Kollegen damals über eine Protokollerklärung zu erkennen gegeben haben, wie schwer sie sich mit einer weiteren Verlängerung der Griechenlandhilfen tun. Und ich glaube, dass in den letzten Wochen und Monaten wenig passiert ist, wo diese Bauchschmerzen weniger geworden sind, eher im Gegenteil.
    Insofern ist es sicherlich so, dass der eine oder andere Kollege, der eine oder andere Kollege dort ist, der im Zweifelsfall nach wie vor skeptisch ist. Es ist einmal Ausdruck des großen Vertrauens auch, das muss man ganz klar sagen, in die Kanzlerin und in den Finanzminister, die sicherlich auch in diesem Ergebnis dann sich wiederfinden.
    Zum anderen müssen Sie auch sehen, dass eben doch viele Kollegen sagen, es geht jetzt erst einmal darum, dass Verhandlungen aufgenommen werden. Und an diesem Schritt bin ich dann als Abgeordneter vielleicht nicht bereit, sozusagen meiner Skepsis Ausdruck zu verleihen und mit Nein zu stimmen, sondern ich werde im Lichte dessen, was dann in diesen Verhandlungen sozusagen auf den Tisch kommt, dann meine Entscheidung treffen.
    Insofern gibt es verschiedene Gründe, warum vielleicht ein Ergebnis jetzt so ist, wie es ist. Es ist auch keinesfalls sicher, dass im Bundestag dann die gleiche Anzahl Abgeordnete dann mit Nein stimmt. Das wird sich ja dann nachher zeigen.
    Für mich war es letztlich so, dass ich gesagt habe, das Vertrauen, das verloren gegangen ist, dass wir wirklich einen Partner haben, der bereit ist, mit uns gemeinsam diesen Weg in diesem Sinne zu gehen, der auch das Verständnis hat, dass eben sein Land dringend Reformbemühungen ergreifen muss, nicht nur Sparanstrengungen, sondern wirklich auch Reformbemühungen im Staatswesen ergreifen muss. Dieses Vertrauen habe ich nicht, und dann wäre es auch nicht sinnvoll, jetzt zu sagen, ich bin für Verhandlungen, weil ich werde in vier, fünf, sechs Wochen, wann auch immer dann ein Verhandlungsergebnis da ist, wird sicherlich dieses verloren gegangene Vertrauen bei mir noch nicht wieder da sein.
    Barenberg: Die Position, Herr Helfrich, ist, denke ich, klar geworden. Vielen Dank für das Gespräch, Mark Helfrich, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Schleswig-Holstein. Danke für das Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.