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Neo-Noir-Thriller, Entführungsdrama und Cultural-Clash-Dokumentation

In "Broken City" brilliert Russel Crowe als korrupter Bürgermeister. Das Kinodebüt "Bastard" kreist um die emotionale Eiseskälte, die das Leben vieler unserer Kinder prägt. Und "You Drive Me Crazy" erzählt, was passieren kann, wenn man in einem fremden Land den Führerschein macht.

Von Hartwig Tegeler |
    "Broken City" von Allen Hughes

    Billy Taggart, New Yorker Cop in Allen Hughes Thriller "Broken City", erschießt einen Mann. Notwehr. Angeblich. Dann tauchen allerdings beim Bürgermeister Beweise auf, dass es keine Notwehr war.

    "Heute Morgen kam ein Zeuge auf uns zu, Sir. Er kam mit einem Beweis. - Und wo ist er? - Jemand hat ihn vorübergehend verlegt."

    Billy wird zwar freigesprochen, verliert aber seinen Job. Jemand könnte ja den Beweis wiederfinden. Schlecht fürs politische Geschäft.

    "Sie sind raus."

    Trotzdem gibt der Bürgermeister Billy ein Versprechen.

    "Einen guten Mann vergesse ich nie. Sollten Sie je Ihre Telefonnummer wechseln, denken Sie daran, mein Büro zu informieren."

    Jahre später, Billy - Mark Wahlberg -, nun Privatdetektiv, bekommt den Anruf vom Bürgermeister - atemberaubend gespielt von Russell Crowe.

    "Sie müssen mir helfen, das Dreckschwein zu finden, das meine Frau vögelt. - Sie glauben, sie hat eine Affäre. - Ich weiß, dass sie eine Affäre hat. Ich will Fotos."

    Die erhält der Bürgermeister, aber im weiteren Verlauf von "Broken City" wird Regisseur Allen Hughes uns so an der Nase herumgeführt haben, dass wir und Billy nur eines sicher wissen: Nichts ist so, wie es scheint. Eins allerdings lernt Billy sehr schnell über diesen Bürgermeister.

    "Keiner bricht einen Vertrag mit ihm."

    "Broken City" ist nicht originell, was aber nichts macht, denn dieser Film entwickelt trotzdem einen Sog, was an Russell Crowe liegt. Wenn wir ihm nämlich als korrupt-gefährlichen Bürgermeister das erste Mal begegnen, schwer, massig, nett, ein Buddy mit einem verführerischen Grinsen der Macht im Gesicht, wenn wir das sehen, blitzt in Bruchteilen von Sekunden hinter dieser Fassade etwas Dämonisches auf. Und das zieht Russell Crowe genial durch den ganzen Film durch. Wir können nicht anders: Wir mögen dieses Aas, das uns gleichzeitig ziemlich Angst macht.

    "Broken City" von Allen Hughes - empfehlenswert wegen seines überragenden Hauptdarstellers.

    "Bastard" von Carsten Unger

    Leon, 13 Jahre alt, hat den Jungen Nikolas entführt und in einen Keller gesperrt. Diese Entführung in Carsten Ungers Film "Bastard" hat für Leon aber alleine den Sinn, von Nikolas' Eltern als deren Sohn angenommen zu werden. "Bastard" erzählt also von einer emotionalen Erpressung; Leon wird seinerseits von Mathilda, auch 13 Jahre alt, erpresst. Sie will seine Zuneigung. Die Polizeipsychologin - Martina Gedeck -, versucht, aus Leon, der die Entführung ohne mit der Wimper zu zucken - scheinbar! - zugibt, den Ort herauszubekommen, wo der andere Junge gefangen ist. Doch für Carsten Ungers herausragenden Debütfilm "Bastard" schält sich neben der Entführung immer mehr heraus die Frage nach der emotionalen Eiseskälte, die unsere Gesellschaft und das Leben vieler Kinder prägt. Ein Zustand, der Gewalt gebiert! Und in diesem Film auf eindrucksvolle Weise in kühl blaugrauen Bildern inszeniert ist und darin an die frühen Filme von Michael Haneke und dessen Metapher von der "emotionalen Vergletscherung" erinnert. Carsten Unger versöhnt uns am Ende seines Films; das hat sich Haneke nicht erlaubt. Trotzdem:

    "Bastard" von Carsten Unger - verstörend, spannend und somit herausragend.

    "You Drive Me Crazy" von Andrea Thiele und Lia Jaspers

    Was Andrea Thieles und Lia Jaspers Dokumentation "You Drive Me Crazy" bietet, ist dieses: drei Fahrschulen, drei Fahrschüler und sechs Nationen. Jake, Amerikaner, versucht bei Herrn Tetsuya den japanischen Führerschein zu machen. Selber Autofahren in Japan, das bedeutet für den Grafikdesigner Mobilität und Freiheit. Doch die vier Prüfungen stehen als unüberwindbare Hürde vor ihm. Die Deutsche Designerin Mirelas will in Indien Stoffe für ein eigenes Fashion-Label zusammen tragen. Sie will selber durchs ganze Land fahren. Aber ohne den indischen Führerschein? Und so kommt der indische Fahrlehrer zu einer Erfahrung, wie eine hektische Deutsche den Verkehr von Mumbai aufmischt.

    "Slowly ..."

    Und auch Herr Krieger, der Ur-Bayer in persona Fahrlehrer in München, wird am Ende mit der Koreanerin Hye-Won ein erstaunliche Erfahrung machen: Sie wird ihm nämlich nach vielen Stunden endlich die Meinung sagen:

    "In deinem Land hast du Autofahren nicht gelernt. Das war umsonst, du kannst es nicht. Aber Sie sagen ständig, was hast du in Korea ... - Das ist persönlich. Das ist meine Sache."

    Andrea Thiele und Lia Jaspers nennen ihre Dokumentation "You Drive Me Crazy" selbst eine "Cultural Comedy". Und die beiden Filmemacherinnen schafften den Spagat zwischen der brüllenden Komik, wenn die Kulturen im Brennspiegel des Fahrschulautos aufeinanderprallen, und einer sehr ernsten Reflexion darüber, was einem passiert, wenn er oder sie in der fremden Kultur auch auf sich selbst trifft. Und sich damit die Frage stellt: Wieweit will ich mich in der Fremde verändern, mich anpassen, ohne mich zu verlieren? Eine Frage, meint Andrea Thiele völlig zu Recht, die sich Millionen von Menschen, die in der globalisierten Welt zu "Ausländern" geworden sind, täglich stellen.

    "You Drive Me Crazy" von Andrea Thiele und Lia Jaspers - komisch, nachdenklich, herausragend.